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Grünes Bewusstsein? Bohnenpflanzen zeigen Anzeichen von zielgerichtetem Verhalten

Symbolbild: Blätter einer Gartenbohne. Copyright: natureconcept (via Pixabay.com) / Pixabay License
Symbolbild: Blätter einer Gartenbohne.
Copyright: natureconcept (via Pixabay.com) / Pixabay License

London (Kanada) – Die Vorstellung von einem Pflanzenbewusstsein war lange Zeit eher religiösen und esoterischen Glaubenskonzepten vorbehalten und wird auch heute noch von den meisten Botanikern abgelehnt. Dennoch bekommt das Bild von Pflanzen als bewusstseinslose Organismen mehr und mehr Lücken, konnten Forschende doch bereits zahlreiche Eigenheiten und Fähigkeiten aufzeigen, die in so manchem Vegetarier ein schlechtes Gewissen hervorrufen könnten. In einer neuen Studie beschreiben internationale Botaniker und Botanikerinnen nun ihre Beobachtung eines offenbar zielgerichteten Verhaltens von Gartenbohnen.

Obwohl Pflanzen zweifelsohne ihre Umwelt wahrnehmen und auf sie und externe Reize reagieren können, gehen die meisten Botaniker davon aus, dass Pflanzen nicht über komplexe, mentale Fähigkeiten verfügen.

In ihren Experimenten haben Vicente Raja von der kanadischen Western University, Paula L. Silva von der University of Cincinnati, Roghaieh Holghoomi und Paco Calvo von der spanischen Universidad de Murcia nun untersucht, ob Gartenbohnen (Phaseolus vulgaris), eine vorhandene Rankhilfe gezielt oder nur eher zufällig nutzen. „Die Frage, die wir uns stellten, war jene, ob die Pflanzen ein zielgerichtetes Verhalten zeigen, das mit Erwartung und Feinabstimmung ihrer Bewegungen einhergeht“, erläutert Calvo gegenüber den „The Guardian“.

Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aktuell im Nature-Fachjournal “Scientific Reports” (DOI: 10.1038/s41598-020-76588-z) berichten, haben sie hierzu 20 eingetopfte Bohnenpflanzen mit Zeitrafferkameras gefilmt.

Grafische Darstellung des Versuchsaufbaus (Illu.). Copyright/Quelle: Raja et al., Scientific Reports 2020
Grafische Darstellung des Versuchsaufbaus (Illu.).
Copyright/Quelle: Raja et al., Scientific Reports 2020

Einige der Pflanzen waren in der Nähe einer vertikalen Rankhilfe platziert, andere nicht. Anhand dieser Aufnahmen analysierten die Forschenden dann die Wachstumsdynamik der Pflanzen und stellten so fest, dass das Wachstumsverhalten der jener Pflanzen in Reichweite einer Rankhilfe deutlich kontrollierter und vorhersagbarer war, als jenes der Kontrollpflanzen ohne Rankhilfe. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen seien vergleichbar mit dem Verhalten einer verblindeten Versuchsperson, die sich in einem Raum mit Hindernissen zurecht finden soll und der man entweder Hinweise auf die Hindernisse gibt, oder sie blind in diese hineinlaufen lässt.

– Videos der Experimente finden Sie HIER

„Tatsächlich sehen wir hier Signaturen komplexen Verhaltens“, erläutert Calvo- „Der einzige Unterschied zu uns Menschen besteht darin, dass dieses Verhalten nicht auf neuralen Vorgängen basieren kann, (da den Pflanzen hierzu die notwendigen neuralen Nervennetzwerkstrukturen fehlen). Was wir hier aber sehen, ist nicht nur ein reines Anpassungsverhalten. Wir sehen hier ein vorausschauendes, zielgerichtetes und flexibles Verhalten.“

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Zwar gestehen auch Calvo und Kollegen ein, dass ihre Experimente noch keinen eindeutigen Beweis für Absicht und noch weniger für ein Bewusstsein der Pflanzen darstellen, dennoch würden die Ergebnisse gerade in Anwesenheit dieser Eigenschaften sehr viel mehr Sinn ergeben. „Alle Organismen benötigen Möglich- und Fähigkeiten, sich an unsichere Umstände anzupassen, um so diese Fähigkeiten auch über ihre Gene weitergeben zu können“, erläutern die Forscher. “Doch die Zeitspannen über die solche Prozesse wirken, sind für Pflanzen für gewöhnlich doch sehr groß. Pflanzen tun Dinge nunmal sehr langsam, nicht zuletzt deshalb können sie es sich nicht leisten, (etwa die Rankhilfe) zu verfehlen.”

Laut den Botanikern könnte das “Bewusstsein” der Pflanzen statt durch neurale Netzwerke, durch das Gefäßsystem der Pflanzen und ihrem Meristem entstehen, also in Regionen undifferenzierter Teilungszellen in den Wurzeln und Sprossenspitzen, sowie an den Blattansätzen.

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In einem weiteren Fachartikel in “Biochem Biophys Research Communication“ (DOI: 10.1016/j.bbrc.2020.10.022) erläutern Calvo und Kollegen ihre Theorie zum Pflanzenbewusstsein auf der Grundlage der sog. Integrierten Informationstheorie (IIT) zum Bewusstsein, die feststellt, dass wir den Grad an Bewusstsein einer Person oder eines Systems anhand der Komplexität der Interaktionen einer Einzelteile ermitteln können. Dabei geht die IIT davon aus, dass jedes Material einen bestimmten Anteil an Bewusstsein besitzt, selbst unbelebte komplexe Systeme.

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In einem weiteren Fachartikel, der in einer zukünftigen Ausgabe des “Journal of Consciousness Studies” erscheinen soll, schlagen Calvo und Kollegen weitere Experimente vor, wie die Frage nach der Existenz eines Pflanzenbewusstseins ein für allemal beantwortet werden könnte: „Sollten diese Experimente dann erfolgreich verlaufen, so würde dies Pflanzen als neue Grenze der Bewusstseinsforschung etablieren und uns zum Überdenken bisheriger Vorstellung von Bewusstsein – wie wir es bestimmen können und wie es in lebenden Wesen verteilt ist – zwingen.“

Quellen: Scientific Reports, The Guardian

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Andreas Müller
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