Gunung Padang: Archäologisches Fachjournal zieht Fachartikel über “älteste Pyramide der Welt” zurück
Badung (Indonesien) – Im Oktober 2023 sorgte die Veröffentlichung eines Artikels im Fachjournal “Archaeological Protection” unter Archäologen weltweit für Kontroversen, behauptete dieser doch, Beweise dafür zu liefern, dass es sich bei dem indonesischen Kult-Hügel Gunung Padang tatsächlich um die weltweit älteste Pyramide handele. Jetzt hat das publizierende Fachjournal den Artikel offiziell zurückgezogen.
1914 von holländischen Kolonialisten wieder-entdeckt, gilt der von megalithischen Ruinen übersäte Kult-hügel Gunung Padang als der Ort mit den meisten megalithischen Bauten und Strukturen Indonesiens.
Schon 2013 konnte Danny Hilman Natawidjaja vom indonesischen Centre for Geotechnical Research den damaligen indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono von seiner Theorie überzeugen. Andere Archäologen zeigten sich hingegen noch zurückhaltend bis kritisch. Der Grund: Eine derartige, etwas mehr als 100 Meter hohe Pyramide würde laut Hilman eine Hochkultur auf West Java belegen, die um Jahrtausende älter wäre als alle allen anderen frühen Zivilisationen. „Die Pyramide“, so der Forscher 2013, „ist – das zeigen Radiokarbondatierungen – älter als 9.000 Jahre und könnte bis zu 20.000 Jahre alt sein. Das klingt verrückt, aber so sehen die Daten nun mal aus“ (…GreWi berichtete).
2023 konnte das Team um Natawidjaja seine Ergebnisse jahrelanger Untersuchungen und Messungen des Hügels auf West Java dann im Fachjournal “Archaeologocal Prospection” (DOI: 10.1002/arp.1912) veröffentlichen (…GreWi berichtete).
Die in diesem Artikel zusammengetragenen Ergebnisse deuteten die Autoren und Autorinnen als eindeutige Beweise dafür, dass Gunung Padang zwar nicht in einem Anlauf, stattdessen über Jahrtausenden hinweg in einzelnen Phasen, aber dennoch hauptsächlich künstlich angelegt wurde. Die ältesten Teile der Struktur datierte das Team auf ein Alter zwischen 25.000 und 14.000 Jahren. Es wäre die erste und älteste Pyramide weltweit. Die Ergebnisse würden auch bedeuten, „dass [Gunung Padang] älter ist als die älteste bekannte megalithische Stätte, Göbekli Tepe in der Türkei, die vor rund 11.000 Jahren von Steinmetzen errichtet wurde. Und es würde das, was über die menschliche Zivilisation in der Region bekannt ist, völlig umschreiben“, kommentierte auch „Nature.com“).
Nur kurz nach der Publikation der Studie regte sich allerdings Widerstand gegen die darin dargelegten Schlussfolgerungen und Interpretationen der Daten, woraufhin das bei Wiley erscheinende “Archaeologocal Prospection” eine Überprüfung des Artikels ankündigte.
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Kritiker der Studie verwiesen auf andere archäologische Untersuchungen zur Menschheitsgeschichte in der Region. Lutfi Yondri, Archäologe der National Research and Innovation Agency (BRIN) im indonesischen Bandung verwies etwa auf seine früheren Arbeiten, in denen er zeigen könne, dass Menschen in der Region zwischen 12.000 und 6.000 Jahren noch in Höhlen lebten – also lange nachdem die Pyramide angeblich erbaut worden sein soll. Es gebe zudem keine Ausgrabungen aus dieser Zeit, die Hinweise auf anspruchsvolle Steinmetzarbeiten erbracht hätten.
Zwar präsentiere der Fachartikel legitime Daten, doch seien „die Schlussfolgerungen über die Stätte und ihr Alter nicht gerechtfertigt“, kommentiert der Archäologe Flint Dibble von der Cardiff University. Gegenüber Nature.com erklärte der Wissenschaftler damals, dass aus der Studie keine klaren Hinweise darauf hervorgingen, dass die verborgenen Schichten von Menschen gebaut wurden und nicht das Ergebnis natürlicher Verwitterung und Bewegung von Felsen im Laufe der Zeit waren. „Material, das einen Hügel hinunterrollt, wird sich im Durchschnitt ausrichten“, sagt er. Natawidjaja und Kollegen hingegen erklären, dass die säulenförmigen Steine zu groß und zu geordnet waren, um einfach nur dort hingerollt zu sein: „Die ordentlich angeordnete, geformte und massive Natur dieser Felsen, von denen einige bis zu 300 Kilogramm wiegen, schließt die Wahrscheinlichkeit eines Transports über beträchtliche Entfernungen aus.“ (…GreWi berichtete).
Nun hat das „Archaeological Protection“ den besagten Artikel offiziell zurückgezogen.
In der dazu veröffentlichten Erklärung zur Begründung dieses Schrittes heißt es, der Artikel sei in Übereinstimmung mit den verantwortlichen und Herausgebern zurückgezogen worden. Weiter erklärt man:
„Nach Veröffentlichung dieses Artikels wurden Bedenken von Dritten mit Fachkenntnissen in Geophysik, Archäologie und Radiokarbondatierung bezüglich der Schlussfolgerungen geäußert, die die Autoren basierend auf den berichteten Beweisen gezogen haben. Der Verlag und die Mitherausgeber haben diese Bedenken untersucht und festgestellt, dass der Artikel einen schwerwiegenden Fehler enthält. Dieser Fehler, der während des Peer-Reviews nicht identifiziert wurde, besteht darin, dass die Radiokarbondatierung auf Bodenproben angewendet wurde, die mit keinerlei Artefakten oder Merkmalen verbunden waren, die zuverlässig als anthropogen oder „menschengemacht“ interpretiert werden könnten. Daher ist die Interpretation, dass die Stätte eine antike Pyramide ist, die vor 9000 oder mehr Jahren erbaut wurde, falsch, und der Artikel muss zurückgezogen werden. Danny Hilman Natawidjaja hat im Namen der Autoren geantwortet, von denen sich alle gegen den Rückzug aussprechen.“
Leider liefert die Redaktion des Fachjorunals keine Antwort der Autoren und Autorinnen um Danny Hilman Natawidjaja selbst. Stattdessen kann deren Reaktion allerdings auf der Facebook-Seite des Wissenschaftlers nachgelesen werden. Hier heißt es unter dem Titel „Die Ungerechtfertigte Rücknahme bahnbrechender Forschung: Ein Aufruf zur Akademischen Integrität“:
„Wir, die Autoren, äußern tiefgreifendes Bedauern über die unbegründete Rücknahme unseres Artikels (…), veröffentlicht in ‚Archaeological Prospection‘ von Wiley am 20. Oktober 2023 (Anlage #1). Die Rücknahme basiert ausschließlich auf unbegründeten Behauptungen Dritter, die unterschiedliche Meinungen vertreten und nicht an die Beweise, Analysen und Schlussfolgerungen glauben (Anlage #2).
Trotz unserer sorgfältigen Bemühungen, die unbegründeten Behauptungen mit robusten wissenschaftlichen Daten zu widerlegen (Anlagen #3 & #4), entschied sich das Team von Wiley, sich den Behauptungen anonymer Personen anzuschließen. Unseres Wissens nach haben weder die anonymen Drittparteien noch das Team von Wiley ausreichende wissenschaftliche Begründungen vorgelegt, um ihre Entscheidung zur Rücknahme unseres Papers aufgrund eines angeblichen schwerwiegenden Fehlers zu begründen (Anlage #5).
War die Entscheidung zur Rücknahme unseres Artikels also eine schwere Form der Zensur, die die grundlegenden Prinzipien wissenschaftlicher Untersuchungen, Transparenz und Fairness in der akademischen Diskussion offensichtlich missachtet hat? Wir fordern die akademische Gemeinschaft, wissenschaftliche Organisationen und besorgte Einzelpersonen auf, uns dabei zu unterstützen, diese Entscheidung anzufechten und die Prinzipien von Integrität, Transparenz und Fairness in der wissenschaftlichen Forschung und Veröffentlichung aufrechtzuerhalten.
Wie in unserem Paper dargelegt und in unserer Korrespondenz weiter ausgeführt (Anlage #3), wurden die Bodenproben aus den Gesteinsschichten, identifiziert als Einheiten 1, 2 und 3, eindeutig als menschengemachte Konstruktionen oder archäologische Merkmale etabliert, anstatt natürliche geologische Formationen zu sein. Diese Schichten werden von zahlreichen kleinen tragbaren Artefakten begleitet, die greifbaren Beweise für ihre anthropogene Herkunft liefern. Darüber hinaus schlägt unsere Interpretation nicht einfach die Existenz einer antiken Pyramide vor, die vor 9.000 oder mehr Jahren gebaut wurde, sondern deutet vielmehr auf das Vorhandensein einer komplexen Struktur hin, die aus drei Konstruktionsgesteinschichten besteht, die in verschiedenen Phasen errichtet wurden: 1.000 – 2.000 v. Chr. (Einheit 1), 5.500 – 6.000 v. Chr. (Einheit 2) und 14.000 – 25.000 v. Chr. (Einheit 3). Wenn sie beispielsweise die Behauptung bestreiten, dass die Gesteinsschichten (Einheit 1, 2, 3) menschengemachte Strukturen sind, müssen sie eine alternative geologische Erklärung für ihre Formen, Zusammensetzung und Anordnung liefern. Darüber hinaus stärken die zahlreichen Steinartefakte in den Einheiten 1, 2 und 3, wie durch zusätzliche Abbildungen, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden (Anlage #4), unsere Argumente weiter.
Folglich mangelt es der Rücknahme an wissenschaftlicher Gültigkeit, da sie die umfangreichen Beweise ignoriert, die in unserem Paper und unserer Korrespondenz vorgelegt wurden und unsere Schlussfolgerungen unterstützen. Stattdessen werden diese Beweise ohne angemessene Berücksichtigung oder Erklärung ignoriert und effektiv „begraben“ (Anlage #5).
Angesichts der genannten Bedenken haben wir den Originalartikel, ein entsprechendes Dokument mit Kritiken von Drittparteien, unsere Korrespondenz mit dem Wiley-Team, zusätzliche Daten und unsere Antwort auf die Rücknahmenotiz unten angehängt.
Mit freundlichen Grüßen
Die Autoren des Papers
– Die genannten Dokumente können HIER heruntergeladen werden
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Recherchequellen: Wiley, Danny Hilman Natawidjaja
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