Studie: Auf der Suche nach der Herkunft von Planet Nine

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Künstlerische Interpretation des mutmaßlich neunten Planeten im Sonnensystem. Die Forscher vermuten, dass es sich um einen Planeten handelt, der Uranus und Neptun gleichen könnte (Illu.).

Copyright: Caltech/R. Hurt (IPAC)

Cambridge (USA) – Während übereinstimmende Bahneigenschaften großer Objekte im Kuiper-Gürtel auf die Existenz eines noch unbekannten großen Felsplaneten im äußersten Sonnensystem hindeuten, läuft die Suche nach dem Planeten selbst und damit das Rennen um dessen direkte Erstentdeckung auf vollen Touren. Wo dieser dann neunte Planet (P9) jedoch seinen Ursprung hat, darüber rätseln Astrophysiker ebenso wie über die Frage, ob es den Planeten überhaupt gibt. Eine neue Studie hat sich der Frage nach der Herkunft von „Planet Nine“ und damit der verschiedensten bislang diskutierten theoretischen Modellen angenommen. Das Ergebnis: Der Planet dürfte eigentlich gar nicht existieren.

Wie das Team um Gongjie Li vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) und Fred Adams von der University of Michigan in einer kommenden Ausgabe des Fachjournals „Astrophysical Journal Letters“ berichten wird, soll der Planet die Sonne 150-400 Astronomische Einheiten (AE = Abstand Sonne-Erde) entfernt – also weit jenseits der bekannten Planetenbahnen – umkreisen. „Da stellt sich für uns Astrophysiker die Frage, wie dieser Planet dorthin gekommen ist oder ob er einst sogar irgendwo anders entstanden und dann später auf seiner heutigen, ungewöhnlichen Umlaufahn gelandet ist“, so Li. „Die Indizien sprechen dafür, dass Planet Nine existiert, aber wir können bislang noch nicht sicher erklären, wie und wo er entstanden ist.“

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In ihrer Studie haben die Astronomen mit Hilfe von rund einer Million Computersimulationen drei verschiedene Szenarios untersucht:

– Das wahrscheinlichste Szenario geht davon aus, dass Planet Nine durch die Schwerkraftinteraktion eines unser Sonnensystem passierenden anderen Sterns auf seine heutige Bahn gezogen haben könne.

Eine solcher Vorgang hätte dann die Umlaufbahn aber nicht nur stark ausgeweitet, sondern auch stark gestaucht. Planet Nine sollte in diesem Fall also eine deutlich elliptischere Umlaufbahn haben, als die, wie sie derzeit von seinen Erstbeschreibern Mike Brown und Konstantin Batygin vom California Institute of Technology anhand der übereinstimmenden Umlaufbahnen großer Kuiper-Gürtel-Objekte berechnet wurde (…GreWi berichtete). Zudem wäre eine solche stellare Nahebegegnung im noch jungen Sonnensystem sehr viel wahrscheinlicher gewesen als zu späteren Zeiten, da unsere Sonne gemeinsam mit Abertausenden anderer Sternen in einem Sternhaufen geboren wurde.

Auch hätte ein solcher Vorgang den Planeten sehr viel wahrscheinlicher gänzlich aus unserem Sonnensystem herauskatapultiert statt ihn auf einer stabilen Umlaufbahn neu zu platzieren. Die Wahrscheinlichkeit für letzteres Szenario berechneten Li und Adams denn auch mit höchstens 10 Prozent. Zudem hätte der Planet hierzu die Sonne ursprünglich schon zuvor auf einer weiten Umlaufbahn umkreisen müssen.

Diesem Problem haben sich sodann Li und Adams CfA-Kollege Scott Kenyon und Benjamin Bromley von der University of Utah ebenfalls mit Hilfe von Computersimulationen angenommen und kommen zu dem Schluss, dass „die einfachste Lösung jene wäre, wonach im Sonnensystem ursprünglich einfach ein zusätzlicher, großer Gasplanet entstanden ist“. Ein solcher weiterer Gasriese wäre demnach in jener Region entstanden, in der auch Jupiter und Saturn entstanden waren. Später könnte dieser Planet dann durch ein gravitatives Wechselspiel zwischen den Planeten auf seine spätere und heutige Umlaufbahn gelenkt worden sein. Allerdings geben die Astrophysiker in zwei aktuell im „Astrophysical Journal“ veröffentlichten Fachartikeln zu bedenken, dass diese Interaktion perfekt gepasst haben müsste, ohne dass dabei „Planet Neun“ gänzlich aus dem Sonnensystem geworfen worden wäre.

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Die Umlaufbahnen der bislang bekannten sechs (Anm.GreWi: mittlerweile sind es sieben) entferntesten Objekte im äußeren Sonnensystem, bzw. im Kuiper-Gürtel, weisen eine bislang rätselhafte gemeinsame Ausrichtung zu jener der Planetenebene auf. Ein Planet mit der rund 10-fachen Erdenmasse und auf einer entgegengesetzten, weiten und exzentrischen Umlaufbahn, würde diese merkwürdige Gemeinsamkeit erklären (Illu.).
Copyright: Caltech/R. Hurt (IPAC); [Diagram created using WorldWide Telescope.]

Hinzu haben Bromley und Kenyon auch das Szenario der Entstehung des Planeten in größerer Entfernung zur Sonne untersucht. Unter bestimmten Umständen schnell genug entstanden, könnte der Planet hier dann von dem von Li und Adams postulierten vorbeiziehenden Nachbarstern auf seine heutige Bahn gelenkt worden sein.

Sollte P9 eines Tages tatsächlich entdeckt werden, würde schon seine Struktur zeigen, welches Szenario zutreffe, erläutern die Forscher und führen dazu weiter aus: „Ein vertriebener Gasriese würde heute wie ein kalter Neptun aussehen. Ein Planet, der hingegen im äußeren Sonnensystem entstanden ist, wäre eine Art Pluto, (also ein Fels-Eis-Planet) ohne Gashülle.“

– Das zweite, von Li und Adams untersuchte Szenario, geht von einem Planeten aus, der ursprünglich Teil eines anderen Planetensystem war, und von unserem eigenen Sonnensystem eingefangen wurde.

– Allerdings liege die Wahrscheinlichkeit hierfür mit unter zwei Prozent ebenso niedrig wie das dritte Szenario, nachdem es sich bei P9 um einen Planeten handelt, der einst das Universum gänzlich befreit von einem eigenen Heimatstern durchwanderte und von unserer Sonne eingegangen wurde.

Zumindest eines geht aus den neuen Simulationen relativ deutlich hervor: Seine heutige, extrem weit von der Sonne entfernte Umlaufbahn hat Planet Nine – so er denn tatsächlich existiert – erst vergleichsweise spät erlangt. Der Grund für die Schlussfolgerung ist der bereits erwähnte dichte Sternhaufen, in dem unsere Sonne einst entstanden ist: „Nahebegegnungen mit Nachbarsternen waren hier wahrscheinlich nicht selten und ein Planet auf einer derart weiten Umlaufbahn wäre bei solchen Ereignissen sehr leicht nicht nur aus seiner Bahn sondern auch aus seinem Heimatsystem geschleudert worden. (…) Planet Nine hat seine weite Umlaufbahn vermutlich also erst erreicht, nachdem unsere Sonne ihren Geburtshaufen verlassen hatte.“

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