Hinweise auf heutiges Marsleben? Belege für reduzierte Atmosphäre auf dem frühen Mars
Hongkong – Während heute sowohl die Erde als auch der Mars oxidierende Atmosphären haben, der Grund, weshalb eisenreiche Materialien an der Oberfläche beider Planeten rosten, war zumindest die Atmosphäre der frühen Erde nicht oxidierend, sondern reduzierend – nichts rostete. Der Übergang von einer reduzierenden zu einer oxidierenden Erdatmosphäre geschah durch photosynthetisierendes Leben. Nun haben Planetenwissenschaftler auch Hinweise dafür gefunden, dass auch der frühe Mars einst eine reduzierte Atmosphäre hatte und stellen damit zugleich die Frage, was den Sauerstoff in die Marsluft brachte, der dem Roten Planeten seine Farbe gab?
Unsere Erde hat seit über 2,4 Milliarden Jahren eine oxidierende Atmosphäre. Der Übergang von der reduzierten hin zur oxidierenden Erdatmosphäre wird als „Great Oxidation Event“ (GOE), zu deutsch „Große Sauerstoffkatastrophe“ bzw. „großes Sauerstoffanreicherungsereignis“ bezeichnet. Dieser Übergang war ein zentraler Teil der Evolution unseres Planeten und im Wesentlichen mit der Evolution des Lebens verbunden – insbesondere mit der Verbreitung der Photosynthese, die Sauerstoff produziert. Das GOE bezeichnet also den Anstieg der Konzentration von molekularem Sauerstoff (O2) in flachen Gewässern und der Atmosphäre um mehrere Größenordnungen in relativ kurzer Zeit vor etwa 2,4 Milliarden Jahren an der Archaikum-Proterozoikum-Grenze, als die Erde in etwa halb so alt war wie heute. Grund war, dass einige der damals sämtlich anaeroben Lebewesen begannen, Sauerstoff als giftiges Abfallprodukt der Photosynthese zu erzeugen, und dies wahrscheinlich bereits schon seit vielen Hundert Millionen Jahren.
Wie das Team um den Doktoranden Jiacheng Liu von der University of Hong Kong aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-021-01303-5) berichtet, haben sie Belege dafür gefunden, dass auch der Mars ein großes Sauerstoffanreicherungsereignis durchlebt hat. Vor Milliarden von Jahren war der „Rote Planet“ nicht so rot, wie wir ihn heute kennen.
Für ihre Arbeit verwendeten die Wissenschaftler Infrarot-Fernerkundung und -Spektroskopie, um die molekulare Schwingung des Materials auf der Marsoberfläche aus der Umlaufbahn zu messen und die Mineralogie und Geochemie urzeitlicher Gesteine auf dem Mars aufzudecken.
Durch detaillierte Vergleiche von Infrarot-Fernerkundungsdaten und Daten, die im Labor hier auf der Erde gesammelt wurden, zeigte das Team dann, dass an der Oberfläche exponierte alte Gesteine auch auf dem Mars unter reduzierenden Atmosphärenbedingungen verwittert waren. Das wiederum deutet darauf hin, dass einst auch auf dem Mars eine reduzierte Atmosphäre vorhanden war.
„Vielen Menschen ist bewusst, dass der Mars heute kalt und trocken ist“, erläutert die Autoren der Studie. „Aber vor etwa 3,5 Milliarden Jahren war er wärmer und feuchter. Es war warm genug, um die Bildung von Flüssen, Seen und Mineralien zu ermöglichen, die sich durch Wechselwirkung mit Wasser bildeten.“
Obschon bereits bekannt war, dass es einst auch auf dem Mars zu einem Treibhauseffekt gekommen sein muss und eine reduzierende Atmosphäre vermutet wurden, gab es bislang jedoch noch keine direkten Hinweise dafür, dass eine solche reduzierende Atmosphäre tatsächlich vorhanden war.
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Im Vergleich zu den aus der Ferne erkundeten Daten zur Marsoberfläche, durch die die Wissenschaftler die Verteilung von Mineralien und Verwitterungsgesteinen kartieren konnten, nutzten die Forscher verwittere Vulkangesteine auf der Insel Hainan im Südwesten Chinas als irdischen Analog zum Mars. Hier gibt es dicke Basaltsequenzen, ähnlich wie bei Vulkangesteinen auf dem Mars.
„Da Sauerstoff ein Abfallprodukt von Stoffwechselprozessen wie der Photosynthese ist, hätte dieser sich ohne Mikroben, die Sauerstoff produzieren, nicht in unserer Atmosphäre ansammeln können, und wir wären nicht hier“, bemerkt Liu. Zwar gebe es sicherlich auch Unterschiede in den lokalen Bedingungen, denen Mars und Erde während dieser Zeit ausgesetzt waren, dennoch dränge sich die Vorstellung und Frage auf, was die Ergebnisse für eine potenzielle frühe Mars-Biosphäre bedeuten könnten.
Die Studie weckt also die Frage, woher der heutige Sauerstoffanteil der Marsatmosphäre kam, liegt dieser doch bei Mengen, für die auf der Erde bislang nur Mikroben als Erklärung in Betracht gezogen wurden. Zwar gibt es auch non-biologische Prozesse, die für einen Übergang von einer reduzierenden zu einer oxidierenden Atmosphäre verantwortlich sein könnten, doch die Erfahrungen aus dem Freilandlabor Erde zeigen, dass Biologie nicht nur infrage kommen könnte, sondern ganz oben auf der Liste bekannter Optionen steht..
Tatsächlich zeigen neuere Messungen des Mars-Rovers „Curiosity“, dass es auch auf dem Mars jahreszeitlich starke Schwankungen im Sauerstoffgehalt der dünnen Atmosphäre gibt, wie sie auf Lebenszyklen heute noch aktiver Marsorganismen hindeuten könnten (…GreWi berichtete).
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Quelle: University of Hong Kong
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