Internationale Studie findet Hinweise auf Bewusstsein bei Patienten in vegetativem Zustand

Symbolbild Copyright: AlexanderGrey (via Pixabay.com) / Pixabay License
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Cambridge (USA) – Eine internationale Studie von Gehirnscans zeigen, dass Patienten mit schweren Hirnverletzungen, die zudem nicht ansprechbar sind, durchaus Hinweise auf Bewusstsein aufweisen können.

Wie das Team um Dr. Yelena Bodien von Spaulding-Harvard Traumatic Brain Injury Model Systems und dem Center for Neurotechnology and Neurorecovery des Massachusetts General Hospital aktuell im renommierten „New England Journal of Medicine“ (DOI: 10.1056/NEJMoa2400645) berichtet, untersuchten sie Gehirnscans von 241 Patienten und Patientinnen mit schweren Hirnverletzungen, die selbst auf einfache Anweisungen nicht reagierten, mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT), Elektroenzephalographie (EEG) oder beiden Tests gemeinsam.

Während der Tests hörten die Teilnehmer Anweisungen wie „Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Hand öffnen und schließen“, gefolgt von „Hören Sie auf, sich das Öffnen und Schließen Ihrer Hand vorzustellen“. Die fMRT- und EEG-Hirnantworten zeigten, dass 60 (25 %) der Teilnehmer dieser Anweisung wiederholt und verdeckt über Minuten hinweg folgten.

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Wie die Autoren und Autorinnen der weiter erklären, sind Patienten mit sogenannter kognitive-motorische Dissoziation in der Lage, Sprache verstehen, sich an Anweisungen zu erinnern und ihre Aufmerksamkeit aufrechterhalten können, obwohl sie nicht ansprechbar erscheinen. Bei diesen Patienten übersteigen die kognitiven (d.h. Denk-) Fähigkeiten die motorischen Fähigkeiten und sind daher von diesen getrennt.

„Einige Patienten mit schweren Hirnverletzungen scheinen ihre äußere Welt nicht mehr zu verarbeiten. Wenn sie jedoch mit fortschrittlichen Techniken wie aufgabenbasierter fMRT und EEG untersucht werden, können wir Gehirnaktivitäten nachweisen, die auf das Gegenteil hinweisen“, erläutert die Hauptautorin.

Laut den Forschenden werfen die Ergebnisse wichtige ethische, klinische und wissenschaftliche Fragen auf, etwa die nach der Entwicklung eines Kommunikationssystems, das diese unentdeckte kognitive Kapazität nutzen kann und so die Genesung weiter zu fördern?

Hintergrund
Nach einer erheblichen Hirnverletzung können Menschen Bewusstseinsstörungen haben, die Koma, einen vegetativen Zustand oder einen minimal bewussten Zustand umfassen können. Seit der ersten Studie, die vor fast zwei Jahrzehnten die kognitive-motorische Dissoziation bei Menschen mit Bewusstseinsstörungen nachwies, wurde in Zentren weltweit festgestellt, dass dieser Zustand bei etwa 15 bis 20 % der nicht ansprechbaren Patienten auftritt.

Die aktuelle Studie legt jedoch nahe, dass dieser Zustand bei 25 % der Patienten oder sogar mehr vorhanden sein könnte. Die kognitive-motorische Dissoziation war am häufigsten bei Teilnehmern, die mit fMRT und EEG untersucht wurden, was darauf hindeutet, dass mehrere Tests mit unterschiedlichen Ansätzen erforderlich sein könnten, um das Bewusstsein nicht zu übersehen.

Das Wissen, dass jemand kognitiv bewusst ist und mehr Fähigkeiten hat, als es zunächst scheint, könne die klinische Betreuung erheblich verändern, so die Autorinnen und Autoren.

„Familien haben uns mitgeteilt, dass, sobald ein positives Testergebnis, das eine kognitive-motorische Dissoziation aufzeigt, dem klinischen Team des Patienten mitgeteilt wird, dies die Art und Weise ändern kann, wie das Team mit ihrem Angehörigen interagiert. (…) Plötzlich achtet das Team mehr auf subtile Verhaltenszeichen, die unter bewusster Kontrolle stehen könnten, spricht mit dem Patienten oder spielt Musik im Raum. Andererseits kann das Nicht-Erkennen einer kognitiv-motorischen Dissoziation schwerwiegende Folgen haben, einschließlich des vorzeitigen Abbruchs der Lebenserhaltung, verpasster Anzeichen von Bewusstsein und fehlendem Zugang zu intensiver Rehabilitation.“

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Recherchequelle: Mass General Brigham

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