Cambridge (USA) – Derzeit sucht das Team um den Harvard-Astronom Avi Loeb vor Papua Neuguina nach Fragmenten eines Objekts, dass hier 2014 nachweislich und buchstäblich vom Himmel fiel und dessen Ursprung außerhalb unseres Sonnensystems liegt. Ob nun Teile eines natürlichen Asteroiden aus einem anderen Planetensystem oder eines künstlichen Artefakts einer fernen Zivilisation – die Wissenschaftler hoffen auf eine Wissenschaftssensation.
Wie Prof. Avi Loeb bereits am gestern im 15. Teil seines Expeditionstagebuchs berichtete, entdeckte das Team beim 6. Suchgang mit dem Magnetschlitten in rund zwei Kilometern Tiefe zahlreiche Fragmente aus korrodiertem Eisen.
„Zuerst dachten wir, es könnte sich um gewöhnliches Industrieeisen handeln, das mit vom Menschen verursachtem Meeresmüll in Verbindung gebracht wird. Doch als Ryan Weed die Scherbenprobe durch den Röntgenfluoreszenzanalysator (XRF) laufen ließ, entdeckte er als wahrscheinlichste Legierung S5-Stahl mit Titan, der auch als stoßfester Stahl bekannt ist“
Damit liegt die Materialstärke dieser Fragmente bei 1,7 GPa (Giga-Pascal) und damit deutlich über der bekannter Eisenmeteoriten unseres Sonnensystems. Dieser Umstand decke sich wiederum mit der Tatsache, dass der in dieser Gegend niedergegangenen interstellare Meteor (bzw. Objekt) mit der Bezeichnung „IM1“ als beispielsweise alle anderen 272 Meteore im CNEOS-Katalog der NASA.
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„Am wichtigsten aber ist, dass die Form der geborgenen Scherben nahezu flach ist – als wären sie Oberflächenschichten, die von einem technischen Objekt abgebrochen wurden, das extremer Materialbeanspruchung ausgesetzt war“, führt Loeb weiter aus. „Eisenmeteoriten zerbrechen in kleine Stücke, die durch den Feuerball zu Kügelchen geschmolzen werden, die herabregnen und in verstreuten Feldern als nahezu kugelförmige Fragmente geborgen werden.“ Mikroskopisch kleine Kügelchen in den Proben, die zunächst als mögliche typische Hinterlassenschaften eines Meteoriten gedeutet wurden, stellten sich bei einer Untersuchung als Hinterlassenschaften biologischen Planktons heraus. Wäre hier also ein Meteor zerplatzt, sollten sich auch entsprechende Sphärulen finden.
Somit wäre möglich, dass der Feuerball von IM1 durch das Aufbrechen von Oberflächenschichten entstanden ist und der Kern des Objekts den Eintritt durch die Atmosphäre überstanden hat, „wie es bei Raumfahrzeugen zu erwarten ist“, hofft Loeb.
Auch beim 7. Suchgang wurden ähnliche Splitter entdeckt. „Dies spricht dafür, dass diese Fragmente nicht an einer einzigen Absturzstelle konzentriert sind, sondern über ein größeres Trümmerfeld verteilt wurden.“ Auch dies spreche für die Hoffnung, dass es sich um Fragmente des interstellaren Objekts handeln könnte.
Bei der Auswertung der Funde konnten die Wissenschaftler dann zwei Arten von Splittern unterscheiden, die aufgrund ihrer Farbe als „rot“ und „grau“ bezeichnet werden, was unterschiedlichen Oxidzuständen entspricht. Eine vorläufige RFA-Analyse lässt laut Loeb darauf schließen, „dass der graue Typ S5-Stahl zu 93% aus Eisen und 0,8% aus Titatiumanteilen besteht, während der rote Typ zu aus 99,3% aus Eisen und 0,1% aus Titan besteht.
„Die roten Scherben werden von der XRF als nahe an Kohlenstoffstahl der Serie 1100 mit einer Streckgrenze von etwa 200 MPa gekennzeichnet, was überraschenderweise nahe an den Staudruck-Werten liegt, bei dem IM1 zerfiel“, so Loeb.
Ob das alles Zufall oder ein Hinweis dafür ist, dass man mit diesen Scherben tatsächlich erste Fragmente des interstellaren Objekts „IM1“ geborgen habe, sei bislang noch unklar. „Wenn ja, warum sollte ein interstellares Objekt aus Stahl bestehen, wenn es nicht auch technologisch hergestellt wurde? Der technologische Ursprung würde mit der flachen Form der geborgenen Scherben in den Suchgängen 6 und 7 vom 18. bis 19. Juni 2023 übereinstimmen. Die Geschwindigkeit von IM1 außerhalb des Sonnensystems war höher als bei jedem bisher von Menschenhand geschaffenen Raumschiff.“
Derzeit werden die grauen Scherben mit einem Gammastrahlenspektrometer untersucht: „Ein Mangel an kurzlebigen radioaktiven Isotopen wie Aluminium-26 könnte auf einen außerirdischen Ursprung dieser Splitter schließen lassen, wenn sie viel länger als die Halbwertszeit dieser Isotope im interstellaren Raum verbracht haben. Angesichts der bekannten Geschwindigkeit von IM1 außerhalb des Sonnensystems betrug seine Reisezeit durch die Milchstraße wahrscheinlich viele Millionen oder vielleicht Milliarden Jahre – ohne Spuren kurzlebiger Isotope zu hinterlassen. Im Gegensatz dazu sollte jeder ins Meer geworfene Müll die bekannte Häufigkeit seltener radioaktiver Isotope auf der Erde aufweisen.“
Basierend auf den Beobachtungsdaten der Satelliten des US-Verteidigungsministeriums (Departnemt of Defense, DoD), konzentrieren sich Loeb und Kollegen auf ein etwa 10 x 10 Kilometer großes Gebiet (s. Abb.). Tatsächlich erbrachte der Suchgang Nummer 6 die meisten der zuvor beschriebenen Stahlscherben.
„Es ist daher möglich, dass der Feuerball genau in der Mitte dieses Suchfeldes (DoD-Box) stattfand. Ich habe daher vorgeschlagen, dass Lauf 10 durch dieses Zentrum verläuft. Das Auffinden einer Konzentration von Scherben in der dessen Zentrum würde die Annahme stärken, dass die Fragmente tatsächlich mit IM1 in Zusammenhang stehen könnten, da es unwahrscheinlich ist, dass ein unabhängiger Prozess sie dort konzentrieren würde“, berichtet Loeb in seinem jüngsten Logbucheintrag (Nr. 17) der Expedition.
GreWi wird weiterhin berichten…
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Recherchequelle: Avi Loeb
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