Irdisches Leben erlaubt Rückschlüsse auf außerirdische Lebensformen
Blick auf das „Valle de la Luna“ in der Atacamawüste
Copyright: gemeinfrei, Simon Prisner
Pullman (USA) – Extreme Lebensformen auf der Erde – Organismen etwa, die Jahre ohne Wasser auskommen oder selbst im Vakuum des Weltalls überleben können – erlauben einen Ausblick auf mögliches außerirdisches Leben, etwa auf dem Mars, oder auf Saturnmond Titan.
Wie der Planetenwissenschaftler Dr. Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University aktuell im Fachjournal „Life“ erläutert, gehört es zu den Grundvoraussetzungen für die Suche nach außerirdischem Leben, dass man sich zu Beginn dieser Suche klar macht, wonach man eigentlich sucht bzw. was man auf den jeweiligen Planeten und Monden aufgrund der jeweils vorherrschenden Umweltbedingungen erwarten kann.
„In unserer Studie (Anm. GreWi: die vom Europäischen Forschungsrat, ERC gefördert wurde), behaupten wir nicht, dass es diese oder ähnliche Organismen auf den jeweiligen Planeten tatsächlich gibt. Aber wir zeigen, dass ihre Existenz mit den physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten dieser Welten und mit unserem Verständnis von Biologie vereinbar wäre“, so Schulze-Makuch.
Während zukünftige Marsforscher einmal also auf dem Roten Planeten durchaus Lebewesen finden könnten, die denen auf der Erde gleichen, so würde Leben auf dem Saturnmond Titan eine vollständig andere biochemische Grundlage haben, wie das Leben auf der Erde.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den tägichen GreWi-Newsletter bestellen +
„Trotz seiner einzigartigen biochemischen Grundlage bräuchte das irdische Leben nur einige wenige neue Anpassungsformen, um relativ einfach etwa auf dem Mars oder einem marsähnlichen Planeten überleben zu können“, so die Forscher.
Erste Organismen müssten beispielsweise einen Weg finden, in der sehr viel trockeneren und kälteren Umwelt – vergleichbar mit einer noch extremeren Version der irdischen Atacamwüste – Wasser zu erlangen. Eine mögliche Anpassungsform wäre die Nutzung einer Mischung aus Wasser und Wasserstoffperoxit statt (wie auf der Erde) Wasser als interzelluläre Flüssigkeit. Tatsächlich gibt es auf der Erde Lebewesen, die diese chemische Mixtur als natürlichen Frostschutz herstellen können, wie er Mikroorganismen dabei helfen könnte, den Marswinter zu überstehen. Nicht zuletzt hat Wasserstoffperoxid eine wasseranziehende Eigenschaft – könnte also Wasser aus den Marsatmosphäre binden.
Während der Tagesstunden könnten pflanzenartige Mikroorganismen auf einer marsartigen Oberfläche Wasserstoffperoxid photosynthetisieren, um damit in den Nachtstunden – wenn die Atmosphäre vergleichsweise feucht ist – Wasser aus dieser Atmosphäre zu binden. Auf ähnliche Weise nutzen mikrobische Gemeinschaften in der Atacamawüste Feuchtigkeit, die sie aus der salzigen Luft extrahieren.
Schulze-Makuch vermutet, dass diese Mikroorganismen wiederum größeren und komplexeren Lebensformen, die etwa irdischen Käfern gleichen könnten, als Nahrungs- und Wassergrundlage dienen könnten.
Aufgrund seiner größeren Entfernung zur Sonne, ist der Saturnmond Titan auch um einiges kälter als Erde und Mars und besitzt eine durchschnittliche Oberflächentemperatur von -180 Grad Celsius. Zudem gibt es auf der Oberfläche kein flüssiges Wasser oder Kohlendioxid in der Atmosphäre. Auf der Erde sind diese beiden chemischen Komponenten für Leben wie wir es kennen aber absolut notwendig.
„Wenn es also auf Titan oder auf titanartigen Planeten Leben geben sollte, so müsste es zwangsläufig etwas anderes als Wasser als interzelluläre Flüssigkeit nutzen“, stellt Schulze-Makuch fest. „Eine Möglichkeit wären Kohlenwasserstoffe wie Methan oder Ethan. Lebensformen, die nicht auf Wasser als Grundlage basieren, könnten also durchaus in den Methan-Ethan-Seen und -Meeren existieren, wie sie einen Großteil der Titanoberfläche bedecken. Eben genau so, wie irdische Organismen im Wasser leben.“ Derartig hypothetische Lebewesen konnten Wasserstoff statt Sauerstoff atmen und diesen als Reaktion mit den energiereichen Acetylen aus der Titan-Atmosphäre zu Methan umwandeln. Ganz so wie wir Kohlendioxid ausatmen.“
Aufgrund ihrer wirklich kalten Umwelt würde diese Organismen im Vergleich zu irdischen Organismen große und sehr langsam stoffwechselnde Zellen besitzen. Die langsame Stoffwechselrate würde bedeuten, dass sowohl die Evolution als auch das Altern sehr viel langsamer ablaufen würden als auf der Erde und würde somit die Lebensspanne dieser Organismen wahrscheinlich enorm erhöhen.
„Auf der Erde sind wir gerade erst dabei die möglichen physiologischen Optionen der einzelne Organismen zu verstehen. Aber das, was wir schon wissen ist erstaunlich“, so der Wissenschaftler: „Die Möglichkeiten von Leben sonst wo im Universum werden dadurch immer faszinierender.“
Allerdings werde uns erst die tatsächliche Entdeckung von außerirdischem Leben und einer zweiten Biosphäre erlauben, alle diese Hypothesen zu überprüfen, so Schulze-Makuch abschließend. „Das wäre dann wohl einer der größten Errungenschaften unserer eigene Art.“
© grenzwissenschaft-aktuell.de