Ist das Universum 2 Milliarden Jahre jünger als gedacht?
Garching (Deutschland) – Mit Hilfe zweier Gravitationslinsen haben Astrophysiker eine neue Berechnung der Hubble-Konstante und damit zum Alter unseres Universums vorgestellt. Diese legt nahe, dass das der Kosmos bis zu zwei Milliarden Jahre jünger sein könnte als bislang gedacht.
„Angesichts der Frage nach dem genauen Alter des Universums ist die Wissenschaft mit großen Unsicherheiten konfrontiert”, erläutern Inh Jee und Eiichiro Komatsu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) aktuell im Fachjournal “Science” (DOI: 10.1126/science.aat7371).
Wissenschaftler schätzen das Alter des Universums anhand der Bewegungen der Sterne, um so auf die Ausdehnungsrate des Universums zu schließen. Besagte Ausdehnungsrate wird als “Hubble-Konstante” bezeichnet und gehört zu den wichtigsten Werten in der Kosmologie. Bislang wird anhand dieser Konstante ein Alter des Universums von 13,7 Milliarden Jahren anerkannt. Dieser Wert basiert wiederum auf einem Wert der Hubble-Konstante von 70.
Allerdings liefern verschiedene Techniken inkonsistente Antworten auf Frage, wie schnell sich unser Universum tatsächlich ausdehnt. Wenn sich das Universum also schneller ausdehnen würde als bislang bekannt, würde das bedeuten, dass es seine heutige Ausdehnung schneller erlangt hat als bislang angenommen – und wäre dann auch entsprechend jünger. Würde es sich langsamer ausdehnen, wäre es entsprechend älter.
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Anhand der Analyse der Ausdehnung zweier Gravitatiosnlinsensysteme (s. Abb) hat das internationale Team um Jee und Komatsu nun die Abstände von Hunderten von beobachteten Supernovae kalibriert und so einen ungewöhnlich hohen Wert von 82 +/- 8 errechnet. Dadurch wäre das Universum mit nur 11,4 Milliarden Jahren deutlich jünger als die bislang errechneten 13,7 Milliarden Jahre.
Hintergrund
Gravitationslinsen beschreiben die Tatsache, dass Licht von großen Massen im Universum abgelenkt wird, so wie eine Glaslinse auf der Erde Lichtstrahlen biegt. In den letzten Jahren haben Kosmologen diesen Effekt zunehmend genutzt, um Entfernungen zu messen. Sie nutzten dabei die Tatsache aus, dass ein Beobachter bei einem Mehrfachbildsystem die Photonen der verschiedenen Bilder aus verschiedenen Richtungen aufgrund der unterschiedlichen optischen Weglängen zu unterschiedlichen Zeiten sieht. Diese Messung ergibt eine physikalische Größe der Linse, und der Vergleich mit der beobachteten Größe am Himmel ergibt eine geometrische Entfernungsschätzung, die als „Winkelabstandsmessung“ bezeichnet wird. Solche Entfernungsmessungen in der Astronomie sind die Grundlage für die Messung der Hubble-Konstante, benannt nach dem Astronomen Edwin Hubble, der eine lineare Beziehung zwischen den Rotverschiebungen (und damit der Expansionsgeschwindigkeit des Universums) und den Entfernungen von Galaxien fand (ein Zusammenhang, der auch von Georges Lemaître unabhängig entdeckt wurde).
Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Allerdings ist der neue Ansatz nur einer von mehreren, die bereits seit den frühen 1990er Jahren kontrovers diskutiert werden und die alle zu entsprechend abweichenden Werten führen (…GreWi berichtete, siehe Links).
Da bislang zudem erst zwei Gravitationslinsen als neue Werkzeuge zur Bestimmung der Hubble-Konstante genutzt wurden, sei die Unsicherheit noch relativ groß.
„Diese neue Messung bestätigt, dass es einen systematischen Unterschied zwischen den direkt aus dem Abstand zu lokalen oder mittelweiten Quellen gewonnenen und den indirekt aus der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung abgeleiteten Werten für die Hubble-Konstante zu geben scheint“, erklärt Eiichiro Komatsu abschließend. „Wenn weitere Messungen dies bestätigen, würde diese Diskrepanz eine Revision des Standardmodells der Kosmologie erfordern.“
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Quelle: MPA
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