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Jenseits der Rot-Grenze: Neue Form der Photosynthese entdeckt


Querschnitt durch Strandgestein von Heron Island in Australien, in dem Cyanobakterien (grün) mittels Chlorophyll-f noch mehrere Millimeter tief im Innern des Gesteins Photosynthese betreiben können.

Copyright: Dennis Nürnberg

London (Großbritannien) – Ein internationales Wissenschaftlerteam hat eine bislang unbekannte Form der Photosynthese entdeckt, wie sie nicht nur unsere Vorstellung vom grundlegenden Mechanismus der Photosynthese und bisherigen Lehrwissen verändert, sondern auch Einfluss auf die Suche nach außerirdischem Leben haben könnte und neue Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Getreidesorten in Aussicht stellt, die von längerwelligem Licht profitieren könnten.

Wie das Team um Dr. Dennis Nürnberg und Professor Bill Rutherford vom Imperial College und Kollegen der Australian National University, dem Centre national de la Recherche Scientifique (CNRS) und dem italienischen Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.aar8313) berichten, nutzt die Mehrheit des irdischen Lebens das sichtbare rote Lichtspektrum zur Photosynthese – also zur Erzeugung von energiereichen Biomolekülen aus energieärmeren Stoffen mithilfe von Lichtenergie.

Jetzt haben die Wissenschaftler jedoch entdeckten, dass mehrere Arten von Cyanobakterien (Grün- und Blaualgen) eine bislang unbekannte Form der Photosynthese nutzen können, die sich stattdessen des Lichtspektrums im nahen Infrarotbereich bedient. Die Bakterien nutzen diese Form der Energiegewinnung immer dann, wenn sie – etwa in Bakterienmatten im Yellowstone Nationalpark, auf Felsstränden in Australien (s. Abb. o.) oder eben unter Laborbedingungen am Imperial College – unter Einfluss von Infrarotlicht wachsen.

Während die bislang bekannte Form der Photosynthese das grüne Pigment „Chlorophyll a“ nutzt, um Licht zu sammeln und seine Energie in für den Organismus verwertbare Biochemikalien und Sauerstoff umzuwandeln, kann hierbei nur der langwellige Rotbereich des Lichts genutzt werden.

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„Chlorophyll a“ kommt in allen bekannten Pflanzen, Algen und Cyanobakterien vor. Bislang gingen Wissenschaftlter davon aus, dass die Energie des Rotbereichs eine Art unterste Grenze für die Photosynthese (die sog. Rot-Grenze) darstellte. Diese beschreibt die kleinste Menge an Energie, die für die chemische Produktion von Sauerstoff notwendig ist. Der „red limit“ wird auch in der Astrobiologie genutzt, um abzuschätzen ob komplexes Leben auf Planeten außerhalb des Sonnensystems entstanden sein könnte.

In ihren Experimenten konnten die Wissenschaftler nun aber zeigen, dass einige Cyanobakterien auch unter nahem Infrarotlicht gedeihen, unter dem sonst normale Chlorophyll-a-Systeme eingehen, fortan sozusagen auf „“Chlorophyll f“ umstellen.

Bislang gingen Biologen davon aus, dass diese Art des Chlorophylls einzig und allein für das Lichtsammeln verantwortlich sei. Die neue Studie zeigt nun jedoch, dass Chlorophyll-f stattdessen eine wichtige Rolle in der Photosynthese unter schattigen Bedingungen spielt und das energieärmere Infrarotlicht für die komplexen chemischen Prozesse nutzt – Photosynthese also jenseits der Rot-Grenze.

„Diese neue Form der Photosynthese zeigt uns, dass wir das, was wir bislang für möglich hielten, überdenken müssen“, so Rutherford. „Es verändere auch unsere Vorstellungen von den der Photosynthese zugrundeliegenden Schlüsselvorgängen. Das ist das Zeug, das die Lehrbücher verändern wird.“

Eine Kolonie von Chroococcidiopsis-artigen Zellen, die sowohl mittels den gewöhnlichen Chlorophyll-a (magenta) als auch mit Chlorophyll-f (gelb) Photosynthese betreiben.
Copyright: Dennis Nürnberg

Schon zuvor war bekannt, dass das Cyanobakterium Acaryochloris zur Photosynthese jenseits der Rot-Grenze fähig ist. Da diese Fähigkeit aber nur in dieser einen Art bekannt war, wie sie nur unter sehr speziellen Bedingungen vorkommt, gingen Wissenschaftler bislang davon aus, dass es sich auch um eine einzigartige Abweichung von der Norm handele.

Die jetzt von den Forschern um Rutherford beschriebene Chlorophyll-f-Photosynthese stellt damit die bislang dritte bekannte Form der weitverbreiteten Photosynthesearten dar. Allerdings werde sie von Cyanobakterien immer nur dann genutzt, wenn diese in infrarotreichen schattigen Umgebungen wachsen. Gelangen die selben Organismen wieder in normales sichtbares Licht, so nutzen sie die Standardform der Photosynthese, berichten die Forscher.

Während Wissenschaftler bislang davon ausgegangen waren, dass der Schaden durch Licht unterhalb der Rot-Grenze stärker wäre, zeigt die neue Untersuchung, dass auch dies für die Organismen offenbar kein Problem darstellt, solange sie unter stabilen schattigen Bedingungen wachsen.

„Die Entdeckung einer Form von Photosynthese jenseits der Rot-Grenze verändert unsere Vorstellungen des zur Photosynthese notwendigen Energiebedarfs grundlegend und liefert Einsichten in die Nutzung von Lichtenergie, mit der sich Organismen vor den schädlichen Auswirkungen von Licht schützen“, erläutert Co-Autor Dr. Andrea Fantuzzi. Diese neuen Erkenntnisse könnten zukünftig zur Erzeugung neuer Getreidesorten genutzt werden, die die Photosynthese über ein noch größeres Lichtspektrum nutzen können.

Durch die Untersuchung der neuen Photosynthese-Form haben die Forscher zudem festgestellt, dass auch noch weitere Kombinationen der Nutzung der unterschiedlichen Chlorophyll-Arten möglich wäre.

Die Erkenntnis könnte auch die Grenzen des uns bekannten Lebens verschieben und Auswirkungen auch auf unsere Suche nach erdähnlichem außerirdischem Leben haben, wie es nun auch an Orten möglich sein könnte, an denen es bislang als eher unwahrscheinlich bis ausgeschlossen galt.

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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(Kornkreisforscher)

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