Jüngere Dryas: Forscher finden Hinweise für extremes Hitze-Ereignis als Ursache für die Zerstörung einer der frühesten menschlichen Siedlungen
Santa Barbara (USA) – Die seit den 1970er Jahren unter den Euphrat-Wassern des heutigen Assad-Stausees verborgene archäologische Stätte Abu Hureyra in Nordsyrien gilt als eine der frühesten menschlichen Siedlungen, an der sich einst rund um einen großen Hügel, alte Nomaden niederließen und mit dem Anbau von Pflanzen begannen. Anhand von Materialproben, die vor der Flutung gesammelt wurden, haben Wissenschaftler nun Hinweise auf ein extremes Hintze-Ereignis gefunden, dass vermutlich nicht nur für die Zerstörung der Siedlung verantwortlich war, sondern auch an zahlreichen anderen Orten weltweit Spuren eines Kometeneinschlags vor rund 12.800 Jahren hinterließ.
Wie das Team um James Kennett, emeritierter Professor für Geologie an der UC Santa Barbara aktuell im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-020-60867-w) berichtet, war es Archäologen schon zuvor anhand der Materialproben u.a. von Häusern, Lebensmitteln und Werkzeugen gelungen, hier den Übergang zur Landwirtschaft vor fast 12.800 Jahren zu identifizieren – „eines der bedeutendsten Ereignisse in der Kultur- und Umweltgeschichte unserer Erde“.
Auf den Materialproben fanden die Forscher nun aufgespritztes Schmelzglas, dessen Merkmale darauf hindeutet, dass das Glas bei extrem hohen Temperaturen gebildet wurde, die deutlich über denen lagen, die Menschen zur damaligen Zeit erzeugen konnten oder, wie sie auf Feuer zurückgeführt werden könnten.
„Derart hohe Temperaturen würden ein Auto in weniger als einer Minute vollständig zum Schmelzen bringen“, erläutert Kennett und fügt hinzu, dass „derartige Temperaturen damals nur aus einem extrem gewalttätigen Phänomen mit hoher Energie und hoher Geschwindigkeit resultieren konnten – etwa in der Größenordnung eines kosmischen Aufpralls.“
Vor diesem Hintergrund glauben Kennett und Kollegen, dass Abu Hureyra der erste Ort sei, der die direkten Auswirkungen eines fragmentierten Kometen auf eine menschliche Siedlung dokumentiert: Diese Fragmente seien Teile desselben Kometen, der laut Kennett wahrscheinlich am Ende des Pleistozäns in der Atmosphäre explodiert ist. Dieses Ereignis trug laut den Forschern auch zum Aussterben der meisten großen Tiere (Megafauna) bei, darunter Mammuts sowie amerikanische Pferde und Kamele. Auch das Verschwinden der nordamerikanischen Clovis-Kultur und das abrupte Einsetzen der abkühlenden Episode der jüngeren Eiszeit, seien das Resultat dieser Katastrophe, die als Jüngeres-Dryas-Ereignis bezeichnet wird (…GreWi berichtete, siehe Links).
Abu Hureyra liegt im östlichsten Teil des so genannten Streufelds der jüngeren Dryas-Grenze (YDB), das etwa 30 weitere Standorte in Amerika, Europa und Teilen des Nahen Ostens umfasst. Diese Stellen weisen Hinweise auf massive Verbrennung auf, einschließlich einer weit verbreiteten kohlenstoffreichen „schwarzen Matte“, die Millionen von Nanodiamanten, hohe Konzentrationen an Platin und winzige Metallkügelchen enthält, die bei sehr hohen Temperaturen gebildet werden. Die YDB-Impakthypothese hat in den letzten Jahren aufgrund vieler neuer Entdeckungen an Bedeutung gewonnen, darunter ein sehr junger Einschlagkrater unter dem Hiawatha-Gletscher der grönländischen Eisdecke (…GreWi berichtete) sowie Hochtemperatur-Schmelzglas und ähnliche Beweise an einer archäologischen Stätte in Pilauco im Süden Chiles (…GreWi berichtete).
„Das Dorf Abu Hureyra wäre abrupt zerstört worden“, sagte Kennett. „Im Gegensatz zu den Beweisen aus Pilauco, die sich auf das Schlachten von Großtieren durch Menschen lediglich bis zu einer Brandschicht vor dem YDB beschränkten, zeigt Abu Hureyra direkte Beweise für die Katastrophe in dieser frühen menschlichen Siedlung. Ein Aufprall oder ein Luftstoß muss nahe genug stattgefunden haben, um gewaltige Hitze und geschmolzenes Glas über das gesamte frühe Dorf zu verteilen.“
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Das Glas wurde auf seine geochemische Zusammensetzung, Form, Struktur, Formationstemperatur, magnetische Eigenschaften und Wassergehalt analysiert. Die Ergebnisse der Analyse zeigten, dass es sich bei sehr hohen Temperaturen gebildet hatte und Mineralien enthält, die reich an Chrom, Eisen, Nickel, Sulfiden, Titan und sogar platin- und iridiumreichem geschmolzenem Eisen waren – wie sie allesamt bei Temperaturen über 2200 Grad Celsius entstehen bzw. schmelzen.
„Die kritischen Materialien sind unter normalen Temperaturen äußerst selten, werden jedoch häufig bei Aufprallereignissen gefunden“, sagte Kennett. Der Studie zufolge wurde das Schmelzglas „aus dem nahezu sofortigen Schmelzen und Verdampfen von regionaler Biomasse, Böden und Auenablagerungen mit anschließender sofortiger Abkühlung“ gebildet. Da die gefundenen Materialien mit denen in den YDB-Schichten an den anderen Standorten auf der ganzen Welt übereinstimmen, ist es außerdem wahrscheinlich, dass sie von einem fragmentierten Kometen stammen, und nicht von unterschiedlichen Kometen oder Asteroiden.
Hintergrund
Auch grenzwissenschaftlich interessierten Lesern dürfte die Einschlagstheorie zur Jüngeren Dryaszeit ein Begriff sein, ist sie doch das zentrale Element der Theorien des populären Journalisten und Sachbuchautors Graham Hancock. In seinem 2015 erschienenen Buch „Magicans oft he Gods“ beschreibt er nicht nur die klimatischen Auswirkungen der Einschlagereignisse vor rund 13.000 Jahren, sondern auch, wie dieses Ereignis Beweise einer bis dahin angeblich existierenden und heute vergessenen globalen Hochzivilisation ausgelöscht habe:„Das Ergebnis (dieses Einschlages) war ein weltweites Desaster, das 1.300 Jahre andauerte. Dieses Ereignis ist, so glaube ich, der Beleg dafür, dass nicht nur nahezu alle Spuren sondern auch die Erinnerungen unserer Spezies an eine urzeitliche Hochzivilisation verloren gingen. Aber es gab Überlebende, die zumindest Teile des Wissens dieser zerstörten Zivilisation bewahrt haben, um es an zukünftige Generationen weiter zu geben. Es ist also kein Zufall, dass die ersten Spuren des Wieder-Erscheinens von Zivilisation in Form der frühesten bekannten megalithischen Architektur und der Wieder-Verbreitung landwirtschaftlicher Fähigkeiten rund um Gobekli Tepe in der Türkei vor rund 11.500 Jahren passierte. Denn diese Datierung stimmt mit dem Ende der Jungen Dryas-Periode überein, als sich die weltweite Umwelt wieder erholte. Alles, was wir bislang über unsere Kultur zu wissen glauben, ist jünger als dieses Datum – mit anderen Worten, nach dem radikalen Schlag der Jungen Dryaszeit. Das aber, was davor passierte, sollten wir dringend wiederentdecken.
„Ein einziger großer Asteroideneinschlag hätte nicht so weit verstreute Materialien verursacht, wie sie in Abu Hureyra entdeckt wurden“, sagte Kennett. „Wir schlagen vor, dass die größten Kometenschuttcluster innerhalb von Minuten Tausende von Luftstößen über eine gesamte Erdhalbkugel verursachen können. Die YDB-Hypothese schlägt diesen Mechanismus vor, um die weit verbreiteten zeitgleichen Materialien auf mehr als 14.000 Kilometern. Unsere Entdeckungen in Abu Hureyra stützen nachdrücklich ein wichtiges Einwirkungsereignis eines derart fragmentierten Kometen als Erklärung für die Funde.“
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