Stanford (USA) – Wegen seines unter einem Eispanzer verborgenen flüssigen Salzwasserozean gilt der Jupitermond Europa als einer der Hauptkandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben in unserem eigenen Sonnensystem. Zugleich verhindert diese kilometerdicke Eisschicht aber auch eine direkte Untersuchung dieses Ozeans. Neue Forschungsergebnisse legen nun jedoch nahe, dass genau diese Eisschicht weniger undurchlässig sein könnte als bislang gedacht. Stattdessen scheint es sich eher um ein dynamisches System zu handeln, in dem Wasserkörper sehr viel näher an der Oberfläche existieren könnten als bislang angenommen.
Wie das Team um Riley Culberg und Prof. Dustin Schroeder von der Stanford University aktuell im Fachjournal „Nature Communications“ (DOI: 10.1038/s41467-022-29458-3) berichtet, basieren die Folgerungen auf Vergleichen der eisigen Oberfläche des Jupitermondes und den dortigen Eisgraten mit Strukturen, wie sie auch in der Eisdecke über Grönland zu finden sind.
Diese parallel verlaufenden Doppelgrate in Grönland und ihre Ähnlichkeit mit den Strukturen auf Europa legen nahe, dass auch die Eishülle des Jupitermondes von Taschen flüssigen Wassers durchsetzt ist.
„Dieser Umstand erhöht die Wahrscheinlichkeit ganz enorm, dass die für 2024 geplante NASA-Mission ‚Europa Clipper‘ potenziell lebensfreundliche Umgebungen auf Europa detektieren könnte“, so die NASA und hofft, mit dem das Eis durchdringenden Radar-Instrument REASON (Radar for Europa Assessment and Sounding: Ocean to Near-surface) die erhofften eingeschlossenen Wasserkörper nachweisen zu können. „Wenn es diese Wassertaschen nicht nur unter Grönlands Eis, sondern auch unter den Eisgraten auf Europa gibt, haben wir mit REASON das richtige Gerät, um sie zu finden.“ Auch die europäische Raumfahrtagentur ESA plant für 2023 mit „JUICE“ eine Forschungsmission zu den Jupitermonden.
Hintergrund
Die bisherigen Daten legen nahe, dass Europa unter seiner bis zu 25 Kilometer dicken Eispanzer einen tiefen und potenziell lebensfreundlichen Ozean besitzt. Die noch offene Frage: Kommt es trotz dieser gewaltigen Barriere zu einem Materialaustausch zwischen diesem Ozean und der Oberfläche?
„Die Vorstellung, was es bedeuten könnte, wenn es innerhalb des Eispanzers zahlreiche Wassertaschen gäbe, ist faszinierend“, kommentiert Gregor Steinbrügge, selbst ehemals Stanford-Forscher und heute am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA tätig. „Es würde unter anderem bedeuten, dass dieser Eispanzer extrem dynamisch ist. Diese Dynamik wiederum könnte auch zu einem Austauschprozess zwischen der Oberfläche und dem verborgenen Tiefenozean führen, der sich in beiden Richtungen auswirkt.“
Auf diese Weise könnten lebenswichtige Nährstoffe von der Europaoberfläche (die selbst von Europas vulkanischem Nachbarmond Io hier her gelangen könnten) in den Ozean gelangen, in dem weitere Chemikalien und Material von der Unterseite des Eispanzers und aus dem Ozeanboden eine lebensfreundliche Umgebung erzeugen könnten.
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Zumindest die doppelten, parallel verlaufenden Grate in der Eisdecke Grönlands entstehen, wenn Wasser aus nahe gelegenen Seen bis auf undurchlässige Schichten innerhalb des Eises absinkt, dort in Form von Wassertaschen nach und nach wieder einfriert und so das darüberliegende Eis aufbricht und auf beiden Seiten zu den Graten emporfaltet. „Ähnliches könnte auch auf Europa passieren. Nur dass hier kein Wasser aus Seen an der Oberfläche absickert, sondern aus dem Untergrundozean oder den durch den Ozean gespeisten Wassertaschen nach oben gedrückt wird“, so die NASA-Forschenden. Obwohl sich die Grate auf Europa und Grönland gleichen, sind die Exemplare auf dem Jupitermond doch sehr viel größer und höher. „Ein Grund hierfür könnte auch die geringere Gravitation auf Europa sein.“
Das REASON-Radar soll auf Europa die gleiche Aufgabe erfüllen wie das Radar der Mission „IceBridge“, mit dem die Beobachtungen und Messungen auf Grönland durchgeführt wurden. Während das Radar zwar das Eis durchdringen kann, wird es von flüssigem Wasser zurück reflektiert und erscheint dann als deutliche hellere Flecken auf den Radar-Aufnahmen. Auf diese Weise bilden entsprechende „Radargramme“ vertikale Profile der Eisdecke unterhalb der Oberfläche ab.
“Auf diese Weise werden wir mehr darüber lernen, wie wir Dinge, die wir von der Erde kennen und bereits verstehen, eventuell auch auf andere Himmelskörper übertragen und entsprechenden interpretieren können“, kommentiert Schroeder abschließend.
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Recherchequelle: NASA, Nature
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