Kleinster bekannter Zwergplanet im Sonnensystem enttarnt
Marseille (Frankreich) – Bislang galt „Hygiea als großer Asteroid im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Neue Beobachtungen zeigen nun aber, dass Hygiea tatsächlich eine Kugelform besitzt und deshalb in Wirklichkeit also in die Kategorie der Zwergplaneten fällt. Zwar ist er damit der bislang kleinste Zwergplanet im Sonnensystem, dafür aber nach Ceres, Vesta und Pallas zugleich das viertgrößte Objekt im Asteroidengürtel. Hinzu offenbarte die Hygieas Oberfläche eine zusätzliche Überraschung.
Die Erkenntnis, dass es sich bei Hygiea um einen kugelförmigen Zwergplaneten handelt, ist das Ergebnis neuer Beobachtungen des Himmelskörpers mit dem SPHERE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der Europäische Südsternwarte (ESO) unter der Leitung von Pierre Vernazza vom Laboratoire d’Astrophysique de Marseille. Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum ersten Mal Hygiea mit einer derart hohen Auflösung beobachten, um so nicht nur die Form sondern auch Eigenschaften der Oberfläche analysieren zu können.
Als Objekt im Asteroiden-Hauptgürtel erfülle Hygiea gleich drei der vier Voraussetzungen, um als Zwergplanet eingestuft zu werden, erläutert die ESO-Pressemitteilung: „Sie umkreist die Sonne, ist kein Mond und hat im Gegensatz zu einem Planeten den Bereich um ihre Umlaufbahn nicht freigeräumt. Die letzte Anforderung ist, dass sie genügend Masse hat, um sich ihre eigene Schwerkraft zu einer nahezu kugelförmigen Form zu kommen. Das ist genau das, was die VLT-Beobachtungen nun über Hygiea ergeben haben.“
Das Team um Vernazza nutzte die SPHERE-Beobachtungen auch, um den Durchmesser von Hygiea einzugrenzen: Dieser liegt demnach etwas über 430 km. Zum Vergleich: Pluto, der ehemals neunte Planet des Sonnensystems und seit seiner nicht ganz unumstrittenen Degradierung berühmteste unter den Zwergplaneten, hat einen Durchmesser von fast 2400 km, während Ceres fast 950 km groß ist.
Überraschenderweise zeigten die Beobachtungen auch, dass es Hygiea an den großen Einschlagkratern mangelt, die die Wissenschaftler eigentlich auf ihrer Oberfläche erwartet hatten, berichten die Forscher aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-019-0915-8). Hygiea ist das Hauptmitglied einer der größten Asteroidenfamilien mit fast 7000 Mitgliedern, die alle aus demselben Ursprung haben. Die Astronomen waren davon ausgegangen, dass das Ereignis, das zur Entstehung dieser zahlreichen Gruppe führte, auf Hygiea seine Spuren hinterlassen hat.
„Dieses Ergebnis war eine echte Überraschung, da wir damit gerechnet haben, ein großes Einschlagsbecken vorzufinden, wie es bei Vesta der Fall ist“, erklärt Vernazza. Obwohl die Astronomen 95% der Oberfläche von Hygiea beobachtet haben, konnten sie nur zwei eindeutige Krater identifizieren. „Keiner dieser beiden Krater hätte durch den Einschlag verursacht werden können, der die Hygiea-Asteroidenfamilie hervorgebracht hat, denn deren Gesamtvolumen entspricht in etwa dem eines 100 km großen Objekts. Sie sind zu klein“, erklärt Miroslav Brož vom Astronomischen Institut der Karls-Universität im tschechischen Prag, einer der Mitautoren der Studie.
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Anhand weiterer Untersuchungen und numerischer Simulationen folgern die Astronomen, dass die Hygieas Kugelform und die große Familie der Asteroiden wahrscheinlich das Ergebnis eines schweren Frontalzusammenstoßes mit einem großen Projektil mit einem Durchmesser zwischen 75 und 150 km sind. Die Simulationen zeigen diesen gewaltigen Aufprall, von dem man annimmt, dass er vor etwa 2 Milliarden Jahren stattgefunden hat und der den Mutterkörper völlig zerstört hat.
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Nachdem sich die übrig gebliebenen Teile wieder zusammengesetzt hatten, entstand die runde Form von Hygiea und tausende von Begleit-Asteroiden wurden erzeugt. „Eine solche Kollision zwischen zwei großen Körpern im Asteroidengürtel ist in den letzten 3-4 Milliarden Jahren einzigartig“, erläutert Pavel Ševec, Doktorand am Astronomischen Institut der Prager Karls-Universität, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Quelle: ESO
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