Knochenfund zeigt: Vorfahren der Flores-Menschen waren noch kleiner als die „Hobbits“

Maßstabsgetreuer Vergleich des neu gefundenen Oberarmknochens von Meta Menge (l.) und einem Skelett des Homo floresiensis aus der Liang-Bua-Höhle. Copyright: Yousuke Kaifu
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Maßstabsgetreuer Vergleich des neu gefundenen Oberarmknochens von Meta Menge (l.) und einem Skelett des Homo floresiensis aus der Liang-Bua-Höhle.Copyright: Yousuke Kaifu

Maßstabsgetreuer Vergleich des neu gefundenen Oberarmknochens von Meta Menge (l.) und einem Skelett des Homo floresiensis aus der Liang-Bua-Höhle.
Copyright: Yousuke Kaifu

Brisbane (Australien) – Die Entdeckung von Fossilien einer ebenso kleinwüchsigen wie kleinhirnigen Menschenart auf der indonesischen Insel Flores 2003 sorgte seither über kontroverse Debatten über deren Herkunft und Evolution. Nun liefert der Fund eines erstaunlich kleinen Erwachsenenknochens ebenfalls auf Flores handfeste neue Aufschlüsse über den Ursprung der auch als „Hobbits“ bezeichneten Flores-Menschen. Es ist zugleich der bislang kleinste gefundene, ausgewachsene Oberarmknochen einer Menschenart.

Wie das Team um Professor Yousuke Kaifu von der Tokio University, Iwan Kurniawan vom indonesischen Geological Survey Center, Associate Professor Gerrit van den Bergh von der Wollongong University und Professor Adam Brumm vom Australian Research Centre for Human Evolution an der Griffith University aktuell im Fachjournal „Nature Comunications“ (DOI: 10.1038/s41467-024-50649-7) berichtet, wurde der ungewöhnlich kleine Oberarmknochen eines Erwachsenen, dessen Alter die Forschenden auf etwa 700.000 Jahre datieren, an der Fundstätte Mata Menge gefunden, die sich etwa 75 Kilometer östlich der Liang-Bua-Höhle befinden, in der 2003 die ersten Knochen des Homo floresiensis gefunden wurden.

Hintergrund
Seit der Entdeckung der ersten Hobbit-Knochen auf Flores und spätestens seit der Anerkennung des Flores-Menschen als eigenständige Menschenart diskutieren Anthropologen über deren Ursprung. Die bislang bekannten archäologischen Funde in Liang Bua legen nahe, dass Exemplare der Flores-Menschen noch vor etwa 50.000 Jahren zumindest in der Gegend der Höhle lebten – zu einer Zeit also, als unsere eigene Spezies (Homo sapiens) bereits seit Langem in Australien im Süden eingewandert war.

Während zunächst angenommen wurde, dass Homo floresiensis ein geschrumpfter Nachkomme des frühen asiatischen Homo erectus war, vermutete eine andere Theorie, dass es sich um spät überlebende Überreste eines älteren Homininen aus Afrika handelte, der bereits von Beginn an kleinwüchsig war. Als mögliche Kandidaten kamen demnach Homo habilis oder die berühmte Australopithecus afarensis („Lucy“) in Frage.

Außer in Liang Bua wurden Homininenfossilien auf Flores bislang nur noch an der der offenen Fundstätte Mata Menge gefunden. An diesem Ort in den dünn besiedelten tropischen Grasländern des So’a-Beckens wurden zuvor mehrere Homininenfossilien (ein Kieferfragment und sechs Zähne) aus einer Sandsteinschicht ausgegraben, die vor etwa 700.000 Jahren von einem kleinen Bach abgelagert wurde. Diese Fossilien, die also rund 650.000 Jahre älter sind als die Homininen von Liang Bua, konnten mindestens drei Individuen mit noch etwas kleineren Kiefern und Zähnen als Homo floresiensis zugeschrieben werden. Schon diese Erkenntnis deutete darauf hin, dass die kleine Körpergröße bereits früh in der Geschichte der Flores-Menschen angelegt war, und es sich nicht um eine erst später „geschrumpfte“ Art handelte.

Da bisher jedoch keine postkranialen Elemente als Knochen von unterhalb des Schädels vorlagen, konnte nicht bestätigt werden, ob bzw. dass diese So’a-Becken-Homininen mindestens ebenso klein – wenn nicht sogar noch kleiner – waren als Homo floresiensis. Obschon einige Zähne als intermediär zwischen denen des frühen asiatischen Homo erectus und Homo floresiensis eingestuft wurden, war bislang auch unklar, welcher Spezies die Mata Menge-Fossilien angehörten.

Da es sich bei dem nun in Mata Menge gefundenen Oberarmknochen der erste postkraniale Knochenfund handelt und dieser einst einem erwachsenen Exemplar gehörte, liefert er wertvolle Informationen über die Vorfahren von Homo floresiensis.

Basierend auf der geschätzten Länge des Knochens konnte das Team die Körpergröße dieses Homininen auf etwa 100 Zentimeter schätzen. Immerhin sechs Zentimeter kleiner als die geschätzte Körpergröße des auf rund 60.000 Jahre datierten Hobbit-Skeletts aus Liang Bua.

„Dieser 700.000 Jahre alte Erwachsenenhumerus ist nicht nur kürzer als der von Homo floresiensis, sondern der kleinste bekannte Oberarmknochen im Homininenfossilienbestand weltweit“, erläutert Professor Adam Brumm. „Dieses sehr seltene Exemplar bestätigt unsere Hypothese, dass die Vorfahren von Homo floresiensis extrem klein waren; es ist jedoch nun ersichtlich, dass die frühen Vorfahren des ‚Hobbits‘ noch kleiner waren, als wir bisher angenommen hatten.“

Sämtliche neuen Funde von Mata Menge.Copyright/Quelle: Kaifu et al., Nature Communications 2024

Sämtliche neuen Funde von Mata Menge.
Copyright/Quelle: Kaifu et al., Nature Communications 2024

Auch zwei zusätzlich gefundene Homininenzähne aus Mata Menge sind klein. Zudem weist einer Formmerkmale auf, die am ehesten mit dem frühen Homo erectus von Java übereinstimmen. „Diese Ähnlichkeit widerspricht also der Hypothese, wonach Homo floresiensis von einer älteren und primitiveren Homininenart abstammt, die in Indonesien oder in der weiteren Region außerhalb Afrikas nie gefunden wurde.“

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Die menschlichen Überreste aus Mata Menge, die nun insgesamt 10 fossile Exemplare zugeordnet werden können, stammen von mindestens vier Individuen (darunter zwei Kinder). Sie sind anatomisch den Homo floresiensis aus Liang Bua sehr ähnlich und können nun als eine ältere Variante dieser Menschenform angesehen werden.

Hintergrund
Während die meisten Anthropologen davon ausgehen, dass die Flores-Menschen schon längst ausgestorben sind, kam der anerkannte Anthropologe Gregory Forth 2022 anhand eigener Feldstudien auf Flores zu der Schlussfolgerung, dass auch heute noch Flores-Menschen auf der Insel leben könnten.

Forth hatte seine eigenen ethnografischen Feldstudien bereits 20 Jahre vor der Entdeckung der Fossilien des Homo floresiensis auf der Insel begonnen und schon damals von den indigenen Bewohnern der Insel Geschichten über menschenartige Wesen gehört, von denen einige sogar – wenn auch sehr selten – von den Ureinwohnern gesichtet worden sein sollen. Interessanterweise stimmte die Beschreibung dieser etwa vom Volk der Lio als „Affenmenschen“ bezeichneten Wesen mit Eigenschaften der später in Form von Fossilien entdeckten und beschriebenen Flores-Menschen überein (…GreWi berichtete). Ein eindeutiger wissenschaftlicher Nachweis einer überlebenden Population von Homo floresiensis steht bis heute allerdings noch aus.

Obwohl es sich also offenbare um direkte Vorfahren der „Hobbits“ handelt, hatte diese frühere Form ein weniger spezialisiertes Gebiss (primitivere Zähne) als ihr Nachkomme in Liang Bua. Darüber hinaus ist aus dem winzigen Armknochen ersichtlich, dass die extreme Körpergrößenreduktion schon früh in der Geschichte der Flores-Homininen auftrat.

„Die evolutionäre Geschichte der Flores-Homininen ist noch weitgehend unbekannt“, attestiert Professor Brumm abschließend „Die neuen Fossilien deuten jedoch stark darauf hin, dass die Geschichte des ‚Hobbits‘ tatsächlich begann, als eine Gruppe der frühen asiatischen Homininen, bekannt als Homo erectus, vor etwa einer Million Jahren irgendwie auf dieser abgelegenen indonesischen Insel isoliert wurde und im Laufe der Zeit eine dramatische Körpergrößenreduktion durchlief.“

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Recherchequellen: Griffith University, Nature Communication, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de

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