Kollision von Neutronensternen erzeugt schwere Elemente
Kopenhagen (Dänemark) – Erstmals ist es Astronomen gelungen, frisches Strontium als Ergebnis der Kollision zweier Neutronensterne im Weltraum nachzuweisen. Die Detektion bestätigt, dass sich die schwereren Elemente im Universum bei Neutronensternfusionen bilden können. Genau das galt bislang als fehlendes Puzzleteil bei der Entschlüsselung der chemischen Elementbildung.
Wie das Team um Darach Watson von der Universität Kopenhagen aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: xxx) berichtet, gelang der Befund mit Hilfe des X-Shooter-Spektrografen der Europäischen Südsternwarte (ESO) am Very Large Telescope (VLT).
Hintergrund
Nach der Entdeckung von Gravitationswellen im Jahr 2017 richtete die ESO ihre Teleskope in Chile, einschließlich des VLT, auf die Quelle des Signals (…GreWi berichtete): eine Verschmelzung von Neutronensternen mit dem Namen GW170817. Astronomen vermuteten, dass wenn sich bei Neutronensternkollisionen schwerere Elemente bilden würden, Signaturen dieser Elemente in sog. Kilonovae, den explosiven Folgen dieser Fusionen, nachgewiesen werden könnten. Genau das hat jetzt ein europäisches Forscherteam getan, das Daten aus dem X-Shooter-Instrument des ESO VLT nutzte. In der Folge der Entdeckung von GW170817 begannen die von der ESO betriebenen Teleskope mit der Überwachung der entstehenden Kilonova-Explosion über einen weiten Wellenlängenbereich. Insbesondere X-Shooter nahm eine Reihe von Spektren vom ultravioletten bis zum nahen Infrarot auf. Die erste Analyse dieser Spektren deutete auf das Vorhandensein schwerer Elemente in der Kilonova hin, aber die Astronomen konnten bisher keine einzelnen Elemente identifizieren.
„Durch die Neuanalyse der im Jahr 2017 gewonnenen Daten des Ereignisses haben wir nun die Signatur eines schweren Elements in diesem Feuerball, Strontium, identifiziert und damit bewiesen, dass die Kollision von Neutronensternen dieses Element im Universum erzeugt“, erläutert Watson.
Auf der Erde kommt Strontium natürlich im Boden vor und ist in bestimmten Mineralien konzentriert. Seine Salze werden unter anderem verwendet, um dem Feuerwerk eine leuchtend rote Farbe zu verleihen.
Astronomen kennen seit den 1950 er Jahren die physikalischen Prozesse, die die Elemente erzeugen. In den folgenden Jahrzehnten haben sie die kosmischen Standorte jeder dieser großen Elementfabriken, mit Ausnahme einer, entdeckt. „Dies ist die letzte Phase einer jahrzehntelangen Suche, um den Ursprung der Elemente zu ermitteln“, führt Watson für die ESO-Pressemitteilung weiter aus. „Wir wissen jetzt, dass die Prozesse, die die Elemente geschaffen haben, hauptsächlich in gewöhnlichen Sternen, in Supernova-Explosionen oder in den äußeren Schichten alter Sterne stattfanden. Aber bis jetzt wussten wir nicht, wo sich der letzte, unentdeckte Prozess befand, der als schneller Neutroneneinfang bekannt ist und der die schwereren Elemente im Periodensystem erzeugt.“
Der schnelle Neutroneneinfang ist ein Prozess, bei dem ein Atomkern Neutronen so schnell aufnimmt, dass sehr schwere Elemente erzeugt werden können. Obwohl viele Elemente in den Kernen von Sternen produziert werden, erfordert die Herstellung von Elementen, die schwerer als Eisen sind, wie beispielsweise Strontium, eine noch heißere Umgebung mit vielen freien Neutronen. Der schnelle Neutroneneinfang erfolgt nur in extremen Umgebungen, in denen Atome mit einer großen Anzahl von Neutronen bombardiert werden.
„Dies ist das erste Mal, dass wir neu geschaffenes Material, das durch Neutroneneinfang gebildet wurde, direkt mit einer Neutronensternfusion assoziieren können, die zudem bestätigt, dass Neutronensterne aus Neutronen bestehen, und den lang diskutierten schnellen Neutroneneinfangprozess mit solchen Kollisionen verknüpft“, erklärt Camilla Juul Hansen vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, die eine wichtige Rolle bei der Studie spielte.
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Erst jetzt beginnen die Wissenschaftler, die Verschmelzungen von Neutronenstern und Kilonovae besser zu verstehen. Aufgrund des begrenzten Verständnisses dieser neuen Phänomene und anderer Komplexitäten in den Spektren, die der X-Shooter des VLT von der Explosion aufgenommen hat, waren die Astronomen bisher nicht in der Lage gewesen, einzelne Elemente zu identifizieren.
„Wir kamen eigentlich auf die Idee, dass wir Strontium ziemlich schnell nach dem Ereignis sehen sollten. Der Nachweis, dass dies eindeutig der Fall war, erwies sich jedoch als sehr anspruchsvoll. Diese Schwierigkeit ist auf unsere sehr unvollständigen Kenntnisse über das spektrale Erscheinungsbild der schwereren Elemente im Periodensystem zurückzuführen“, führt der Forscher der Universität Kopenhagen, Jonatan Selsing aus, ein weiterer Hauptautor des Artikels.
Das Ereignis GW170817 war die fünfte Detektion von Gravitationswellen, die dank des Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory (LIGO) des NSF in den USA und des Virgo Interferometer in Italien möglich wurde. Die Verschmelzung in der Galaxie NGC 4993 war die erste und bisher einzige Gravitationswellenquelle, bei der das sichtbare Gegenstück von Teleskopen auf der Erde erkannt wurde (…GreWi berichtete). „Durch die gemeinsamen Anstrengungen von LIGO, Virgo und VLT haben wir das bisher klarste Verständnis für das Innenleben von Neutronensternen und deren explosive Fusionen gewonnen“, unterstreichen die Autoren abschließend.
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Kilonova: Erstmals Licht einer Gravitationswelle beobachtet 16. Oktober 2017
Quelle: ESO
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