Kontroverse um „Leben auf Komet Churyumov-Gerasimenko?“
Nahansicht einiger Oberflächenmerkmale des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko.
Copyright: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA
Llandudno (Wales) – Mit der Erklärung, Oberflächenmerkmale auf dem Rosetta-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko würden auf dortiges mikrobiologisches Leben hindeuten, machen Forscher um den umstrittenen Astrobiologe Professor Chandra Wickramasinghe vom Buckingham Centre for Astrobiology an der University of Buckingham erneut von sich reden. Ihre Präsentation auf dem Jahrestreffen der altehrwürdigen Royal Astronomical Society wurde jedoch – wie zu erwarten – von der Wissenschaftsgemeinde mit größter Skepsis und Ablehnung kommentiert.
In einer Pressemitteilung der Royal Astronomical Society zum Vortrag von Dr. Max Wallis, einem Kollegen Wickramasinghe’s wird erläutert, dass die beiden Wissenschaftler in der ungewöhnlich dunklen Färbung der Oberflächenkruste des Kometen das Ergebnis biologischer Prozesse, hervorgerufen durch Mikroorganismen, sehen. Auch der Umstand des unter der Kruste verborgenen Wassereises und der unterirdischen Hohlräume sei ein Indiz dafür, dass auf dem Kometen sogenannte extremophile Mikroorganismen – also Kleinstlebewesen die selbst unter extremen Umweltbedingungen wie starker, Kälte, Strahlung und extremer Nahrungsknappheit gedeihen können – existieren.
Die dunkle Oberfläche könne am besten durch die Interaktion von organischem Material mit dem Eis und der den Kometen nun zusehends erwärmenden Wärme der Sonne erklärt werden, so Wickramasinghe.
In dem von den Wissenschaftlern vorgestellten Modell benötigen die hypothetischen Mikroorganismen Wasserkörper in Eis und „Schnee“ in den Spalten und Rissen unterhalb der Oberfläche zum Überleben. Hier seien schon seit vergangenen September Bedingungen erfüllt, unter denen etwa Mikroben existieren können, die aufgrund eines biologischen Frostschutzes Temperaturen von bis zu minus 40 Grad aushalten können. Zumindest auf der Erde sind solche Mikroorganismen bekannt. Mit zunehmender Annäherung des Kometen an die Sonne, würden auch solche Mikroben zusehends aktiver.
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„Rosetta hat bereits gezeigt, dass der Komet kein vollständig durchgefrorener Körper ist, sondern dass es hier geologische Prozesse gibt, unter denen mikrobisches Leben, wie es etwa in der irdischen Polarregionen vorkommt, gedeihen könnte“, so Wallis.
Auch durch den Nachweis von komplexen organischen Molekülen durch die Rosetta-Mission (…GreWi berichtete), sehen die beiden Forscher ihre Theorie bestärkt, wonach die außerirdische „Saat des Lebens“ einst mit Kometen auf die Erde gelangte.“
Zugleich kritisierte Wickramasinghe gegenüber dem „The Guardian“, dass er selbst sich bei der Planung der Rosetta-Mission vergebens darum bemüht habe, die Sonde oder ihre Landeeinheit „Philae“ mit Instrumenten zur direkten Suche nach Mikroorganismen auszustatten.
Mit ihrem Enthusiasmus über mögliches mikrobisches Leben auf dem Rosetta-Kometen stehen Wallis und Wickramasinghe jedoch weitgehend alleine dar und sehen sich spätestens seit ihrem Vortrag auf dem astronomischen Jahrestreffen harscher Kritik ausgesetzt.
„Kein an der Rosetta-Mission direkt beteiligter Wissenschaftler geht davon aus, dass es unterhalb der Oberflächenkruste des Kometen Mikroorganismen gibt“, kommentiert etwa Uwe Meierhenrich von der Université Nice Sophia Antipolis, der das COSAC-Instrument an Bord von „Philae“ betreut, mit dem die Oberfläche des Kometen chemisch analysiert werden kann. Die dunkle Färbung sei schon 1986 als das Ergebnis der Interaktion organischer Moleküle mit kosmischer Strahlung vorhergesagt worden. Mikroorganismen seien also nicht notwendig, um dieses Merkmal zu erklären. Auch die neusten Rosetta-Daten würden diese Einschätzung bestätigen.
Zudem entspreche die Behauptung, Rosetta bzw. Philae wären selbst dann nicht in der Lage, Leben nachzuweisen, wenn dieses direkt unter ihren Füßen existiere, so nicht den Tatsachen: „Sollte es Leben auf 67P geben, so würde dies zu einem Anstieg bestimmter Schlüsselmoleküle führen. Die Instrumente COSAC und PTOLEMY könnten also sehr gut zwischen einer biologischen oder astrochemischen Bildung dieser organischem Moleküle unterscheiden“, so Meierhenrich. Die bisherigen Daten sprechen demnach für nicht-biologische Entstehungsprozesse.
Tatsächlich hat Wickramasinghe in der Wissenschaftlergemeinde aber auch aufgrund seiner früheren Behauptungen und Veröffentlichungen alles andere als einen einfachen Stand geschweige denn guten Ruf. Schon seit Jahren präsentiert der Astrobiologe regelmäßig neue angebliche Beweise für außerirdisches Leben im Innern von Meteoriten, Asteroiden, Kometen und sogar in den oberen Schichten der Erdatmosphäre (s. GreWi-Dossier u.). Neben der kontroversen Diskussion um die von seinem Team gefundenen Strukturen sorgt Wickramasinghe durch die meistens gewählte Publikationsform, dem mehr oder weniger im Eigenverlag erscheinenden „Journal of Cosmology“, immer wieder für Kritik, da sich – so die Kritiker – der Forscher so nicht dem üblichen wissenschaftlichen Begutachtungs- und Publikationsprozess stelle.
Die scharfe Kritik gegenüber Wickramasinghe aber auch der Royal Astronomical Society dafür, dass sie dem Wissenschaftler eine derart wissenschaftliche Plattform bietet, bringt Professor Dave Rothery von der Londoner Open University mit klaren Worten gegenüber dem Guardian auf den Punkt: „Ich selbst war in dem Vortrag und ich denke, man kann durchaus sagen, dass das Fachpublikum zwar gnädig, aber absolut nicht überzeugt war. Mikroorganismen in Kometen – so ein Schei…“ (sic.)
– GreWi-Dossier –
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