Peebles (USA) – Bereits seit Wochen sorgt der britische Journalist und Sachbuchautor Graham Hancock durch die TV-dokumentarische Umsetzung seiner Theorie von einer vergessenen untergegangenen Hochkultur, die vor der unsrigen datiert, für heftige Kontroversen und nicht zuletzt scharfe Proteste unter akademischen Archäologen weltweit. Nun wurde dem Autor und dem die Serie produzierenden Fernsehteam die Filmarbeiten zu einer weiteren Folge zum berühmten Bilderhügel Great Serpent Mound in Ohio verwehrt.
Wie die Webseite der „Columbus Free Press“ berichtet, hat die Verwaltung der Bilderhügel, die „Ohio History Connection“ (OHC) dem Netflix-Team um Hancock die Filmaufnahmen für eine zukünftige Folge von „Ancient Apocalypse“ vor Ort untersagt.
In seinem Schreiben an die Netflix-Produktion, das Hancock auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat, erläutert die OHC das Drehverbot vor Ort wie folgt:
„(…) Als Verwalter im Auftrag der Menschen von Ohio, heute wie damals und der amerikanischen Indianerstämme, deren Vorfahren die Hügel erbaut haben, ist es unsere Aufgabe, die Integrität des Serpent Mound sowohl physisch wie auch die seiner historischen Interpretation zu schützen und zu bewahren. (…) Da der Moderator Ihrer Serie, Graham Hancock, eine Theorie und Geschichte vorschlägt, die nicht mit dem, was wir als Wahrheit über den Serpent Mound wissen, übereinstimmt, lehnen wir Ihre Anfrage (nach einer Drehgenehmigung) ab.”
Hintergrund
Vorangegangen war der Entscheidung eine internationale Kontroverse in Folge des großen Zuschauererfolges der bislang 8-teiligen „Ancient Apocalypse“ auf Netflix, die schon nach wenigen Wochen in die weltweite Top10 des Streaminganbieters aufrückte und seither mehr 24 als Millionen Stunden gesehen wurde.Die Kritik der internationalen akademischen Archäologiegemeinde konzentriert sich dabei auf die Kernaussagen Hancocks, der in vorgeschichtlichen archäologischen Hinterlassenschaften Hinweise auf eine untergegangene und heutzutage kollektiv vergessene menschliche Hochkultur auf der Erde sieht, in deren Erbe (laut Hancock) die Grundlage für die heutige nachsintflutliche Kultur gelegt wurden. Einige Archäologen und Historiker und Journalisten unterstellen Hancock hierbei neben pseudowissenschaftlicher Argumentation auch verschwörungstheoretisches Denken bis hin zu einer rassistischen Verkehrung der Geschichte und bezeichnen Die Doku als die „gefährlichste Netflix-Sendung“.
Doch während die Debatte um die „Wissenschaftlichkeit“ eines wissenschaftlichen Grenzbereichs und deren Brandmarkung als Pseudowissenschaft bereits einen seit Jahrzehnten bekannten Vorgang darstellt, tut man sich bei einem wenn auch kritischen, aber dennoch ehrlichen Analyse von Hancocks Theorien schwer, darin rassistische Ideologien zu finden.
Grundlage letzterer Behauptungen dürfte die Unterstellung sein, dass alternative archäologische Deutungen bestimmter Funde, die nicht den bereits bekannten Ureinwohnern und indigenen Völkern und Stämmen der jeweiligen Fundregion zugeschrieben werden, den Versuch darstellen, geistige und physische Errungenschaften dieser Ureinwohner in Abrede zu stellen, – sei dies nun durch eine unbekannte, vorangegangene irdische Kultur oder gar durch außerirdische Besucher. Während es durchaus Autoren und Autorinnen gibt, die derart revisionistische Bemühungen verfolgen, sollte gerade mit einem derart schweren Vorwurf sorgsam umgegangen werden, da nicht jeder Vertreter alternativer archäologischer und historischer Konzepte derartiges beabsichtigt. Zumindest in Hancocks Aussagen finden sich keine Behauptungen, die die Erbauer antiker Stätten ihren indigenen Ursprungsorten und Ländern entreißen wollen – sei dies nun ins ferne All oder flache Hohlerden.
Das Entreißen des Great Serpent Mounds aus dem indigenen Erbe der Ohio-Region ist auch aktuell nicht das Ziel von Hancock Argumentation. Lediglich das Alter der Anlage datiert der Autor deutlich vor. Während das OHC der aktuellen Lehrmeinung folgt und die Anlage den Adena (800 bis 100 n. Chr.) und weitere Bilderhügel sogar der noch jüngeren Fort-Ancient-Kultur (1000 bis 1650 n. Chr.) zuschreibt, sieht Hancock in der Ausrichtung der „Großen Schlange“ Hinweise auf einen Erbauungszeitpunkt vor rund 12.000 Jahren. Tatsächlich macht Hancock keine „fremden Baumeister“ für die amerikanischen Bilderhügel verantwortlich, sondern eben eine besagte (heute in Vergessenheit geratene) indigene Vorgängerkultur. Hancock selbst erklärte hierzu: „Nur um das nochmals zu unterstreichen, wer mein Buch liest, wird schnell feststellen, dass ich den Bau des Serpent Mound einzig und allein den Ureinwohnern Amerikas zuspreche.“
Und tatsächlich benennt Hancock hierfür auch Indizien: Noch heute weist der Kopf der Großen Schlange aus den Sonnenuntergangspunkt am Horizont zur Sommersonnenwende. Allerdings sei die Ausrichtung der Schlange auf diesen Punkt nicht exakt, so der Autor.
Stattdessen verweist er auf Berechnungen, die eine exakte Übereinstimmung zwischen Schlangenkopf und dem Sonnenwendpunkt vor rund 12.000 Jahren aufzeigen. Das wiederum passt zu Hancocks Theorie, die er nicht zuletzt schon 2019 in seinem Buch „America Before: The Key to Earth’s Lost Civilization“ dargelegt hat. Laut dieser haben Vertreter einer vorherigen, heute unbekannten Hochkultur weltweite Überschwemmungen (die sich auch global in Sintflutsagen niedergeschlagen haben) in Folge eines Kometeneinschlags vor 12.000 Jahren an verschiedenen Orten der Erde überlebt und von dort aus die Grundlagen für unsere heute bekannte Kultur gelegt. Die Theorie wird allerdings von der Mehrheit anerkannter Archäologen indes als „pseudoarchäologisch“ abgelehnt.
Obwohl also jede Verwaltung eines Ortes selbstverständlich das Hausrecht besitzt, Drehgenehmigungen zu verweigern, hebt der Free-Press-Artikel den Umstand hervor, dass die OHC zuvor sehr viel weniger um die Reputation, Zustand und Integrität des Serpent Mound bemüht war: So sei 2021 „einer Scientology-ähnlichen Gruppierung mit den Namen ‚Unite the Collective‘ gestattet worden, eine unbekannte Anzahl sogenannter Orgoniten auf dem Gelände der Schlange zu vergraben (…) um damit die ‚Lebensenergie‘ des Ortes zu verstärken“. Zudem war noch vor rund 10 Jahren einem TV-Team der Doku-Serie „Ancient Aliens“ (History Channel) das Drehen vor Ort vom OHC ohne Einschränkung erlaubt worden.
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Jeffrey Wilson ist Vorsitzender einer Bürgerinitiative “Friends of the Serpent Mound” zum Schutz der Bilderhügel Ohios auch er wurde von Hancocks Team vor Ort interviewt, – allerdings auf dem Grund von Wilsons Farm, die direkt an das Gelände des Serpent Mounds grenzt.
Auch gegenüber Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) erklärt Jeffrey Wilson (Abb. l.), dass das aktuelle Verhalten des OHC vermutlich auf die Drehgenehmigung für „Ancient Aliens“ zurückgeht (eine Serie des US-amerikanischen History Channels, die die Theorien Erich von Dänikens von frühgeschichtlichen außerirdischen Besuchern auf der Erde umsetzt): „Die OHC wurde damals von der akademisch-musealen Gemeinschaft für Ihre Kooperation mit dem Sender scharf kritisiert. Danach hat sich das Verhalten der OHC und die Reaktion auf solche Anfragen dramatisch verändert und man verwehrt seither jedem Format die Drehgenehmigung, über dessen Inhalte man keine direkte Kontrolle hat.“
Laut Wilson ist Hancock nicht der erste, dem diese Genehmigung bereits verwehrt wurde: „Schon zuvor erhielten sogar Teams des National Public Radio (NPR), zweier TV-Kanäle aus Cincinnati und selbst eine von indigenen Ureinwohnern geführte Filmproduktionsfirma mit für die Doku-Reihe ‚Red Earth Uncovered‘ keine Genehmigungen vor Ort.“ Dabei geht es laut Hancock ganz offensichtlich nicht um die Sorge, das Erdwerk könnte durch die Dreharbeiten beschädigt werden: „Uns ging es um Interviews vor Ort und Aufnahmen, für die wir Drohnen einsetzten wollten.“ Tatsächlich fügt Wilson erläuternd hinzu: „Die Macher von ‚Red Earth Uncovered‘ berichteten mir, dass sie die Drehgenehmigungen unter anderem deshalb nicht erhielten, weil sich die Dokumentation auch der alten Sagen und Legenden der Ureinwohner angenommen hatte, die von Wesen berichten, die wir heute als Bigfoot und Sasquatch kennen. Für die OHC gelten auch diese Themen als ‚paranormal‘ – und so etwas will man nicht erlauben.“
Jeffrey Wilson kennt Hancock und seine Familie schon länger. Zu den Rassismusvorwürfen erklärt er abschließend: „Hancock ist mit Santha Faiia verheiratet, einer dunkelhäutigen Frau aus Malaysia und hat mir ihr gemeinsame Kinder. Die Vorstellung, dass Graham ein Rassist sei, ist eine reine Schmutzkampagne und völlig absurd.“
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Recherchequellen: Columbus Free Press, GrahamHancock.com, The Guadian, Friends of Serpent Mound
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