Kontroverse um öffentliche „UFO-Anhörung“ vor dem mexikanischen Abgeordnetenhaus

Blick auf das Podium der „Audiencia Pública: Fenómenos Aéreos Anómalos No Identificados en México“ vom 12. Sepetmber 2023. Copyright/Quelle: Youtube/Congreso de Mexico
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Blick auf das Podium der „Audiencia Pública: Fenómenos Aéreos Anómalos No Identificados en México“ vom 12. Sepetmber 2023.Copyright/Quelle: Youtube/Congreso de Mexico

Blick auf das Podium der „Audiencia Pública: Fenómenos Aéreos Anómalos No Identificados en México“ vom 12. Sepetmber 2023.
Copyright/Quelle: Youtube/Congreso de Mexico

Mexiko-Stadt (Mexiko) – Am gestrigen Dienstag veranstaltete Abgeordnetenhaus von Mexiko (Cámara de Diputados) eine öffentliche Anhörung von UFO-Zeugen. Neben ehemaligen US-Militärs, Fluglotsen und seriösen UFO-Forschern aus den USA, Frankreich, Brasilien, Argentinien und Mexiko sorgte hingegen die Präsentation zweier der sogenannten „Weißen Mumien von Nazca“ als angeblicher Beweis für vermeintlich außerirdisches bzw. nicht-menschliches humanoides Leben auf der Erde für ebenso viel Aufsehen wie Kopfschütteln unter den Anwesenden und vielen UFO-Forschern.

Der Artikel wurde mittlerweile mit neuen informationen aktualisiert. Siehe die roten „UPDATE„-Hinweise

Zunächst gilt es jedoch, die Form dieser mehrstündigen Veranstaltung am 12. September 2023 in der Cámara de Diputados richtig einzuordnen: Zwar handelte es sich um eine offizielle Veranstaltung des mexikanischen Abgeordnetenhauses (und damit einer der beiden Kammern des Kongresses der Union von Mexiko), doch kann die Veranstaltung nicht etwa mit den bisherigen Anhörungen vor Ausschüssen des US-Kongresses verglichen werden.

Die Veranstaltung mit dem Titel „Öffentliche Anhörung: Nicht identifizierte anomale Luftphänomene in Mexiko“ (Audiencia Pública: Fenómenos Aéreos Anómalos No Identificados en México) war maßgeblich von Privatpersonen unter Federführung des mexikanischen UFO-Journalisten Jaime Maussan über den Abgeordneten Luna und eben nicht von einer Behörde oder (wie etwa in den USA) einem politischen Ausschuss initiiert und organisiert worden. Es handelte sich also eher um ein öffentliches Podium mit Vorträgen, als um eine politische Veranstaltung oder gar um eine Anhörung vor einem politischen Ausschuss. Allerdings legten alle Redner vorab einen Eid ab. (UPDATE: Dieser Eid wurde jedoch ausdrücklich „nur symbolisch“ geleistet und ist damit ebenfalls nicht mit einem ppolitischen Eid zu vergleichen.)

„Das Ziel der Anhörung war es, Piloten, Abgeordnete und Wissenschaftler anzuhören, um Gesetzgebungsmaßnahmen in Mexiko im Hinblick auf die sichere Luft- und Raumfahrt zu ändern“, so der brasilianische Journalist Ronny Vernet gegenüber Grenzwissenschaft-Aktuell.

Wichtig ist aber zu wissen, dass selbst die hier von mexikanischen Anwesenden präsentierten Aussagen nicht einer offiziellen Position der mexikanischen Regierung entsprechen (auch, wenn dies an einigen Stellen im Web anders kolportiert wird). Es handelte sich somit auch nicht um „offiziell von der mexikanischen Regierung“ veröffentlichte Daten, Materialien und Beweise“, wie es fälschlicherweise bereits in verschiedenen Medien und Kanälen behauptet wird.

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Teilnehmer des Podiums waren u.a.: Der mexikanische Abgeordnete Sergio Luna; der mexikanische UFO-Journalist Jaime Maussan; Harvard-Astronomieprofessor Avi Loeb (dieser war jedoch lediglich für seinen eigenen 15-minütigen Vortrag online zugeschaltet); der ehemalige US-Navy-Pilot und selbst UFO-Zeuge Ryan Graves; der ehem. Air-Force-Offizier und UFO-Zeuge Robert Salas; Julio Darwish, Gründer der mexikanischen zivilen Piloten-und Lotsen-UFO-Forschungsorganisation „Asociacion de Observadores de Fenomenos Anomalos no Identificados de Pilotos Aviadores y Controladores Aeros de Mexico“; der mexikanische Fluglotse Enrique Jaime Kolbeck Vergara; Andrea Perez Simondi, Direktorin der argentinischen UFO-Forschungskommission „Comision de Estudio del Fenomeno Ovni de la Republica Argentina“; der japanische Abgeordnete Yoshiharu Asakawa, der brasilianische UFO-Forscher Rony Vernet; der französische UFO-Forscher und ehemaliger Datenanalytiker der staatlichen französischen UFO-Untersuchungsgruppe GEIPAN, Michael Vaillant; der Journalist Jois Mantilla; der Forensiker José Benitez und Ricardo Rangel Martinez, Experte für Immunogenetik und Histokompatibilität.

Während die meisten Redner und Rednerinnen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen und jüngste UFO-Vorfälle aus ihren Ländern präsentierten, sorgten Maussan, Benitez und Martinze zum Ende der Veranstaltung für eine fragwürdige Überraschung: Sie präsentierten zwei angeblich mumifizierte Körper mutmaßlicher „nicht-menschlicher Wesen“, die vor einigen Jahren, gemeinsam mit weiteren „Weißen Mumien“ in Peru gefunden wurden, als Beweis für humaonides aber nicht-menschliches Leben auf der Erde.

Zwei Saaldiener enthüllen zwei der sog. „Weißen Mumien von Nazca“.Copyright/Quelle: Youtube/Congreso de Mexico

Zwei Saaldiener enthüllen zwei der sog. „Weißen Mumien von Nazca“.
Copyright/Quelle: Youtube/Congreso de Mexico

Das Problem: Während Maussan, Martinez und Bertinez eine nicht-menschliche und Natur und Herkunft dieser Körper als wissenschaftlich nachgewiesen darstellten, sind diese sogenannten „Weißen Mumien von Nazca“ alles andere als wissenschaftlich bestätigte Beweise für nicht-menschliches humanoides Leben auf der Erde.

Tatsächlich zeigten frühere unterschiedliche und ausführliche Analysen (die von Maussan hier nicht angesprochen wurden!), dass es sich sogar um teils plumpe Fabrikate aus Tier- und Menschengewebe handelt, die teilweise anatomisch falsch und bewegungsmechanisch unmöglich zusammengeklebt und zerschnitten wurden, um das vermeintlich charakteristisch außerirdische Aussehen zu erhalten.

Immerhin: Maussan und Kollegen berichteten auch von DNA-Analysen, die beweisen würden, dass die beiden gezeigten Mumien weder menschlich noch Fälschungen seien und stellten hierzu die ermittelten Genome zur unabhängigen Überprüfung online über die Genom-Datenbank der „National Library of Science“ zur Verfügung (Link 1, Link 2, Link 3).
(Anm. GreWi: Nach bester wissenschaftlicher Methode tut man dies, bevor man mit derart sensationalisierten Behauptungen an eine solche Öffentlichkeit tritt.)

– Einen ausführlichen kritischen Analysebericht zu den beiden und weiteren „weißen Mumien“ finden Sie HIER

Tatsächlich sorgte die unerwartete Präsentation der beiden „Mumien“ durch Maussan und Kollegen nicht nur bei zahlreichen mit der Thematik vertrauten Beobachtern, sondern auch bei einigen der anwesenden Redner für Unverständnis und Distanz.

Grenzwissenschaft-Aktuell.de hat einige der Anwesenden hierzu angefragt.

Während Robert Salas weiterhin an die Echtheit der „Mumien“ überzeugt ist und dies auf seiner Webseite und in den sozialen Kanälen kundtut, nimmt Prof. Avi Loeb eine deutlich distanziertere Haltung ein und erklärte gegenüber GreWi-Hrsg. Andreas Müller: „Ich habe online 15 Minuten lang über das Galileo-Projekt referiert und anschließend, 5 Minuten später, einen Vortrag am Smithsonian gehalten. Ich trage keine Verantwortung für das, was die anderen Referenten diskutiert haben.“

Ähnlich positioniert sich auch Michael Vaillant (ehemals GEIPAN): „In Bezug auf die UAP-Anhörung in Mexiko, möchte ich klarstellen, dass ich in keiner Weise in die Behauptungen und Untersuchungen zu den sogenannten Mumien-Fällen involviert bin. Ich bin sehr skeptisch in Bezug auf diese Fälle, da es viele ernsthafte Widersprüche gibt. Ich war dort, um meine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Untersuchung von UAP-Fällen in Frankreich zu präsentieren. Dennoch möchte ich wohlwollend und offen bleiben und würde gerne unabhängigere Studien sehen. Ich möchte auch die Initiative der mexikanischen Abgeordneten loben, die sehr mutig ist.“

Ryan Graves brachte seine Entrüstung (auch via Twitter/X) wie folgt auf den Punkt:

„Nach der UFO-Anhörung im US-Kongress habe ich eine Einladung angenommen, vor dem mexikanischen Kongress auszusagen, in der Hoffnung, das Momentum des Interesses der Regierung an den Erfahrungen von Piloten mit UAP aufrechtzuerhalten.

Leider war die gestrige Demonstration ein großer Rückschritt für dieses Thema.

Meine Aussage konzentrierte sich darauf, meine Erfahrungen und die UAP-Berichte, die ich von kommerziellen und militärischen Flugzeugbesatzungen durch das ASA-Zeugen-Programm erhalte, zu teilen. Ich werde weiterhin das Bewusstsein für UAP als eine dringende Angelegenheit der Luft- und Raumfahrtsicherheit, nationalen Sicherheit und Wissenschaft fördern. Von den Ereignissen in Mexiko, wo all dies für eine wissenschaftlich unbegründeten Inszenierung geopfert wurde, bin ich zutiefst enttäuscht.“

Die Anhörung in voller Länge im Original


GreWi-Kommentar
von GreWi-Hrsg. Andreas Müller

Der Ansatz öffentlicher Präsentationen über UFOs im Rahmen des mexikanischen Kongresses in allen Ehren, es ist fraglich, welchen Dienst eine solche Veranstaltung einem seriösen Anliegen tut, wenn Präsentationen und Aussagen angesehener Forscher und Wissenschaftler mit maximal spekulativem Sensationalismus auf der Grundlage offenkundiger Fälschungen vermischt werden. Wie schmerzhaft für all jene guten UFO-Forscher, -Journalisten und -Aktivisten, die sich mit bester Absicht, in gutem Glauben und professionell an der Anhörung beteiligt haben (siehe die obigen Reaktionen). Schon jetzt zeigt sich in zahlreichen Medienberichten, die meist vom im Thema unbedarften Journalisten und Contentmachern erstellt wurden und nicht zwischen dieser Veranstaltung und einer tatsächlichen Kongressanhörung unterscheiden können, dass es sich um einen schwerwiegenden Bärendienst gehandelt hat. Ein wirkliches PR-Fiasko für das Ansehen der UFO-Forschung. Einen Tag vor der weltweit lang erwarteten Präsentation der Ergebnisse der ersten UFO/UAP-Studie der NASA (…GreWi berichtete), hätte man das Timing kaum schlechter wählen können.

Der SETI-Astronom Bruce R. Fenton, Direktor der „Alien Technosignatures Research Group“, fasst es auf Twitter (X) wie folgt zusammen: „Es ist nichts Geringeres als eine Katastrophe für die Ufologie und der Forschung nach Außerirdischen. So wird die Stigmatisierung dieser Forschungsfelder in großem Maßstab vorangetrieben.“

Er hat leider recht…

Recherchequelle: Congreso de Mexico, eigenen recherchen und Interviews grenzwissenschaft-aktuell.de

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