Kosmische Asymmetrie: Neues Puzzlestück im Materie-Antimaterie-Rätsel entdeckt

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La Thuile (Italien) – Wissenschaftler des LHCb-Experiments am LHC-Teilchenbeschleuniger am europäischen Kernforschungszentrum CERN haben eine fundamentale Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie nachgewiesen. Die Entdeckung könnte dazu beitragen, die große Frage danach zu beantworten, warum Materie nach dem Urknall gegenüber Antimaterie dominierte?
Inhalt
Wie das Team um HH aktuell auf der 59. Konferenz „Rencontres de Moriond“ im italienischen La Thuile erläuterte, gelang der LHCb-Kollaboration die erste eindeutige Beobachtung einer sogenannten CP-Verletzung bei Baryonen – jener Teilchenklasse also, die unter anderem Protonen und Neutronen umfasst, die Atomkerne bilden.
Baryonen und die CP-Verletzung
Bereits in den 1960er-Jahren wurde die Verletzung der „Ladungs-Paritätssymmetrie“ (CP-Symmetrie) bei einer anderen Teilchenklasse, den sogenannten Mesonen nachgewiesen. Theoretisch war bislang entsprechend erwartet worden, dass auch Baryonen diesem Effekt unterliegen, doch der experimentelle Nachweis gelang erst jetzt.
„Die Schwierigkeit lag in der geringen Größe des Effekts und der erforderlichen Datenmenge“, erklärt LHCb-Sprecher Vincenzo Vagnoni. „Dank des Large Hadron Colliders (LHC), der genügend Beauty-Baryonen und deren Antimaterie-Gegenstücke produziert, und unserer präzisen Detektoren konnten wir diesen Nachweis erbringen.“
Die Forscher untersuchten den Zerfall des Beauty-Lambda-Baryons (Λ_b), das aus einem Up-Quark, einem Down-Quark und einem Beauty-Quark besteht. Sie analysierten Daten aus den LHC-Laufzeiten von 2009 bis 2018 und verglichen die Zerfallsraten des Λ_b mit denen seines Antimaterie-Gegenstücks, des Anti-Λ_b. Die Analyse zeigte eine Abweichung von 2,45 % zwischen den Zerfallsraten, mit einer statistischen Signifikanz von 5,2 Standardabweichungen – ausreichend für einen wissenschaftlich anerkannten Nachweis.
Bedeutung für die Kosmologie
Der Effekt der CP-Verletzung spielt eine entscheidende Rolle in der Kosmologie: Theoretisch sollten beim Urknall gleich viele Materie- und Antimaterie-Teilchen entstanden sein, die sich gegenseitig ausgelöscht hätten. Doch die heute sichtbare Materie-Dominanz im Universum deutet auf eine Asymmetrie hin.
Allerdings ist die bisher im Standardmodell vorhergesagte CP-Verletzung zu gering, um das beobachtete Ungleichgewicht zu erklären. Die neue Messung könnte nun darauf hinweisen, dass es zusätzliche Mechanismen gibt, die bisher unbekannt sind. Die Suche nach weiteren Quellen der CP-Verletzung bleibt daher ein zentrales Ziel der Teilchenphysik.
„Je mehr Systeme wir mit CP-Verletzung untersuchen, desto größer ist unsere Chance, Physik jenseits des Standardmodells zu entdecken“, so Vagnoni.
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Zukunft der Forschung
Die Entdeckung eröffnet neue Möglichkeiten, um die fundamentalen Gesetze des Universums zu verstehen. Zukünftige Experimente am LHC und mögliche Nachfolgeprojekte werden die Messungen weiter präzisieren.
Joachim Mnich, CERN-Direktor für Forschung und Computing, kommentiert abschließend: „Diese bahnbrechende Entdeckung unterstreicht das enorme wissenschaftliche Potenzial des LHC und bringt uns der Lösung des Materie-Antimaterie-Rätsels einen entscheidenden Schritt näher.“
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Recherchequelle: CERN
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