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Jungsteinzeitliche Astronomen nutzten Kreisgrabenanlage bei Quedlinburg für Beobachtungen von Sonne und Sirius

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Blick auf die Ausgrabungsarbeiten an der Kreisgrabenanlage nahe Quedlinburg.

Copyright/Quelle: Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin

Berlin (Deutschland) – Errichtet wurde die fast 100 Meter durchmessende Kreisgrabenanlage bei Quedlinburg in der frühen Jungsteinzeit vor rund 6.800 Jahren. Genutzt wurde sie – das zeigen jetzt die Ergebnisse mehrjähriger Ausgrabungen – unter anderem für astronomische Beobachtungen des Aufgangs der Sonne und des Fixsterns Sirius.

„Eine Lücke im äußeren Grabenring war auf den 40 Kilometer entfernten Brocken ausgerichtet, an dessen Flanke man zu den Tag- und Nachtgleichen die Sonne untergehen sah“, berichtet die Pressemitteilung der Freien Universität Berlin (FUB). „Weitere astronomische Untersuchungen legen zudem nahe, dass durch die nach Südost und Südwest ausgerichteten Tore der Auf- und Untergang des Sirius, des hellsten Fixsternes am Nachthimmel, beobachtet werden konnte.“

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„Einzelne Mitglieder der jungsteinzeitlichen Gesellschaft verfügten über komplexes Wissen“, erklärt Dr. Wolfram Schier, FUB-Professor für Prähistorische Archäologie, der die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Grabungen leitete. „Sie scheinen über genug Autorität oder Überzeugungskraft verfügt zu haben, um andere zu einer beträchtlichen gemeinschaftlichen Arbeitsleistung für eine monumentale Anlage ohne erkennbaren ökonomischen Nutzen motivieren.“

Die Archäologen um Schier sehen in der „Kreisgrabenanlage Quedlinburg I“ ein „Monument des Wissens“. Wie die Untersuchungen zeigen, bestand die Kreisgrabenanlage aus drei ringförmigen, ursprünglich rund 2,5 m tiefen und 3 m breiten Gräben mit V-förmigem Querschnitt und einer, abschnittsweise zwei parallelen Innenpalisaden. „Die vier Tore waren exakt auf jeweils in Blickrichtung gelegene Landmarken ausgerichtet, wie eine genaue Untersuchung anhand eines hochaufgelösten Computermodells der umgebenden Topographie ergab“, berichten die Forscher. „Der äußere Graben weist zusätzlich zwei Unterbrechungen ohne aufwendige Torkonstruktion auf. Eine dieser Grabenlücken ist genau auf den 40 km entfernten Brocken ausgerichtet, an dessen Flanke man zu den Tag- und Nachtgleichen im 48. Jhd. v. Chr. die Sonne untergehen sah.“

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Künstlerische Rekonstruktion der Kreisgrabenanlage von Gosek in Sachsen-Anhalt (Illu.).

Copyright/Quelle: praehist.uni-halle.de

Somit lasse sich die Anlage sowohl was ihre Zeitstellung, als auch ihre kulturhistorische Bedeutung betrifft, mit dem bekannten und wiederaufgebauten „Sonnenobservatorium“ von Goseck (dem sog. deutschen Stonehenge) im Burgenlandkreis gleichstellen. Zugleich gebe sie auch bedeutsame Unterschiede in der Konzeption, der baulichen Ausführung und den astronomischen Bezügen: „So kann für alle vier Tore eine Orientierung auf Sonnenauf- oder -untergänge zu bestimmten Jahreszeiten (vor allem Winter- und Sommersonnwende) ausgeschlossen werden. Genauere astronomische Untersuchungen ergaben, dass in den nach Südost und Südwest ausgerichteten Toren offenbar der Auf- und Untergang des Sirius (im Sternbild Großer Hund), des hellsten Fixsternes am Nachthimmel beobachtet werden konnte.“

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Die drei Gürtelsterne des Orion (rechts Mitte) zeigen (hier links abwärts) in Richtung Sirius (links Mitte).

Copyright: Sch (WikimediaCommons), CC BY-SA 3.0

Die Kreisgrabenanlagen von Quedlinburg und Goseck unterscheide sich zudem in der Anzahl und Gestaltung ihrer Tore, was widerum belege, dass in der Jungsteinzeit diese einmal entwickelte Idee keineswegs einfach nur kopiert wurde.

Stattdessen ging der Errichtung der Anlage bei Quedlinburg nicht nur eine längere vorausgehende Beobachtungsdauer bei der Standortwahl voraus, die eine große Sorgfalt bei der Planung der Anlage aufzeigt, sondern es können erstmalig auch vorausschauende Schutzmaßnahmen ihrer Erbauer nachgewiesen werden: „So wurden Abschnitte der Spitzgräben, die unterhalb der Lössauflage in eiszeitliche Schotterschichten eingegraben worden waren, durch das Aufbringen von zähen Lehmaufträgen gegen Erosion geschützt.“

Statt wie lange Zeit zuvor gedacht, gelten Kreisgrabenanlagen wie die von Goseck und Quedlinburg, aber auch die meisten anderen aus einem weiten Gebiet von Westungarn und Niederösterreich über Mähren und Böhmen bis nach Mitteldeutschland, seit etwa zehn Jahren nicht mehr als Befestigungen oder Siedlungen. Vielmehr gelten sie als Kultanlagen, für die teils astronomische Bezüge wahrscheinlich gemacht werden konnten: „Sofern es sich um die Orientierung von Toren auf Sonnenauf- oder -untergänge handelt, liegt ein Zusammenhang mit jahreszeitlich festgelegten Ritualen und Festen nahe.“

Die Kreisgrabenanlage von Quedlinburg sei die erste ihrer Art, für die eine Orientierung aller Tore auf markante Anhöhen und Berge in der Umgebung nachweisbar, aber auch ein Bezug auf die Auf- und Untergangspunkte besonders heller Sterne wahrscheinlich ist. „Dies setzt eine besonders komplexe und sorgfältige Beobachtung über mehrere Jahre voraus, ehe man überhaupt mit dem Bau begann“, so die Forscher und führen abschließend aus: „Vermutet wird, dass nicht alle, sondern nur einzelne Mitglieder dieser jungsteinzeitlichen Gesellschaft über dieses komplexe Wissen verfügten, das sie einsetzten, um ihre Mitmenschen zu beeindrucken und Prestige zu gewinnen. Sie scheinen über genug Autorität oder Überzeugungskraft verfügt zu haben, um andere zu einer beträchtlichen gemeinschaftlichen Arbeitsleistung für eine monumentale Anlage ohne erkennbaren ökonomischen Nutzen zu motivieren.“

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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Andreas Müller
(Kornkreisforscher)

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