Planet X – Konkurrenz für Planet Nine: Krümmung des Kuipergürtels spricht für weiteren unentdeckten „Planeten“ im Sonnensystem

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US-Astronomen schließen aus der Krümmung der Bahnebenen von Kuipergürtel-Objekten auf einen weiteren, etwa marsgroßen „Planeten“ äußeren Sonnensystem – hier künstlerisch dargestellt auf einer Umlaufbahn weit jenseits des Pluto.

Copyright: Heather Roper/LPL

Tucson (USA) – Während die Existenz eines großen Planeten am äußersten Rand des Sonnensystem mathematisch zwar nahe zu liegen scheint, der dann „neunte Planet“ aber immer noch nicht direkt entdeckt wurde, präsentieren US-Astronomen nun neue Hinweise für einen weiteren – dann also 10. – bislang noch unentdeckten großen Planeten im äußeren Sonnensystem.

Wie Kat Volk und Renu Malhotra vom Lunar and Planetary Laboratory an der University of Arizona in einer kommenden Ausgabe des Fachjournals „Astronomical Journal“ und vorab via ArXiv.org berichten, könnte bereits ein mars- bis erdgroßer Planet die neuen ungewöhnlichen Messdaten erklären. Ein solches Objekt würde sich dann jedoch deutlich von dem unterscheiden, was bislang als „Planet Nine“ diskutiert und für die Bahnabweichungen der äußeren Kuiper-Objekte und der Neigung der Planetenebene verantwortlich gemacht wird.

In ihrer Studie haben die Astronomen die Umlaufbahnen von mehr als 600 Kuiper-Objekten in einer Region jenseits von 50 Astronomischen Einheiten (AE = Abstand zw. Erde und Sonne) untersucht und festgestellt, dass auch hier der Winkel zwischen der Bahnebene der untersuchten Körper und einer Referenzebene von den Vorhersagen um durchschnittlich 8 Grad abweicht. Alleine die bekannten Planeten können – so die Schlussfolgerung der Forscher – für diese sog. Inklination nicht verantwortlich sein.

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Somit sei die logische Schlussfolgerung die Existenz einer „weiteren, bislang unentdeckten Planetenmasse“, so Volk und führt aus: „Laut unseren Berechnungen benötigt es hierzu eine Masse von mindestens der des Mars.“

Hintergrund
Die Verteilung der bisher bekannten Objekte im Kuipergürtel. (Die strahlenförmige Verteilung ist durch die bisherigen, punktuellen Suchprogramme verursacht.)
Copyright/Quelle: Wikipedia

Der Kuipergürtel selbst beschreibt eine ringförmige Region um unsere Sonne jenseits der Umlaufbahn des Neptun, die sich auch mehrere hundert AE ausdehnt. Ähnlich wie der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, so beheimatet der Kuipergürtel eine Unzahl an kleinen Körpern – im Gegensatz zum Asteroidengürtel bestehen diese jedoch nicht vornehmlich aus Fels und Gestein sondern aus Eis. Zudem finden sich in ihm mehrere sog. Große Kuipergürtel-Objekte (KBOs), Klein- und Zwergplaneten wie etwa Makemake, Haumea, Sedna (kontrovers) und Pluto.

„Stellt man sich die durchschnittliche Ebene der Objekte im äußeren Sonnensystem als ein Blatt Papier vor, dann wäre dieses Blatt jenseits von 50 AE rund um die Sonne relativ ebenmäßig und flach“ so Volk und führt weiter aus: „Bewegt man sich jedoch weiter hinaus, 50 bis 80 AE, so sehen wir, dass die durchschnittliche Ebene mehr und mehr gekrümmt erscheint und von der zu erwarteten Fläche abweicht. (…) Die gemessenen Abweichungen (von rund 8 Prozent) gehen deutlich über die statistische Möglichkeit von Fehlmessungen (1-2 Prozent) hinaus, was dafür spricht, dass das gemessene Signal authentisch ist.

Schon ein Körper von einer Masse zwischen der des Mars und der Erde auf einer Entfernung von rund 60 AE würde ausreichen, um die Abweichung der Ebenen der KBOs von rund 8 Prozent in einem Umkreis von 10 AE um sich herum zu erklären. „Die untersuchten KBOS konzentrieren sich in einer Art Ring von rund 30 AE Breite und wäre somit der Gravitation dieses Körper ausgesetzt.“

Dieser Umstand schließt zugleich aber auch aus, dass die Abweichung vom bislang als „Planet Nine“ diskutierten angenommenen Planeten von der bis zu 10-fachen Erdmasse im äußersten Sonnensystem verursacht wird, der die Sonne in 500 bis 700 AE umkreisen soll.

„Dieser Planet wäre schlichtweg viel zu weit entfernt, um die gemessene Abweichung erklären zu können. ‚Unser‘ Planetenkörper kann sich definitiv nicht weiter als 100 AE entfernt befinden“, so Volk.


Künstlerische Darstellung des von Volk und Malhotra beschriebenen „Planeten“ (Illu).

Copyright/Quelle: Heather Roper/LPL)

Statt einem einzigen planetenartigen Körper (Anm. GreWi: Laut Planetendefinition muss ein kugelförmiger Körper seine Umlaufbahn von weiteren Objekten gereinigt haben – was im Falle eines Objekts im Kuipergürtel mehr als fraglich wäre), schließen die neuen Daten auch mehrere kleinere, bislang unbekannte Körper weiterhin nicht aus.

Als weitere Alternative schlagen die Astronomen eine Nahebegegnung des äußeren Sonnensystems mit einem Nachbarstern vor (nach astronomischen Maßstäben) nicht allzu langer Zeit vor: „Ein unser System passierender Stern könnte die KBOs abgelenkt haben“, so Malhotra. „Dies müsste aber eine extrem dichte Passage innerhalb von rund 100 AE gewesen sein, und die Auswirkung wäre schon nach 10 Millionen Jahren wieder verschwunden. Vor diesem Hintergrund erscheint dieses Szenario wenig wahrscheinlich.“

Die Frage, warum wir einen solchen Körper bislang noch nicht entdeckt haben, beantworten Malhotra und Volk mit dem Verweis darauf, „dass wir bislang schlicht und einfach noch nicht den gesamten Himmel nach entfernten Körpern im Sonnensystem abgesucht haben.“ Für die Autoren der Studie wäre der wahrscheinlichste Ort, an dem sich der Planet bislang unentdeckt versteckt haben könnte jener, vor dem Hintergrund der sogenannten Galaktischen Ebene. Hierbei handelt es sich um eine Himmelsregion, die derart dicht mit (überstrahlenden) Sternen besetzt ist, dass sie von Durchmusterungen bzgl. des Sonnensystems meist gemieden wird. Die Chance, dass der beschriebene „Planet“ hier gefunden werden könnte, beziffern die Forscher auf immerhin 30 Prozent.

Tatsächlich hoffen die Wissenschaftler, dass der von ihnen beschriebene „Planet“ dennoch auch schon in naher Zukunft entdeckt werden könnte und verweisen auf den derzeit geplanten Bau des Large Synoptic Survey Telescope (LSST), dessen Start für 2020 geplant ist: „Wir erwarten, dass mit dem LSST eine Vielzahl von weiteren KBOs entdeckt und deren Anzahl damit von bislang 2.000 auf 40.000 bekannten Objekten ansteigt“, so die Astronomen und zeigen sich abschließend zuversichtlich: „Es gibt noch sehr viele KBOs , die wir bislang nur noch nicht entdeckt haben. Zwar sind viele auch für das LSST zu weit entfernt, aber dennoch wird dieses Teleskop in der Lage sein, „unser“ Objekt zu entdecken – sollte es existieren.“

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