Filmszene aus „Interstellar“: Irdisches Raumschiff beim Anflug auf einen Planeten, der ein Schwarzes Loch umkreist. (Illu.)
Copyright: Paramount/Warner Brothers/The Kobal Collection
Olomouc (Tschechien) – Für diejenigen, die den Film „Interstellar“ nicht gesehen haben, dürfte das Konzept von Planeten, die statt einer Sonne ein Schwarzes Loch umkreisen, zunächst bizarr klingen. Tatsächlich halten Astrophysiker solche Systeme nicht nur für möglich, sondern haben nun auch berechnet, dass einige derartiger Planeten sogar Leben hervorbringen und erhalten könnten.
Während ein Schwarzes Loch meist als unersättlich gefräßiger Staubsauger angesehen wird, dessen unvorstellbar großer Schwerkraft nicht einmal das Licht entkommen kann, haben tschechische Wissenschaftler um Tomás Opatrný von der Univerzita Palackého v Olomouci, nun ein Phänomen beschrieben, wie Planeten, die ein Schwarzes Loch genau entfernt genug umkreisen, um zwar gravitativ an dieses gebunden, nicht aber davon verschlugen zu werden, lebensfreundliche Bedingungen aufweisen könnten.
Wie die Forscher aktuell vorab auf „ArXiv.org“ beschreiben, handelt es sich dabei um einen bizarren thermodynamischen Effekt, der genau entgegengesetzt zu jenem Effekt funktioniert, dem unsere Erde aufgrund der Wärmeabstrahlung unserer Sonne unterworfen ist.
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Es ist das zweite Gesetz der Thermodynamik, laut dem das Leben (wie wir es von der Erde kennen) einen Temperaturunterschied benötigt, um eine nutzbare Energiequelle zur Verfügung zu haben. Kurz: Der Temperaturunterschied zwischen unserer Sonne und dem Vakuum des Weltraums sorgt auf der Erde für die lebensfreundlichen Bedingungen.
Was aber, wenn sich dieses Prinzip umkehrt und die „Sonne“ – wie in diesem Fall ein Schwarzes Loch – kalt und damit sozusagen von einem „heißen Himmel“ umgeben ist? Auf Planeten um ein Schwarzes Loch, wäre genau dies der Fall.
Zunächst gilt es mit der Vorstellung aufzuräumen, dass ein Schwarzes Loch am Himmel eines solchen Planeten auch tatsächlich ähnlich einer dunklen oder gar schwarzen Sonne erscheinen würde. Denn trotz ihrer Bezeichnung erscheinen Schwarze Löcher alles andere als schwarz und gehören hingegen sogar zu den hellsten Objekten im Universum. Der Grund hierfür liegt in der gewaltigen Menge an Gasen und Materie, die fortwährend in das Schwarze Loch stürzten und dabei extrem erhitzt werden, während es auf diese Weise weiterhin anwächst.
Ist ein Schwarzes Loch jedoch gesättigt, so weist es nahezu keinerlei Temperatur mehr auf und entlässt nun sogar eine Art Nieselregen geladener Teilchen – die sogenannte Hawking-Strahlung. Auf diese Weise, so erläutern die Forscher, könnte also ein gesättigtes Schwarzes Loch als eine Art „kalter Sonne“ fungieren. Allerdings benötige es hierzu auch wirklich alte Schwarze Löcher, die ihre Umgebung derart gesäubert haben, dass nichts mehr da ist, wovon es sich weiterhin „ernähren“ könnte.
Im Vergleich zur Temperatur eines solchen Objekts, wäre das diese „Sonne“ umgebende Universum mit durchschnittlich minus 270 Grad Celsius noch vergleichsweise mild, da es von der kosmischen Hintergrundstrahlung als Überbleibsel des Urknalls erwärmt wird.
In ihrer Studie haben die Forscher um Opatrný nun errechnet, dass ein erdgroßer Planet, der ein derart gesättigtes Schwarzes Loch von vergleichbarer Größe unserer Sonne umkreist, durch den beschriebenen Effekt rund 900 Watt an nutzbarer Energie aufgrund des beschriebenen Temperaturunterschieds extrahieren könnte. Dies wäre dann zumindest genug, um Leben auf dem Planeten zu ermöglichen.
Zugleich haben die Forscher aber auch errechnet, dass diese Energiemenge wohl nicht ausreichen würde, um auch komplexeres Leben, geschweige denn eine Zivilisation entstehen und fortbestehen zu lassen.
Allerdings hatten schon zuvor Forscher wie Avi Loeb von der Harvard University aufgezeigt, dass die Hintergrundtemperatur des noch jungen Universums (noch 15 Millionen Jahre nach dem Urknall) mit etwa 27 Grad Celsius einst deutlich wärmer war als heute. Bei entsprechenden Temperaturen, hätte dann ein Planet um ein Schwarzes Loch rund 130 Gigawatt an Energie von seiner „kalten Sonne“ abbekommen – also den etwa millionsten Teil dessen, was unsere Erde von der Sonne erhält. Das wiederum wäre ausreichend, um auch komplexes Leben und auch potentiell eine Zivilisation zu versorgen. Die Forscher stellen jedoch zugleich in Frage, ob die derart benötigten Bedingungen lange genug angedauert haben, als dass eine Zivilisation auch hätte entstehen können, um die vorhandene Energiequelle auch zu nutzen.
Ein Schwarzes Loch als „kalte Sonne“ eines Planeten. (Filmszene aus „Interstellar“.)
Copyright: Paramount/Warner Brothers/The Kobal Collection
Auf der Suche nach noch mehr Energie, nahm sich das Team um Tomás Opatrný den Film „Interstellar“ zum Vorbild, in dem ein erdartiger Planet ein gewaltiges Schwarzes Loch (Gargantua) vergleichsweise nahe umkreist (s. Abb.). Aufgrund der Allgemeinen Relativitätstheorie würde ein solches Schwarzes Loch derart an dem Planeten ziehen, dass eine Erdenstunde sieben dortigen Jahren – also einem Zeitverzerrungsfaktor von 60.000 – entsprechen würde . „Wir haben uns dieses Film angesehen und fanden, dass das eine wirklich interessante Idee war“, zitiert der „New Scientist“ Opatrný. „Doch dann haben wir bemerkt, dass sich daraus auch einige Probleme ergeben.“
Da die Energie von Licht sich proportional zu seiner Frequenz verhält, würde das Licht der kosmischen Hintergrundstrahlung, das den Interstellar-Planeten trifft und dessen Frequenz zugleich auch dessen Energie ausdehnen: „Mit einem Zeitausdehnungsfaktor von rund 60.000 würde der Interstellar-Planet auf nahezu 900 Grad Celsius erhitzt.“ Und während der Film-Planet von gewaltigen Gezeiten und davon hervorgerufenen gewaltigen Wasserwellen heimgesucht wird, vermuten die tschechischen Wissenschaftler, dass Riesenwellen aus geschmolzenem Aluminiums wesentlich wahrscheinlicher wären.
Um den Interstellar-Planeten lebensfreundlicher zu gestalten, müsste dieser sein Schwarzes Loch etwas weiter entfernt umkreisen. Dadurch würde sich dann auch die Auswirkung der Zweitausdehnung deutlich verringern, wodurch der Planet wesentlich lebensfreundlicher wäre.
Während auch Loeb gegenüber dem „New Scientist“ die theoretische Vorstellung lebensfreundlicher Planeten unter einer kalten Sonne und einem heißen Himmel für interessant hält, zeigt er sich jedoch wenig überzeugt davon, dass es in dem uns bekannten Universum tatsächlich zu derartigen Bedingungen und Konstellationen kommen könnte: „Es gibt immer irgendwelche Materie, die weiterhin in ein Schwarzes Loch stürzt. Eine, wie von den tschechischen Forschern beschriebene, „Black Hole Sun“ würde also wahrscheinlich schlichtweg nicht lange genug ‚kalt‘ bleiben, um Leben hervorbringen zu können.“
Zudem wird es – im besten Fall – noch mindesten 100 Trillionen Jahre dauern, bis alle wirklichen Sonnen, also Sterne, erloschen sind und sich das Leben nach Planeten um Schwarze Löcher umschauen muss. Bis dahin werden sich wahrscheinlich noch eine Vielzahl einfacherer Wege der Nutzung kosmischer Energieressourcen aufzeigen, als die „kalter Sonnen“.
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