Darmstadt (Deutschland) – Die Webcam VMC an Bord des europäischen Mars-Orbiters „MarsExpress“ zeigt derzeit Aufnahmen, die für kontroverse Diskussionen sorgen. Für den Laien scheint es so, als trete schon seit etwa einem Monat eine gewaltige Rauchfahne aus einem der drei markanten – aber als inaktiv geltenden – Schichtvulkane in der Mars-Region Tharsis Montes aus. Sehen wir hier ein Beleg für einen aktuellen Vulkanausbruch auf dem eigentlich vulkanisch inaktiven Mars? Astronomen vermuten vielmehr ein ungewöhnliches Wolken- bzw. meteorologisches Phänomen. Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) hat nachgefragt und die aktuelle Wissenslage sortiert.
– Link zum tagesaktuellen Fotostream der VMC-Webcam an Bord von „MarsExpress“.
Nachdem GreWi-Leserzuschriften auf die Aufnahmen aufmerksam machten zeigte sich, dass auch in den sozialen Medien, hier hauptsächlich via Twitter, auf das Phänomen aufmerksam gemacht und auch hier gefragt wurde, ob die VMC-Aufnahmen vulkanische Aktivität auf dem Mars zeigen.
ist das ein vulkanausbruch auf dem mars? https://t.co/5limp1Hz7U
— weltherrscher (@weltherrscher) 21. Oktober 2018
Auf Nachfrage kommentierte zunächst der Twitterkanal des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) „DLR_next“:
„(Es) Gibt es (solche Phänomene) immer wieder. Sind Wolken, die sich über den Vulkanen bilden (weil Luft an den Hängen nach oben steigt und in der Höhe kondensiert). Zwar dünnere Atmosphäre dort, aber Prozess wie auf der Erde. Kein Vulkanausbruch.“
Hintergrund: Vulkanismus auf dem Mars
Nach derzeitiger Lehrmeinung wäre ein aktiver Vulkan auf Mars wirklich ungewöhnlich
Der Grund: Messungen auf der Grundlage von Kratergrößen-Häufigkeitsverteilungen haben gezeigt, dass große Marsvulkane bereits vor über drei Milliarden Jahren aktiv waren –die letzten großen Ausbrüche auf dem Roten Planeten sich jedoch vor 150 Millionen Jahren ereigneten. Ein jüngst wiedererwachter Marsvulkan wäre also wirklich eine Sensation.
Tatsächlich ist das Phänomen aber nicht erst auf den aktuellen VMC-Aufnahmen zu sehen, sondern schon auf Bildern der Mars-Webcam von Ende September 2018 sichtbar. Es handelt sich also um ein bereits schon seit vergleichsweise langer Zeit anhaltendes Ereignis.
Eine Suche im VMC-Bildarchiv durch Grenzwissenschaft-Aktuell zeigt, dass die wie auch immer geartete Wolkenfahne erstmals auf Aufnahmen der Webcam ab 14. September 2018 (14-09-2018 at 05:14:14, 18-257_05.14.14_VMC_Img_No_35.png) zu sehen ist und auf den davorliegenden früheren Aufnahmen der Tharsis-Montes-Vulkane vom 13. September 2018 (13-09-2018 at 08:16:35, 18-256_08.16.35_VMC_Img_No_34.png) noch nicht zu sehen ist.
Zur Entstehung der „Wolkenfahne“ muss es also irgendwann zwischen dem 13. und 14. September 2018 – unbeobachtbar für die VMC – gekommen sein. Damit ist die „Wolkenfahne“ also schon mehr als einen irdischen Monat lang aktiv.
Neben dem deutlich erkennbaren Schatten, den die Wolkenfahne auf die Planetenoberfläche wirft, sind es auch die ersten Aufnahmen vom 14. September 2018, die für eine relativ große Höhe spricht, auf der sich diese Wolkenfahne ausbreitet – schließlich liegt hier die Planetenoberfläche noch größtenteils im Schatten, während die Wolkenfahne selbst schon hell erkennbar ist.
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Hintergrund: Staub aus Ackerböden fördert Eiswolken
Vergleichbare Phänomene beschrieben bereits 2012 Karlsruher Klimaforscher als sie feststellten, dass Staub von brachliegenden Ackerflächen die Wolken- und Niederschlagsbildung mehr als bis anhin gedacht beeinflusst (s. Abb. l.).Ackerbodenstaub-Fahne vor der argentinischen Küste.
Copyright: NASA Earth Observatory, Jeff SchmaltzVor allem die Bildung von Eiswolken wird demnach durch die feinen Schwebstoffe gefördert. Einen Bericht dazu finden Sie HIER
Über eine weitere mögliche Erklärungs-Variante spekulierte der Astrofotograf Sebastian Voltmer, der für seine spektakulären Aufnahmen des Mars mit Kleinteleskopen bekannt ist gegenüber GreWi-Herausgeber Andreas Müller unter Verweis auf den jüngsten globalen Sandsturm auf dem Mars: „Hierbei könnten sich an den Flanken des Vulkans Arsia Mons größere Mengen des aus der Region ‚Medusae Fossae Formation‘ stammenden Staubes abgesetzt haben, der jetzt durch aufsteigende warme Luft als Fahne weggetragen wird und letztlich verstärkt Feuchtigkeit bindet. In den meisten Fällen entstehen dadurch Wassereis-Wolken.“
Ähnliche große Staub-Phänomene im Gebiet des gewaltigen Canyonsystems Vallis Marineris und verstärkte blaue Eiskristall-Wolken am Nordpol konnte Voltmer jüngst bei seinen Marsbeobachtungen in Namibia dokumentieren.
Über die letzten Jahre hinweg, insbesondere nach dem Marssturm 2005, konnte Voltmer auch helle orographische Wolken über dem Gipfel des größten Vulkans Olympus Mons beobachten.
Voltmers Animation der Staubveränderungen, basierend auf Aufnahmen von Juli bis September 2018 des Mars:
Dust changes on MARS – animation 2018 from Sebastian Voltmer on Vimeo.
Hinweis: Die von der Erde aus sichtbaren Wetterphänomene und Strukturen des Roten Planeten zeigt Voltmer u.a. in seinem Dokumentarfilm “Wiederkehr des Mars“.
Angestoßen durch die Hinweise von astronomisch interessierten Laien dürfte es sicher bald auch offizielle Aussagen von Planetenwissenschaftlern und Experten zu dem Phänomen geben. GreWi wird dazu weiterhin berichten…
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