Mediziner entdecken und erforschen Potenzial von Duftrezeptoren
Bochum (Deutschland) – Obwohl sich in allen menschlichen Geweben Duftrezeptoren finden, hat die Schulmedizin dieses Potenzial bislang kaum erkannt, geschweige denn genutzt. Was derzeit noch fehlt, um ihr Potenzial zu nutzen, beschreiben Bochumer Forscher aktuell in einem Übersichtsartikel.
„Zahlreiche Studien belegen mittlerweile, dass Duftrezeptoren nicht nur für das Riechen relevant sind, sondern in allen Organen eine Rolle spielen“, berichtet die Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Im Fachjournal „Physiological Reviews“ (DOI: 10.1152/physrev.00013.2017) gibt das Team um Prof. Dr. Dr. Dr. habil. Hanns Hatt und Dr. Désirée Maßberg vom Lehrstuhl für Zellphysiologie der Ruhr-Universität nun einen Überblick über die bereits entdeckten Rezeptoren und ihre Funktionen im menschlichen Körper.
In Ihrem Artikel gehen die Wissenschaftler unter anderem auf potenzielle klinische Anwendungen, speziell im Bereich der Krebsdiagnose und -therapie, ein und arbeiten heraus, welche Schritte die Forschung noch gehen muss, um das Potenzial der Rezeptoren für die Medizin zugänglich zu machen.
Schon 2003 wies das Team um Hanns Hatt erstmalig nach, dass Duftrezeptoren auch in Geweben außerhalb der Nase vorkommen und hier wichtige Funktionen erfüllen; seither konnten die Forscherinnen und Forscher in Bochum und in anderen Laboren die Rolle von Duftrezeptoren in mehr als 20 verschiedenen menschlichen Geweben beschreiben.
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Moderne Gensequenzierungstechniken trugen entscheidend dazu bei, neue Informationen über spezifische Verteilungsmuster zu erlangen. Es zeigte sich, dass pro Gewebe zwischen 5 und 80 verschiedene Arten von Duftrezeptoren zu finden sind.
„Duftrezeptoren außerhalb der Nase haben allerdings nichts mit Riechen im eigentliche Sinne zu tun“, sagt Hanns Hatt und führt dazu weiter aus „Wir sollten allgemeiner von Chemorezeptoren sprechen.“ Aktiviert ein Molekül einen solchen Rezeptor, kann das die Zellen anregen, sich vermehrt zu teilen, zu bewegen oder bestimmte Botenstoffe freizusetzen. Auch auf den Zelltod haben die Rezeptoren Einfluss. Das breite Muster an zellbiologischen Wirkungen beruhe auf der besonderen Fähigkeit der Duftrezeptoren, sehr unterschiedliche Signalwege in Zellen anzuschalten.
Sogar in Krebszellen gibt es oft Duftrezeptoren und dies sogar in großen Mengen, wobei die vorhandenen Rezeptortypen von denen in gesunden Zellen abweichen können. In Ihrem Artikel beschreiben die Forscher, dass Duftrezeptoren somit als spezifische Marker für Tumore und ihre Metastasen dienen und hilfreich bei der Krebsdiagnose sein könnten. Außerdem sehen Hatt und Maßberg Potenziale für die Krebstherapie, vor allem bei Tumoren, die gut von außen für Duftstoffe zugänglich sind, wie bei Darm- oder Blasenkrebs.
„Außerdem sind Anwendungen im Wellness- und Pflegebereich denkbar. Hautregeneration, Verdauung und Haarwachstum können über Riechrezeptoren reguliert werden. Das wird bereits bei Wundheilung und Verdauungsproblemen therapeutisch eingesetzt.“
Um das Potenzial der Rezeptoren für die oben beschriebenen Bereiche zu erschließen, sei nun jedoch weitere intensive Forschung erforderlich: „Leider sind erst von etwa 50 der 350 menschlichen Riechrezeptoren die aktivierenden Duftstoffe bekannt“, Hatt abschließend Als wichtige Forschungsaufgaben sieht er, weitere Duftrezeptoren zu entschlüsseln sowie die zugehörigen Signalwege zu finden und die Funktion der Rezeptoren im lebenden Körper aufzuklären: „Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Bereich zu transferieren, ist eine weitere große Herausforderung. In der Zukunft wird der Einsatz von Duftstoffen zur Aktivierung oder Blockierung der Rezeptoren für die Pharmakologie ein umfangreiches und breit wirksames Spektrum an neuen therapeutischen Möglichkeiten eröffnen.“
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