Mehr als nur Ideomotorik? Technisches Überwachungssystem liefert neue Beobachtungen zum Ouija-Bord-Effekt
Heidelberg (Deutschland) – Seit mehr als 100 Jahren gehört das „Ouija-Brett“ zu den beliebtesten Hilfsmitteln des Spiritismus. Während die einen in den Anzeigen des Schiffchens Jenseitsbotschaften sehen, sind sich Skeptiker sicher, dass die Bewegungen der sog. Planchette von unbewusst koordinierten Eigenbewegungen der Sitzungsteilnehmer verursacht werden. Ein neues technische Überwachungssystem liefert nun neue Daten und Informationen zum „Ouija-Bord-Phänomen“, die diesen „ideomotorischen Effekt“ als alleinige Erklärung für die Bewegungen der Planchette in Frage stellen.
Wie Dr. Eckhard Kruse, Professor für Angewandte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in der jüngsten Ausgabe des „Journal of Scientific Exploration“ (DOI: 0.31275/2019.1445) berichtet, hat er ein unter anderem auf Kameras und Bewegungs- und Tastsensoren basiertes Überwachungssystem für das Ouija-Brett entwickelt, mit dem die Bewegungen der Planchette aber auch die Impulse der Sitzungsteilnehmer überwacht, aufgezeichnet und ausgewertet werden können.
Hintergrund
Ähnlich wie beim bekannten „Gläserrücken“, dient beim Ouija-Brett ein Zeigerbrett zur Auflage der Finger der an der Sitzung Beteiligten und zur Anzeige der erhofften “Botschaften aus dem Jenseits”. Skeptiker bestreiten hingegen die anomalistische oder gar paranormale Funktion des Ouija-Bretts als Kommunikationsmedium mit Geistwesen und verweisen – wie etwa beim Pendeln – auf nicht kontrollier- oder gar abstellbare minimale Eigenbewegung oder gar unbewusst unter den Sitzungsteilnehmern koordinierte Bewegungen des menschlichen motorischen Systems als Erklärung für die Bewegungen des “Schiffchens” (Ideomotorik).
Die Daten des von Dr. Kruse entwickelten Systems lassen sich auf unterschiedliche Weise und zu unterschiedlichen Zwecken auslesen und auswerten. Zum einen könne das System zur besseren Interpretation der erlangten Antworten und Botschaften, aber auch zur wissenschaftlichen Analyse der dynamischen, physischen und mechanischen Vorgänge während der Sitzung genutzt werden. Letzteres führte den Informatiker selbst zur nun veröffentlichten ‘kleinen Studie’, wie sie auf mehr als 50 eigenen Sitzungen des Autors mit einer unterschiedlichen Anzahl mit Sitzungsteilnehmern basiert.
– Eine ausführliche Beschreibung der technischen Grundlagen des Systems und der Ergebnisse der Studie finden Sie im Originalartikel, der in vollem Umfang HIER kostenfrei eingesehen werden kann.
So könne das System zu einer detailgenauen Vermessung der jeweiligen Position, Bewegung, Geschwindigkeit, Krafteinwirkung, Rotation und Verweildauer der Planchette verwendet werden.
Auf diese Weise konnte Kruse u.a. beobachten, dass sich mit zunehmender Sitzungsdauer und Anzahl von Sitzungen die Geschwindigkeit und orthografische Genauigkeit erhöhte. Als Beispiel nennt der Autor eine Sitzung vom 30. Dezember 2018, die insgesamt 2 Stunden und 10 Minuten lang dauerte und die Anzeige von 4.799 Buchstaben und Zeichen, bei einer durchschnittlichen Zeichenabfolge alle 1,75 Sekunden ergab; an deren Ende dieser Wert aber nur noch bei 1,3 bis 1,5 Sekunden lag. Die Höchstgeschwindigkeit der Planchette lag bei 100 cm/Sekunde mit nahezu einem Zeichen pro Sekunde.
„Diese Daten erlauben die Messung und den Vergleich der Dynamiken während einer Ouija-Sitzung, sowohl über den gesamten Verlauf der Sitzung hinweg, als auch im Hinblick darauf, wie sich die Parameter mit fortschreitender Sitzungsdauer entwickeln“, berichtet Kruse.
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Die so gewonnenen Daten stellen demnach die vorherrschenden Annahmen zum ideomotorischen Effekt in Frage, wie sie unter anderem von einer im August 2018 veröffentlichten Studie zum Ouija-Effekt als Erklärung für diesen formuliert wurden und bedeutungsvolle Antworten des Ouija-Bretts als emergente Eigenschaft unbewusst miteinander interagierender und vorausahnender Sitzungsteilnehmer darstellt, die ursprünglich zufälligen Anzeigeereignissen eine vermeintliche Struktur verleihen (…GreWi berichtete).
“Wenn das der Fall wäre”, gibt Kruse in seinem Artikel zu bedenken, “sollte man erwarten, dass sobald diese ‚Struktur‘ erreicht und absehbar ist, also ein bedeutungsvoller Wort- oder Satzanfang sich abzeichnet, die korrekte ‚Aussprache‘ (bzw. Schreibweise) des Wortes einfacher und schneller wird.“ Tatsächlich sei dies in den über 50 Sitzungen zwar hier und da zu beobachten gewesen, berichtet Kruse – fügt aber hinzu, dass anhand der gewonnen Daten keinen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen der Schreibgeschwindigkeit und der Anzahl bedeutungsvoller angezeigter Zeichen abzulesen sei. „Zudem zeigte sich, dass typische Sitzungen schon gleich von Beginn mit klaren und bedeutungsvollen Antworten begannen und diese ganz und gar nicht als zufällige Anzeigeereignisse bezeichnet werden können, die sich dann erst nach und nach zu sinnvollen Wörtern und Sätzen entwickelten.“
Die Daten ermöglichen zudem auch Hinweise auf die Interaktion zwischen den Sitzungsteilnehmern und auf die Unterschiede zwischen beabsichtigt von den Sitzern herbeigeführten und unbewussten Bewegungen. „Zu Beginn einer jeder unserer Sitzungen haben wir die Planchette mit absichtlich herbeigeführten Bewegungen reihum von einem zum nächsten Buchstaben und Zeichen auf dem Brett geführt. Hierbei wissen die Teilnehmer (Sitzer) also schon vorab, welches Zeichen als nächstes kommt. „Dieser Umstand zeichnet sich immer wieder in einer von einem Zeichen zum Darauffolgenden verlaufenden schwingenden Bewegung der Planchette aus, weil das nächste Ziel bereits bekannt und erwartet werden kann und so die Bewegung dorthin von den Teilnehmern sozusagen optimiert wird.“
Allerdings zeigte sich in den folgenden „richtigen“ Sitzungen dieser schwingende Aspekt der Anzeigen nicht mehr so deutlich bis überhaupt nicht. „Selbst in einem Fall, wo (auch zur Verwunderung der Teilnehmer ) unbewusst und damit auch nicht beabsichtigt, das vollständige Alphabet nach und nach angezeigt wurde, war dieses Muster nicht vorhanden und nach jedem neu angezeigten Buchstaben begann die Bewegung sozusagen wieder von neuem, ohne die zuvor beschriebene schwungartige Bewegung der Planchette.“ Für Kruse selbst könnte etwa in diesen unterschiedlichen Bewegungseigenschaften ein Hinweis auf eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen willentlich von den Sitzern herbeigeführten Bewegungen und Anzeigen und „echten (also unbewussten) Ouija-Bewegungen“ liegen. Allerdings müsse natürlich auch dieser beobachtete Effekt von weiteren Studien und unter unterschiedlichen Bedingungen kritisch untersucht werden.
Laut Kruse offenbaren auch die Daten zu Rotationsbewegungen der Planchette interessante Informationen obwohl diese Bewegung für die eigentliche Zeichenanzeige keine Rolle spielt. Hierzu erläutert der Autor: „Wenn die Sitzer ihre auf der Planchette aufgelegten Hände nur mit leicht unterschiedlicher Geschwindigkeit oder Richtung bewegen, resultiert dies in einer (mehr oder weniger leichten) Drehung der Planchette. Sitzen sich also zwei Teilnehmer von Angesicht zu Angesicht gegenüber, so wirkt sich dieser Effekt am stärksten in Form einer Bewegung nach links oder rechts aus, während Vor- und/oder Rückwärtsbewegungen weniger wahrscheinlich zu einer Rotation führen. (…) Eine solche Bewegung der Planchette kann also ein Hinweis dafür sein, dass die Teilnehmer nicht synchron agieren, dass also einer seine Hand schneller oder früher bewegt, während sein Gegenüber hinterher agiert, also mit etwas Verzögerung reagiert.“
Anhand dreier Fallbeispiele erläutert Professor Kruse allerdings auch beobachtete Unterschiede:
– Im Fall 1 (Case 1) wurde eine beabsichtigte Bewegung durch einen der beiden Sitzer ausgeführt, die die Planchette gezielt zur Anzeige einer Botschaft führte, die dem zweiten Sitzer nicht bekannt war, der der Bewegung der Planchette einfach nur folgte. Das Ergebnis waren starke Rotationsbewegungen der Planchette.
Zudem konnte beobachtet werden, dass während der von einem Sitzer geführten beasichtigten Bewegungen, der zweite (passive) Sitzer den Bewegungen mit einiger Verzögerung folgt, in einigen Fällen diese Re-Aktion aber nicht ganz so einfach war. (Abb. E. Kruse)
– In Fall 2 führen beiden Sitzer mit beabsichtigten Bewegungen die Anzeige eines zuvor vereinbarten Textes aus. Das Ergebnis dieser Handlung führte zu einer deutlich synchroneren Bewegung der Planchette. (Abb. E. Kruse)
– In Fall 3 wird die typische Situation beim Ouija betrachtet, d.h. keiner der beiden Sitzer führte eine beabsichtigte, bewusste Bewegung der Planchette aus und keiner der Sitzer hatte eine Anzeigenaufgabe, sondern man folgte – so zumindest das subjektive Empfinden – einfach den Bewegung der Planchette. Interessant ist, dass auch hier, vergleichbar mit dem Ergebnis von Fall 2, die Bewegungen weitgehend synchron, ohne große Rotationen erfolgen. (Abb. E. Kruse)
„Im Gegensatz zu willentlich ausgeführten Anzeigen scheinen ‘ideale Ouija-Bewegungen’deutlich weniger Rotation der Planchette zu erzeugen. Die Sitzer agieren eher synchron – ganz so, als hätten sie einen gemeinsamen Stimulus oder ein gemeinsames Ziel, das jedoch im Gegensatz zum geschilderten Fall 2, den Sitzern nicht bekannt ist und auch nicht vorab definiert wurde“, so Kruse.
Auch diese Beobachtung stellt für den Informatiker die Hypothese von der Ideomotorik in Frage, da diese ein Form von (be- oder auch unbewusster) Vereinbarung oder Informationsaustausch zwischen den Sitzern erfordere, wie sie vermutlich zu asynchronen Bewegungen wie in Fall 1 führen würden. „Selbst wenn die Sitzer immer wieder ihre Rollen bezüglich des Agierens und Reagierens vertauschen, würde sich dies anhand der Bewegungsmuster abzeichnen.“
Hinzu berichtet Kruse weiter: „Oft waren zwei Sitzer in der Lage, die Planchette derart synchron zu bewegen, wie dies gewollt herbeigeführten Bewegungen beabsichtigten Anzeige einer zuvor vereinbarten Botschaft entsprach – das aber, obwohl eine solche Vereinbarung gar nicht getroffen worden war.“ Diese Fälle stellen ebenfalls die konventionellen ideomotorischen Erklärungen in Frage, da diese einen Abstimmungsprozess über das nächste – den Sitzern aber nicht bekannte – Zeichen voraussetzt: „Selbst wenn so etwas unbewusst stattfinden kann, so würde dieser Vorgang eine bestimmte Zeit zur Informationsübertragung zwischen den Sitzern benötigen, die dann vermutlich zu einer Verzögerung in den Aktionen eines der Sitzer und zu ähnlichen Rotationsbewegungen der Planchette führen würde, wie sie immer dann zu beobachten sind, wenn einer der Sitzer gewollt die Planchete führt – es sei denn, es gibt Psi-Effekte, die die dennoch beobachtete Synchronizität der Bewegungen erklären.“
Hintergrund
Prof. Dr. Eckhard Kruse studierte Informatik mit Anwendungsfach Physik und promovierte auf dem Gebiet der Robotik und Bildverarbeitung. Er arbeitete acht Jahre in der industriellen Forschung als Wissenschaftler und Manager. Seit 2008 ist er Professor für Angewandte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Sein klassisch wissenschaftliches Weltbild hinterfragte und erweiterte er im Laufe der Jahre aufgrund vielfältiger persönlicher Erfahrungen und Begegnungen mit inspirierenden Menschen aus verschiedensten Bereichen der Spiritualität.Er ist Autor des Buches „Der Geist in der Materie – die Begegnung von Wissenschaft und Spiritualität“.
– Einen Aufsatz Kruses zu seinen Untersuchungen, Erfahrungen und Einschätzungen des Ouija-Phänomens finden Sie HIER
Auch zum „blinden Ouija” erlaube das System interessante Beobachtungen, da es die Bewegungen automatisch erfasst, die Buchstaben aufzeichnet und auch akustisch ausgibt. Somit ist es möglich, dass alle Teilnehmern die Augen schließen, während sie über die Planchette miteinander interagieren. „Immer dann, wenn in unseren Experimenten alle Sitzer die Augen schlossen, kamen die Antworten schnell zum Erliegen. Nur dann, wenn mindestens einer der Sitzer das Brett weiterhin beobachtete, setzte sich die Kommunikation fort. Offenbar brauche es für das Ouija-Spiel also schon eine bestimmte Form der Hand-Augen-Koordination durch die Sitzer, um eine präzise Position und Schreibweise zu gewährleisten.
Die Frage, inwieweit die Wahrnehmung der Sitzer eine Rolle spielt, rückte auch bei einer anderen Beobachtung ins Blickfeld, an der vier Sitzer beteiligt waren, eine interessante Beobachtung: „Nach einer Frage, zeigte die Planchette keine Buchstaben an, sondern machte eine schnelle Bewegung über das Brett, aus der sich die Teilnehmer zunächst keinen Sinn ableiten konnten. Nachdem sich diese Anzeige zwei weitere Male wiederholte, schlug einer der Sitzer vor, es könne sich um die Darstellung eines Herzens handeln. Auch die Nachfrage an das dazu Ouija resultierte in einem ‚Ja‘. Erst die später (nach Beendigung der Sitzung) durchgeführte Auswertung der Aufzeichnung der Sitzung zeigte dann tatsächlich, dass die Planchette sehr deutlich und mit großer Präzision eine Herzform nachgezeichnet hatte (s. Abb.).“ Für Kruse legt dieser Effekt nahe, dass es möglich ist, dass sich die Planchette in einer Art und Weise bewegt, deren Sinn sich erst nach der späteren Analyse erschließt. Und auch dieses Beispiel stellt für ihn die ideomotorische Erklärungstheorie von unterbewusst koordiniert agierenden Teilnehmern in Frage.
Allerdings lieferte das System an anderer Stelle auch Daten, die zumindest in der Hinsicht der Ideomotorik entsprechen, als dass tatsächlich die menschliche Muskelkraft die Planchette bewegt: „So zeigten die Experimente mit dem Tastsensor auf der Planchette, dass es die auf dieser aufgelegten Finger der Teilnehmer sind, die sich zuerst bewegen und dann erst die Planchette selbst diesen Bewegungen folgt. (…) Hätten wir es hier mit psychokinetischen Effekten zu tun, dann wäre das vermutlich genau umgekehrt und die Finger würden den Aktionen der Planchette folgen.“
Obwohl das System noch am Anfang stehe und es sicherlich noch Potential zur Verbesserung des Messverfahrens und der Auswertung gebe, zeigt sich Kruse schon jetzt zuversichtlich, „dass sein System zu einer umfassenderen Erklärung für das Ouija-Phänomen über den ideomotorischen Effekt hinaus beitragen kann.“
Hintergrund: Das Ouija-Spiel als Türöffner zu verborgenem Wissen?
Statt im Ouija-Effekt lediglich mehr oder weniger unkontrollierte Eigenbewegungen des menschlichen ideomotorischen Systems als Erklärung für die Anzeigen der Planchette, hatten US-Forscher in Experimenten 2014 aufgezeigt, dass der Effekt doch deutlich über diese Erklärung hinausgehen kann.Allerdings glaubt auch das Team um den Psychologen und Projektleiter Dr. Ronald Rensink, Dr. Helene Gauchou und Docky Duncan vom Visual Cognition Lab an der psychologischen Fakultät der University of British Columbia weniger an Botschaften aus dem Jenseits oder anderen Dimensionen, als daran, dass das Ouija-Brett mittels der ideomotorischen Funktionsweise eine Art “Fenster zu einem tief in unserem Innern verborgenen Wissen” sein könnte, das mit Hilfe dieses “Werkzeugs” auf- bzw. abgerufen werden könne: “Ouijas könnten deshalb funktionieren, weil wir mit ihnen auf ein inneres Intelligenzsystem in unserem Unterbewusstsein zugreifen können und das dort vorhandene Wissen in sinnvolle Bewegungen umsetzten können”, erläutern die Forscher auf der Internetseite des “Inner Intel Project.” Auf der Grundlage dieser Versuche postulierten die Wissenschaftler, einen bislang noch unbekannten Mechanismus des Unterbewusstseins als Grundlage für den im Labor aufgezeigten Effekt.
“Der entdeckte Effekt beinhaltete eine wahre Datenbank an Informationen, die unserem wachen Bewusstsein in der Regel nicht zugänglich ist, die wir aber dennoch stets mit uns tragen. Ganz gleich, was wir über uns selbst glauben, unser Unterbewusstsein ist schlauer als unser Bewusster Geist. Wie sich zeigt, sind wir also alle viel schlauer als wir dies glauben.” (…GreWi berichtete).
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