Menschen haben Amerika 15.000 Jahre früher besiedelt als bislang gedacht
Sydney (Australien) – Die amerikanischen Kontinente wurden vor über 30.000 Jahren erstmals von Menschen erreicht, zu diesem Schluss kommt eine internationale Studie und datiert damit die Besiedelung Amerikas um rund 15.000 Jahren vor. Die Auswirkungen des Menschen auf inzwischen ausgestorbene große Säugetiere, die sogenannte Megafauna, traten hingegen jedoch erst dann auf, als die Populationen signifikant zunahmen.
Wie das Team um Dr. Lorena Becerra-Valdivia von der University of New South Wales, die früher an der University of Oxford tätig war (wo sie diese Forschung auch abgeschlossen hat), aktuell in zwei Artikeln im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-020-2491-6) berichtet, basieren die Rückschlüsse auf archäologischen Untersuchungen in der Chiquihuite-Höhle in Zentralmexiko und einer statistischen Modellierung von Daten aus 42 archäologischen Stätten, darunter aus der Chiquihuite-Höhle.
„Allgemein wurde bislang angenommen, dass die ersten Amerikaner vor 16.000 bis 13.000 Jahren auf dem Kontinent ankamen“, erläutert Becerra-Valdivia. „Unsere Ergebnisse zeigen nun aber Hinweise auf Menschen schon 15.000 Jahre zuvor.“
In der Chiquihuite-Höhle entdeckten die Archäologen und Archäologinnen fast zweitausend Steinwerkzeuge und andere Steinstücke, die seit fast einem Jahrzehnt ausgegraben wird. Die Artefakte gehören zu einer materiellen Kultur, die auf dem amerikanischen Kontinent noch nie gefunden wurde und die auf eine bisher unbekannte lithische (also Stein-)Industrie hindeutet.
Mittels Radiokarbondatierungen ermittelten die Forscher das Alter von Knochen-, Holzkohle- und Sediment-DNA. Bei einigen Proben wurde auch die Lumineszenzdatierungsmethode angewendet, mit der das von der Energie in bestimmten Gesteinen und Böden emittierte Licht gemessen wird.
Mehr als 50 Daten wurden aus der Ausgrabungsstätte gezogen, wobei die ältesten kulturellen Beweise aus dem letzten Gletschermaximum (LGM) – dem Höhepunkt der Eiszeit – vor 26 bis 18.000 Jahren stammen. Die statistische Modellierung schätzt jedoch, dass Menschen den Ort sogar schon früher besetzt hatten. „Die Anwesenheit von Menschen ist schon da, bevor eine archäologischer Ort entsteht“, erklärt Dr. Becerra-Valdivia und führt weiter aus: „Mithilfe der archäologischen Beweise und der Bayes’schen Altersmodellierung – einem leistungsstarken Werkzeug, das Daten und archäologische Beweise durch Statistiken einbezieht – können wir schätzen, dass Menschen bereits vor 33-31.000 Jahren in der Chiquihuite-Höhle angekommen sind. Diese Ergebnisse helfen uns, die anfängliche menschliche Bediedlung Amerikas detaillierter zu verstehen als je zuvor „, sagt Dr. Becerra-Valdivia.
Hintergrund
Die Chiquihuite-Höhle ist ein hochgelegener Ort im Astillero-Gebirge im Norden Zentralmexikos. Auf 2.750 Metern über dem Meeresspiegel gelegen, ist die Höhe im Vergleich zu anderen archäologischen Stätten auf dem amerikanischen Kontinent ungewöhnlich: Die meisten anderen Orte sind offene Stätten, Megafauna-Stätten an denen Vertreter der Megafauna getötet wurde oder flache Felsunterstände. Die Lage der Höhle – und ihre Historie – stellen nun gängige Modelle in der Forschung über die „First Americans“ in Frage.
„Die Funde in der Chiquihuite-Höhle sind äußerst aufregend“, findet auch Dr. Ciprian Ardelean von der Universität Zacatecas, der die archäologischen Ausgrabungen leitete. „Die hiesige Archäologie ist älter als alles, was wir bisher gesehen haben, und die Steinwerkzeuge sind von einem Typ, der auf dem amerikanischen Kontinent einzigartig ist. Von Menschenhand geschaffene Steinabschlagartefakte gibt es zu Tausenden, eingebettet in geschichtete Sedimentablagerungen, die jetzt gut datiert sind.“
Es sei merkwürdig, dass der Ort so viel früher besetzt wurde als andere, attestieren die Autoren der Studien: “Es scheint uns wahrscheinlich, dass die Menschen in Chiquihuite eine ‚gescheiterte Kolonisation‘ darstellen, die in der heutigen Bevölkerung der First Americans möglicherweise kein genetisch nachweisbares Erbe hinterlassen hat.“
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Die Funde in aus der Chiquihuite-Höhle haben die Wissenschaftler mit Hunderten von Daten, die an archäologischen Stätten in Nordamerika und Beringia, der alten Landbrücke, die den Kontinent mit Asien verbindet, gefunden wurden, kombiniert.
Das Gesamtszenario zeigt, dass, obwohl Menschen wahrscheinlich vor, während und nach dem letzten Gletschermaximum in der Region präsent waren, die weit verbreitete Besetzung durch Menschen wahrscheinlich aber dennoch viel später in einer Zeit abrupter globaler Klimaerwärmung begann: „Erst vor rund 14.700 Jahren wurden diese Menschen in den archäologischen Aufzeichnungen besser sichtbar“, sagt Dr. Becerra-Valdivia. „Dies ist wahrscheinlich auf eine Zunahme der Bevölkerung zurückzuführen.“
Das Verschwinden der heute ausgestorbenen Megafauna, wie Mammuts und Arten von Pferden und Kamelen, geschah im Großen und Ganzen gleichzeitig mit der menschlichen Expansion in dieser wärmeren Zeit – also vor 14,7 bis 12,9 Tausend Jahren. Die Autoren vermuten, dass die Zunahme der menschlichen Bevölkerung mit einem signifikanten Einfluss auf den katastrophalen Niedergang dieser großen Megafauna verbunden zu sein scheint.
Der neue chronologische Rahmen datiert den Beginn der menschlichen Besetzung in ganz Nordamerika sowie den Beginn von drei unterschiedlichen Steinwerkzeugtraditionen. Bisher ist der früheste Beweis für eine kulturelle Besetzung die Chiquihuite-Höhle.
„Die ersten Amerikaner kamen aus Ost-Eurasien, und es sieht so aus, als ob es eine überraschend frühe Bewegung von Menschen auf den Kontinent gab. Die Menschen, die in diese neuen Länder gereist sind, müssen Seefahrtmethoden eingesetzt haben (…auch das bestätigt frühere Studien), denn die nördlichen Teile Nordamerikas waren bis vor 13.000 Jahren undurchdringlich und durch eine massive Eisdecke von Ost-Eurasien abgeschottet.“
„Die Entdeckung, dass Menschen vor mehr als 30.000 Jahren hier waren, wirft eine Reihe neuer Fragen auf, wer diese Menschen waren, wie sie lebten, wie weit verbreitet sie waren und was letztendlich ihr Schicksal war“, so Becerra-Valdivia abschließend.
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Quelle University of New South Wales, Nature
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