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Menschenaffen: Keine Kulturweitergabe über Generationen

Symbolbild: Schimpansen Copyright: Pixel-mixxer (via Pixabay.com) / Pixabay License
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Tübingen (Deutschland) – Eine neue Studie erklärt, weshalb Menschenaffen vermutlich nie über ihr derzeitiges kulturelles Intelligenzstadium hinausgelangen. Der Grund: Sie geben Erlerntes und neue Verhaltensmuster nicht wie wir Menschen weiter, kopieren das Wissen ihrer Artgenossen nicht, sondern müssen dieses in jeder Generation neu erlernen. Selbiges erklärt ebenfalls, warum auch die als extrem intelligent bekannten Oktopoden vermutlich nie die Weltherrschaft übernehmen werden.

Wie Dr. Alba Motes-Rodrigo und Dr. Claudio Tennie von der Arbeitsgruppe „Werkzeuge und Kultur bei frühen Homininen“ an der Universität Tübingen aktuell im Fachjournal „Biological Reviews“ (DOI: 10.1111/brv.12710) berichten, sind Affen darauf angewiesen, das sprichwörtliche Rad immer wieder neu zu erfinden. Die Form des Rades ändere sich dabei aber nicht, erläutern die Forschenden.

In ihrer Studie suchten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem Fachbereich Ältere Urgeschichte und Quartärökologie zunächst in allen veröffentlichten Berichten und Fachartikeln über Menschenaffen nach Aussagen über lokal einzigartige Verhaltensmuster, wie etwa über Schimpansen, die Blätter als Löffel einsetzen. Anschließend wurden diese systematisch auf Richtigkeit untersucht. „Auf diese Weise wurde auf indirektem Wege überprüft, ob Menschenaffenkulturen auf den gleichen Mechanismen wie menschliche Kulturen aufgebaut sind“, erläutert die Pressemitteilung der Tübinger Universität.

Wir Menschen erlernen kulturelle Verhaltensweisen dadurch, dass wir uns gegenseitig beobachten und kopieren. Auf diese Weise wird dann wertvolles Wissen an die nächste Generation weitergegeben. Zugleich werden Verhaltensweisen oft leicht abgewandelt, denn Menschen machen beim Kopieren Fehler oder fügen selbst Aspekte hinzu. Auf diese Weise verändert sich menschliche Kultur von Generation zu Generation. Alba Motes vergleicht dies mit dem Spiel „Stille Post“, bei dem ein Spieler seinem Nachbarn einen Begriff ins Ohr flüstert. Der Begriff wird von Mitspieler zu Mitspieler weitergegeben, was durch Hörfehler am Ende häufig zu einem anderen Begriff führt als dem Ursprungswort.

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Wann genau die Mechanismen des Kopierens, die der menschlichen Kultur zugrunde liegen, entstanden sind, wird unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. „Eine These besagt, dass die Fähigkeit, Verhalten zu kopieren, schon Millionen von Jahren zurückreicht und dass auch Menschenaffen einander kopieren. Eine andere These geht davon aus, dass Menschenaffen und auch viele Vorfahren der Menschen einander nicht kopieren.“

Motes-Rodrigo und Tennie suchten mit einer neuen Herangehensweise nach Beweisen für den Prozess des Kopierens bei Menschenaffen. Sie versuchten, Verhaltensweisen in Affenpopulationen zu identifizieren, die Veränderungen von Generation zu Generation durchlaufen haben: „Beruht das Verhalten der Menschenaffen wirklich auf Nachahmung, wie es bei Menschen der Fall ist, würden wir erwarten, dass sich ihr Auftreten kulturell verändert hat und es deshalb inzwischen einzelne Verhaltensweisen geben müsste, die nur auf eine Population an einem Ort beschränkt sind“, erklärt Motes.

Das Team suchte deshalb nach regional einzigartigen Verhaltensmustern von Menschenaffen, sowohl in allen veröffentlichten Berichten über Menschenaffen sowie in Gesprächen mit Experten für Menschenaffen. Ihr Ergebnis: „Die überwältigende Mehrheit der Verhaltensweisen von Menschenaffen ist nicht regional begrenzt.“ Aus hunderten Verhaltensmustern konnten lediglich drei nicht andernorts nachgewiesen werden.

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Laut dem Forscherteam zeigen diese Ergebnisse, „dass die Kultur der Affen durch andere Lernmechanismen aufrechterhalten wird als die menschliche Kultur. Im Gegensatz zum Menschen kopieren sich Affen nicht gegenseitig, sondern erfänden jede ihrer Verhaltensweisen in jeder Population und in jeder Generation immer wieder neu.“

„Dabei werden sie lediglich durch andere zu diesen Neuerfindungen angeregt, ohne dass die jeweilige Form der Verhaltensweise kopiert wird. Diese Erkenntnis erscheint zunächst überraschend, wird aber von neuesten Studien der vergleichenden Kognitionswissenschaften gestützt“, erklärt Tennie abschließend. „In diesen Untersuchungen kopierten Menschenaffen nur dann neue Verhaltensweisen, wenn sie vorher durch Menschen auf Verhaltenskopien trainiert worden waren.“

Auf diese Weise sind sich durchsetzende bahnbrechenden Erfindungen eher unwahrscheinlich, da nicht auf bereits vorhandenem Wissen zu Praktiken und Verhaltensweisen aufgebaut wird.

Hintergrund

Ein Krake. Copyright: edmontlafoto (via Pixabay.com)
Ein Krake.
Copyright: edmontlafoto (via Pixabay.com)

Ein ähnlicher Umstand kann auch bei Oktopoden und hier ganz gezielt bei Kraken beobachtet werden. Obwohl die extrem intelligenten Kopffüßler bereits seit Millionen von Jahren existieren, haben sie noch keine Kraken-Kultur entwickelt oder uns Menschen unsere evolutionäre Vormachtstellung streitig gemacht. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass Krakenweibchen alleine für die Brutpflege verantwortlich sind und sich dabei derart für ihren in eiern heranwachsenden Nachwuchs aufopfern und keine Nahrung zu sich nehmen, dass sie mit dem Schlüpfen der jungen Kraken derart geschwächt sind, dass sie sterben. Ein Mutertier selbst kann also noch so intelligent gewesen sein und „Tricks“ (wie das aufdrehen einer verschlossenen Schraubverschluss-Dose) erlernt haben, es kommt schlichtweg nicht zur Weitergabe des in Laufe des Lebens der Mutter erlernten Erfahrungen, Fähigkeiten und Wissens. Auf diese Weise beginnt jede Krakengeneration sei Jahrmillionenen immer wieder von vorne.




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Quelle: Universität Tübingen

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Andreas Müller
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