Metaanalyse zum Glauben an Fake-News
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Berlin (Deutschland) – Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage danach, wer auf Fehlinformationen hereinfällt und warum hat eine systematische Metaanalyse zu Online-Fehlinformationen hat Daten von über 11.500 Teilnehmenden in 31 Experimenten in den USA ausgewertet. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Theoriebildung und die Entwicklung von Interventionsstrategien.
Inhalt
Wie Forschende um Mubashir Sultan vom Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung aktuell im Fachjournal „PNAS“ (DOI: 10.1073/pnas.2409329121) berichten, zeigt das Ergebnis ihrer Metaanalayse überraschende Muster, wie demografische und psychologische Faktoren – darunter Alter, Bildung, politische Identität, analytisches Denken und motivierte Reflexion – die Fähigkeit von Menschen beeinflussen, die Richtigkeit von Informationen einzuschätzen.
Fakten und Vorurteile
Laut dem Fachartikel sind Personen mit einem höheren Bildungsniveau genauso anfällig für Fehlinformationen wie Menschen mit einem niedrigeren Bildungsstand. Damit widerspricht das Studienergebnis der weit verbreiteten Annahme, dass höher gebildete Personen weniger anfällig für Fehlinformationen seien, insbesondere weil höhere Bildung kritisches Denken fördert. Stattdessen erhöhen Vertrautheit und parteiische Verzerrung die Tendenz, Nachrichten als wahr einzustufen. Personen mit höheren analytischen Denkfähigkeiten zeigen eine stärkere parteiische Verzerrung (motivierte Reflexion).
Die Studie räumt auch mit einem weiteren Vorurteil auf: „Während ältere Erwachsene oft als anfälliger für Fake-News dargestellt werden, zeigte die Analyse, dass sie tatsächlich besser als jüngere Erwachsene darin waren, wahre von falschen Schlagzeilen zu unterscheiden. Ältere Erwachsene waren zudem skeptischer und tendierten eher dazu, Schlagzeilen als falsch einzustufen. Paradoxerweise hat die bisherige Forschung jedoch wiederholt gezeigt, dass sich ältere Erwachsene häufiger mit Fehlinformationen beschäftigen und diese online teilen. Die Studie unterscheidet dabei drei Altersklassen: 18-31 Jahre, 32-47 und 48-88 Jahre.“
Politische Identität und analytisches Denken
Vielmehr spielt die politische Identität eine zentrale Rolle. Die Metaanalyse bestätigte frühere Studien, die zeigen, dass sich Republikaner (zur Erinnerung: Die Analyse basiert auf Daten aus den USA) häufiger von Fehlinformationen täuschen lassen als Demokraten.
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Republikaner waren weniger genau bei der Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Nachrichten und neigten dazu, mehr Schlagzeilen als wahr einzustufen, während Demokraten skeptischer waren.
Erwartungsgemäß schnitten Personen mit höheren analytischen Denkfähigkeiten – das heißt, die besser darin sind, Informationen logisch zu bewerten, Muster zu erkennen und Probleme systematisch zu lösen – insgesamt besser ab und waren skeptischer (sie tendierten dazu, Nachrichten als falsch zu klassifizieren).
Ebenso wenig überraschend: Menschen hielten Nachrichten, die ihrer politischen Identität entsprachen, eher für wahr und lehnten Nachrichten ab, die nicht mit ihrer politischen Identität übereinstimmten – ein Phänomen, das als „parteiische Verzerrung“ bekannt ist. Ein kontraintuitiver Befund war jedoch, dass Personen mit höherem analytischem Denken stärker von parteiischer Verzerrung betroffen waren. Diese Tendenz wird als „motivierte Reflexion“ bezeichnet, ein kognitiver Prozess, bei dem analytisches Denken gegen die eigene Urteilsfähigkeit arbeitet, um bestehende Überzeugungen, Werte oder politische Zugehörigkeiten zu schützen.
„Der stärkste Effekt in der Metaanalyse war der Einfluss der Vertrautheit“, berichten die Forschenden. „Wenn Teilnehmende angaben, eine Nachrichtenschlagzeile bereits gesehen zu haben, hielten sie diese eher für wahr. Dieses Ergebnis unterstreicht die Gefahr der wiederholten Exposition gegenüber Fehlinformationen, insbesondere in sozialen Medien.“
Wichtige Studie für unsere Zeit
Die Ergebnisse kommen zu einem kritischen Zeitpunkt. „Der Global Risks Report 2024 des Weltwirtschaftsforums identifiziert Fehlinformationen als eines der größten Risiken für die Welt in den nächsten zwei Jahren. Angesichts des Aufstiegs des Rechtspopulismus sind die Ergebnisse der Studie hochrelevant und könnten Debatten darüber beeinflussen, wie Fehlinformationen in verschiedenen demografischen Gruppen am besten bekämpft werden können,“ sagt Mitautor Ralf Kurvers, Senior Research Scientist am Forschungsbereich Adaptive Rationalität des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Entsprechend liefert die Studie wichtige Erkenntnisse für die Theoriebildung und die Entwicklung von Interventionen.
„Die Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, Medienkompetenz und kritisches Denken frühzeitig in die Schulcurricula zu integrieren. Jüngere Erwachsene, die als ‚Digital Natives‘ gelten, waren weniger in der Lage, zwischen wahren und falschen Nachrichten zu unterscheiden“, fährt Ralf Kurvers fort. Daher sind effektivere und altersgerechte Programme zur Förderung der Medienkompetenz für diese Gruppe entscheidend. Darüber hinaus müssen Interventionen, die Menschen dabei helfen sollen, Fehlinformationen zu identifizieren und weniger zu verbreiten, die starken Effekte von Vertrautheit und politischer Voreingenommenheit berücksichtigen – insbesondere in sozialen Medien, wo diese Effekte verstärkt auftreten. Effektive Maßnahmen könnten beispielsweise Gemeinsamkeiten betonen und einen respektvollen Dialog über politische Grenzen hinweg fördern.
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Recherchequelle: Max-Planck-Gesellschaft
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