Boulder (USA) – Anhand von Daten der Cassini-Raumsonde haben US-Wissenschaftler die chemischen Prozesse im Innern des unter einer kilometerdicken Eiskruste verborgenen Ozeanes auf dem Saturnmond Enceladus modelliert. Das Ergebnis zeigt, dass der Ozean ein reichhaltiges Stoffwechsel-Menü für eine Vielzahl mikrobischer Lebensgemeinschaften parat und darüber hinaus halten könnte.
Noch vor dem zielgerichteten Absturz der Sonde im September 2017 (…GreWi berichtete) konnte „Cassini“ den Wassereisdampf der Fontänen direkt beproben, die aus dem Eispanzer des Mondes kilometerweit ins All gepresst werden und von dem verbogenen Ozean gespeist werden. Darin fanden die Cassini-Instrumente mit molekularem Wasserstoff eine potenzielle Nahrungsquelle für dortige Mikroben.
Wie das Team um Christine Ray vom der University of Texas in San Antonio und mittlerweile am Southwest Research Institute (SwRI) aktuell im Fachjournal „Icarus“ (DOI: 10.1016/j.icarus.2020.114248) berichten, ist der Nachweis von molekularem Wasserstoff (H2) in den Geysirfahnen des Enceladus ein Hinweis darauf, dass des in dem Ozean des Mondes eine freie Energiequelle zumindest für mikrobisches Leben gibt.
„Auf der Erde ernähren sich aerobe, also Sauerstoff-atmende Mikroben mittels Energie in Form von organischer Materie wie Glucose oder Sauerstoff, um so Kohlendioxid und Wasser zu erzeugen“, erläutert Ray und führt dazu weiter aus: „Anerobische Mikroben (die also ohne Sauerstoff auskommen) können Wasserstoff zu Methan verstoffwechseln. Alles Leben kann zu chemischen Reaktionen destilliert werden, die mit einem Ungleichgewicht zwischen Sauerstoff und Reduktionsmittelverbindungen einhergehen.“ Es sei dieses Ungleichgewicht, dass potenzielle Energiegefälle erzeugen kann, in denen reduzierende Chemie Elektronen zwischen chemischen Arten austauschen könne. „Meist zwischen einer Art, die Oxidation unterworfen ist und einer anderen Art die Reduktion durchlebt“, erläutern die Forscher.
Diese Prozesse sind für zahlreiche Lebensfunktionen notwendig, darunter für die Photosynthese und die Atmung. So ist Wasserstoff beispielsweise die Quelle chemischer Energie, von der sich anaerobe Mikroben ernähren, die am Grund der irdischen Ozeane um Umfeld hydrothermaler Quellen leben. Am Ozeanboden geben diese Quellen heiße, energiereiche und mineralhaltige Flüssigkeiten in das Wasser ab und ermöglichen so einzigartige und vielfältige Ökosysteme am Meeresboden. In früheren Studien haben Forscher und Forscherinnen Hinweise für aktive heiße Quellen und ein chemisches Ungleichgewicht auch am Grunde des Enceladus-Ozeans entdeckt (…GreWi berichtete, siehe Links u.).
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„Wir haben uns gefragt, ob es auch andere metabolische Wege geben könnte, anhand derer der Enceladus-Ozean Energiequellen zur Verfügung stellen könnte“, so Ray. „Weil es hierzu aber unterschiedliche Anordnungen von Oxidationsmitteln geben müsste, die wir bislang aber in den Enceladus-Fontänen noch nicht direkt nachweisen konnten, haben wir Modelle erstellt, um so zu ermitteln, ob die Grundvoraussetzungen im Ozean und dem Felskern des Mondes solche chemischen Prozesse ermögliche könnten.
Unter anderem haben die Forschenden untersucht, wie die ionisierende Strahlung aus dem All die Oxidantien H2 und H2O2 entstehen lassen könnten und wie abiotische Geochemie im Enceladus-Ozean und dem Felskern zum notwendigen chemischen Ungleichgewicht beitragen könnte, wie es uns bekannte Stoffwechselprozesse unterstützen würde.
Zudem untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob diese Oxidantien sich mit der Zeit auch dann ansammeln könnten, wenn keine reduzierenden Stoffe in notwendigen Mengen anwesend sind. Auch untersuchten sie, wie diese Stoffe oder Mineralien am Ozeanboden Oxidantien in Sulfate oder Eisenoxid umwandeln könnten.
„Wir verglichen unsere Schätzungen über diese frei verfügbare Energie mit Ökosystemen auf der Erde und stellten fest, dass im Großen und Ganzen unsere Werte sowohl für aerobische als auch anerobe Stoffwechsel im notwendigen Mindestmaß und darber hinaus vorhanden sind“, so Ray und erklärt dazu weiter: „Diese Ergebnisse legen nun nahe, dass die Produktion von Oxidantien dazu beitragen könnte, mögliches Leben und metabolisch-unterschiedliche Mikrobengemeinschaften auf Enceladus zu versorgen.“
Da nun also potenzielle Nahrungsquellen identifiziert wurden, stelle sich als Nächstes die Frage, welcher Natur jene komplexen Stoffe sind, die aus dem Ozean stammen, so der Mitautor der Studie, SwRI-Direktor Dr. Hunter Wait und bezieht sich damit auf eine bereits 2018 im Fachjournal “Nature” veröffentlichte Untersuchung (…GreWi berichtete): „Unsere neuen Studie ist ein weiterer Schritt im Verständnis darüber, wie ein kleiner Mond Leben erzeugen und erhalten kann, die unserer bisherigen Vorstellungen von Leben übertreffen.“
Die Ergebnisse der aktuellen Studie werden auch Auswirkungen auf die nächste Generation der Erforschung des Enceladus haben: „Eine zukünftige Sonde könnte durch eine Enceladus-Fontäne fliegen und so die Vorhersagen unserer Studie über das Vorkommen oxidierenden Stoffe im Ozeanwasser überprüfen“, kommentiert der SwRI-Wissenschaftler Dr. Christopher Glein abschließend. „Natürlich müssen wir vorsichtig sein, aber es ist jetzt schon spannend, darüber zu spekulieren, ob es dort nicht vielleicht merkwürdige Formen des Lebens gibt, die diese Energiequellen nutzten, wie wir sie im Enceladus-Ozean erwarten.“
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Quelle: SwRI
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