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MOND-Theorie: Galaxien-Entstehung erstmals ohne Dunkle Materie simuliert

Die Verteilung des Materiegases 1,5 Milliarden Jahre nach dem Start der Simulation. Je heller die Farbe, desto höher ist die Dichte des Gases. Die hellblauen Punkte zeigen junge Sterne. Copyright/Quelle: AG Kroupa/Uni Bonn
Die Verteilung des Materiegases 1,5 Milliarden Jahre nach dem Start der Simulation. Je heller die Farbe, desto höher ist die Dichte des Gases. Die hellblauen Punkte zeigen junge Sterne.
Copyright/Quelle: AG Kroupa/Uni Bonn

Bonn (Deutschland) – Wissenschaftler haben erstmals die Bildung von Galaxien in einem Universum simuliert, das ohne Dunkle Materie auskommt. Statt Dunkler Materie haben die Forscher für ihre Simulation dieses Prozesses Newtons Gravitationsgesetze modifiziert. Tatsächlich ähneln die Galaxien, die auf diese Weise entstanden denen, die wir heute sehen. Die Wissenschaftler sehen in ihrem Ansatz eine Lösung zahlreicher Rätsel der modernen Kosmologie.

„Tatsächlich gehen die meisten Kosmologen derzeit davon aus, dass die Materie nach dem Urknall nicht ganz gleichmäßig verteilt war“, erläutert die Presseinfo der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. „Die dichteren Stellen zogen aufgrund ihrer stärkeren Gravitationskräfte immer mehr Materie aus ihrer Umgebung an. Im Laufe von mehreren Milliarden Jahren bildeten sich aus diesen Ansammlungen aus Staub und Gas schließlich die Galaxien, die wir heute sehen.“ Um diese Theorie jedoch aufrecht zu erhalten bedarf es der sogeannten Dunklen Materie. Diese soll „einerseits für die anfängliche Ungleichverteilung verantwortlich sein, die zur Zusammenballung der Gaswolken führte. Außerdem erklärt sie einige rätselhafte Beobachtungen. So bewegen sich Sterne in rotierenden Galaxien häufig so schnell, dass sie eigentlich aus ihnen heraustreiben sollten. Es scheint also in den Galaxien eine zusätzliche Gravitations-Quelle zu geben, die das verhindert – eine Art ‚Sternen-Kitt‘, der mit Teleskopen nicht zu sehen ist.“ Allerdings steht ein direkter Nachweis der Existenz genau dieser „Dunklen Materie“ noch aus.

Alternativ könnten sich aber auch die Gravitationskräfte selbst einfach anders als bislang gedacht verhalten, erläutert Prof. Dr. Pavel Kroupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn und dem Astronomischen Institut der Karls-Universität in Prag die sogenannte MOND-Theorie, die die namensgebende „MOdifizierte Newton’sche Dynamik“ beschreibt und von dem israelischen Physiker Prof. Dr. Mordehai Milgrom dargelegt wurde.

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Laut der MOND-Theorie gehorcht die Anziehung zwischen zwei Massen nur bis zu einem bestimmten Punkt den Newton’schen Gesetzen: Bei sehr kleinen Beschleunigungen, wie sie in Galaxien vorherrschen, wird sie dagegen erheblich stärker. Daher reißen Galaxien durch ihre Drehgeschwindigkeit auch nicht auseinander.

Wie das Team um Prof. Dr. Pavel Kroupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn und dem Astronomischen Institut der Karls-Universität in Prag gemeinsam mit Kollegen um Dr. Benoit Famaey von der Universität Straßburg aktuell im „Astrophysical Journal“ (DOI: xxx) berichtet, haben sie in ihren Computermodellen erstmals simuliert, ob sich in einem MOND-Universum überhaupt Galaxien bilden würden und wenn ja, welche. Dazu nutzten die Wissenschaftler ein Computerprogramm für die komplexen Gravitationsberechnungen, das in Kroupas Gruppe entwickelt wurde. Denn die Anziehungskraft eines Körpers hängt bei MOND nicht nur von seiner eigenen Masse ab, sondern auch davon, ob sich andere Objekte in seiner Nähe befinden.

Ausgehend von einer Gaswolke einige hunderttausend Jahre nach dem Urknall, simulierten die Forscher sodenn die Entstehung von Sternen und Galaxien. „Unsere Ergebnisse sind in vielen Aspekten bemerkenswert nahe zu dem, was wir mit Teleskopen wirklich beobachten“, erläutert Kroupa. „So folgen die Verteilung und Geschwindigkeit der Sterne in den computergenerierten Galaxien demselben Muster, das auch am Nachthimmel zu sehen ist.

In unserer Simulation bildeten sich zudem vor allem rotierende Scheiben-Galaxien wie die Milchstraße und fast alle anderen großen Galaxien, die wir kennen. In Dunkle-Materie-Simulationen entstehen dagegen überwiegend Galaxien ohne ausgeprägte Materie-Scheiben – eine Diskrepanz zu den Beobachtungen, die schwer zu erklären

Berechnungen, die von der Existenz Dunkler Materie ausgehen, seien zudem sehr empfindlich gegenüber Änderungen bestimmter Parameter – etwa der Entstehungshäufigkeit von Supernovae und deren Auswirkung auf die Materieverteilung in Galaxien. In der MOND-Simulation spielten diese Faktoren dagegen kaum eine Rolle.

Doch auch die Ergebnisse der neuen Simulationen stimmen nicht in allen Punkten mit der Realität überein. Allerdings handele es sich bei den jetzt veröffentlichten Simulationene auch nur um einen ersten Schritt, betonen Kroupa und Kollegen. So haben die Wissenschaftler bislang nur sehr einfache Annahmen getroffen, was die ursprüngliche Verteilung der Materie und die Bedingungen im jungen Universum angeht. „Wir müssen die Berechnungen nun wiederholen und dabei auch komplexere Einflussfaktoren einbeziehen. Dann werden wir sehen, ob die MOND-Theorie die Realität tatsächlich erklärt.“

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Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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