Mysteriöses Signal legt nahe, dass Neutrinos deutlich energiereicher sind als bislang angenommen
Das Neutrino-Observatorium „IceCube“ in der Antarktis mit einer grafischen Darstellung des ungewöhnlich hochenergetischen Signals.
Copyright: icecube.wisc.edu/
Mainz (Deutschland) – Mit dem Neutrino-Observatorium „IceCube“ in der Antarktis hoffen Wissenschaftler auf den Nachweis energiereicher kosmischer Neutrinos (…GreWi berichtete). Nach ersten Detektionen hat die Anlage 2014 ein Signal aufgefangen, das seither unter Physikern kontrovers diskutiert wird. Zwei Physiker liefern nun eine mögliche Erklärung, wie sie zugleich nahelegt, dass kosmische Neutrinos wesentlich energiereicher sind als bislang gedacht.
Wie die beiden Physiker Dr. Ranjan Laha von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Matthew Kistler von der Stanford University aktuell im Fachjournal „Physical Review Letters“ (DOI: 10.1103/PhysRevLett.120.241105) berichten, könnte das gemessene Signal von einem sogenannten Tau-Lepton hervorgerufen worden sein. Hierbei handelt es sich um das Produkt der Kollision eines sog. Tau-Neutrinos mit einem Atom.
Hintergrund
Neutrinos sind Elementarteilchen, die fast ohne Wechselwirkung durch die Materie reisen und existieren als drei verschiedene Typen: als Elektron-, Myon- und Tau-Neutrinos und als deren jeweilige Antiteilchen (den Antineutrinos). Pro Sekunde rasen unbemerkt Billionen von Neutrinos durch unseren Körper, treffen auf die Erdoberfläche und durchdringen alles auf und den Planeten selbst nahezu ungehindert. Sie entstehen durch radioaktive Zerfälle in der Sonne und allen anderen Sternen, wenn diese explodieren (Supernovae) und in Folge anderer kosmischer Ereignisse.
Im Juni 2014 detektierten die IceCube-Sensoren ein Ereignis von bislang nicht gemessener, unerwartet hoher Energie von 2,6 Petaelektronenvolt (PeV). Ein solch energiereiches Signal hatten Wissenschaftler von Neutrinos nicht erwartet.
Während vermutet wurde, dass das nun gemessene Signal von einem Myon stammen könnte, wie es bei Kollisionen eines Myon-Neutrinos mit einem Atomkern entsteht. Die neue Analysen des Signals durch Laha und Kistler bezweifeln nun jedoch, dass die gemessene Energie zu hoch sei, als dass sie von einem Myon hervorgerufen worden sein könnten.
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Alternativ stellen die Physiker ihre Theorie vor, wonach die Signalspur von einem hochenergetischen Tau-Lepton stammen könnte, einem schweren Teilchen, das laut gängiger Theorie durch Kollisionen von Tau-Neutrinos mit Atomen entsteht. Allerdings wurde ein derart eindeutiges Tau-Signal von dem IceCube-Instrument zuvor noch nie identifiziert.
Sollte der Vorschlag der Forscher stimmen, würde dies ein völlig neues Licht auf die Eigenschaften kosmischer Neutrinos werfen. Schließlich müsste das hierzu notwendige Tau-Neutrino, um eine entsprechend große Energie von 2,6 PeV abzugeben, eine deutlich höhere Ausgangsenergie gehabt haben – und wäre damit deutlich energiereicher als dies bislang für kosmische Neutrinos angenommen geschweige denn nachgewiesen wurde.
Demnach würde es sich vermutlich um eine neuartige Komponente des astrophysikalischen Neutrinospektrums handeln. „Bei den Ereignissen, die IceCube verzeichnet, wäre normalerweise eine gewisse Kontinuität zu erwarten. Der Abstand zwischen dem genannten Ereignis mit der bis heute höchsten Energie und den anderen gemessenen Daten ist allerdings ungewöhnlich groß. (…) Wir wissen nicht genau, um was für eine Spur es sich bei den 2,6 PeV handelt, aber mit ziemlicher Sicherheit nicht um ein durchziehendes Myon, vielleicht aber um ein Tau-Teilchen“, so Laha.
Sollte das stimmen, würde dies „ein völlig unerwartetes Fenster öffnen, um astrophysikalische Neutrinos mit Energien bei 100 PeV wahrzunehmen.“, so die Autoren und erklären abschließend: „Wir halten das Ereignis insgesamt für so bedeutsam, dass es weiter untersucht werden sollte. Und wir brauchen noch mehr Daten, um Genaueres zu erfahren und die kosmische Botschaft zu entziffern.“
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