Mythos entlarvt: Fische empfinden Schmerzen ähnlich wie wir Menschen
Liverpool (Großbritannien) – Lange Zeit galt die Behauptung, Fische hätten gerade im Mundraum keine Nerven und würden auch allgemein kaum bis keine Schmerzen empfinden, vielen Anglern als willkommene Rechtfertigung für die von Tierschützern vorgebrachten Argumente gegen den „Sport“. Nachdem schon zuvor von Wissenschaftlern immer wieder Zweifel an dieser Behauptung vorgebracht wurden, widerlegt nun auch eine aktuelle Studie die Vorstellung von Fischen als schmerzfreien Wesen. Stattdessen empfinden diese Schmerz vermutlich sogar ganz ähnlich wie wir Menschen.
Wie Dr. Lynne Sneddon von der Liverpool University aktuell im Fachjournal “Philosophical Transactions of the Royal Society B“ (DOI: 10.1098/rstb.2019.0290) berichtet, zeigt ihre Analyse zahlreicher früherer Studien, dass zumindest einige Fische sehr wohl Schmerzen – auch und gerade im Mundraum – empfinden.
So zeige eine Studie an Cymatogaster aggregata aus der Familie der Brandungsbarsche, die Nahrung mittels eines Saugreflexes aufnehmen, dass diese deutlich weniger Nahrung zu sich nehmen, nachdem sie einmal mittels Angelhaken gefangen und zurück ins Wasser geworfen wurden. In einer anderen Studie konnten Forscher zeigen, dass Goldfische, die mittels Elektroschocks in einem Teil des Aquariums “behandelt” wurden, diesen Teil des Aqauriums mindestens drei Tage lang selbst dann meiden, wenn es sich um den Teil des Beckens handelte, in dem die Fische zuvor stets ihre Nahrung erhalten hatten. Auch starke Hitze habe negative Auswirkungen auf das Verhalten von Zebra- und Goldfischen, welches sich jedoch unter Beigabe von Schmerzmitteln wieder normalisierte. Angesichts schmerzhafter Erfahrungen zeige zudem eine Vielzahl von Fischarten deutliche Verhaltensveränderungen auf, so die Studie. Die Tiere werden weniger aktiv, reduzieren die Nahrungsaufnahme, beginnen zu hyperventilieren oder reiben verwundete Stellen an Objekten in ihrer Umgebung. Ähnliche Verhaltensweisen also, wie wir auch wir Menschen sie im Umgang mit Schmerzen zeigen.
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„Werden Fische an ihren Lippen mit einem Schmerzstimulus ‘behandelt’, so reiben sie in der Folge ihren Mund beispielsweise an der Glaswand des Aquariums – ganz ähnlich, wie wir uns etwa einen angestoßenen Zeh reiben und drücken“, so Sneddon. Entsprechend beobachtete Reaktionen der Tiere könnten immer dann wieder reduziert und normalisiert werden, wenn die Fische mit klassischen Schmerzmitteln behandelt würden. Entsprechend folgert die Wissenschaftlerin denn auch einmal mehr, dass Fische nicht nur schmerzempfindlich sind, sondern diese Schmerzen auch in ähnlicher Weise wahrnehmen, wie wir Menschen.
Damit widerspricht Sneddon einer Studie Berliner Wissenschaftler von 2013, die genau das Gegenteil behauptete, die damals allerdings ebenfalls mahnend feststelle, dass die Definition von Schmerz jedoch nicht nur eine „semantische“ oder „akademische“ Frage, sondern auch eine Frage von größter Bedeutung für die praktische Welt und von Moral und Ethik von Mensch-Tier-Beziehungen sei (…GreWi berichtete).
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Auch Sneddon fordert abschließend: „Wenn wir akzeptieren, dass auch Fische Schmerzen empfinden, so sind die daraus resultierenden Konsequenzen für unseren Umgang mit den Tieren von großer Bedeutung. Im Umgang mit Fischen sollten wir ähnliche Sorgfalt an den Tag legen, wie mit anderen Tieren auch. Wir sollten darum bemüht sein, ihre Haut nicht zu verletzten und sie auf humane Weise fangen und töten.“
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Quelle: University of Liverpool
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