Stuttgart (Deutschland) – Eine u.a. vom Naturschutzbind Deutschland (NABU) in Auftrag gegebene Metastudie attestiert, dass neben Pestiziden und dem Verlust von Lebensräumen auch Mobilfunkstrahlung negative Effekte auf Insekten hat, unter anderem auf Orientierung, Fortpflanzung und Nahrungssuche der Tiere.
Der Autor der Metastudie hat 190 wissenschaftliche Publikationen gesichtet, die sich mit dem Thema Insekten und elektromagnetische Felder beschäftigen. Nach Auswertung der Studien steht fest: Insbesondere Mobilfunk- und WLAN-Strahlung sorgen dafür, dass die Calciumkanäle der Zellen geöffnet werden, sodass Calciumionen vermehrt einfließen. Calcium ist ein wichtiger Botenstoff, der eine biochemische Kettenreaktion auslöst, die bei Insekten zu oxidativem Zellstress führt. In dessen Folge wird der Orientierungssinn eingeschränkt und die Reproduktionsfähigkeit nimmt ab. Außerdem wird die Tag-Nacht-Rhythmik gestört und das Immunsystem fehlaktiviert. Studien aus Griechenland zeigen auch, dass Mobilfunkstrahlung deutlich schädlicher ist als das 50-Hertz-Magnetfeld einer Hochspannungsleitung.
Wirkung von Mobilfunkstrahlung häufig unterschätzt
„Die Metastudie zeigt auf, dass wir bei der Ursachenanalyse für den dramatischen Insektenschwund unsere Augen in alle Richtungen offen halten müssen. Möglichweise spielen neben dem Verlust von Lebensräumen, der Intensivierung der Landwirtschaft und dem Eintrag von Pestiziden und Luftschadstoffen in die Umwelt weitere Faktoren, wie eben auch hochfrequente elektromagnetische Strahlung, eine Rolle. Die vorliegende Studie zeigt, dass die Wirkung von Mobilfunkstrahlung auf die Umwelt häufig unterschätzt wird“, sagt der NABU-Landesvorsitzende, Johannes Enssle. Über die negative Wirkung von Mobilfunk- und WLAN-Strahlung auf Zellen sei in der Wissenschaft inzwischen schon viel bekannt. In der Öffentlichkeit würde dies jedoch bislang kaum debattiert, stellt Enssle fest. „Das Thema ist für viele von uns unbequem, greift es doch tief in unsere alltäglichen Gewohnheiten ein und hinter der Mobilfunktechnik stehen natürlich auch mächtige wirtschaftliche Interessen.“
Forderung nach weniger Strahlenbelastung in der Umwelt
Peter Hensinger, zweiter Vorsitzender von diagnose:funk und Leiter des Fachbereichs Wissenschaft, fordert: „Es ist beunruhigend, dass bereits geringe Strahlenbelastungen weit unterhalb der Grenzwerte Insekten schädigen.“ Hensinger fordert daher einen Diskurs über die Ergebnisse: „Mit diesen Hinweisen auf insektenschädliche Wirkungen darf der Mobilfunkausbau keinesfalls flächendeckend unbeirrt weitergehen, wie von Politik und Mobilfunkbetreibern gewünscht. Die Umweltbehörden in Deutschland, allen voran Bundesumweltministerin Svenja Schulze, müssen jetzt aus den Ergebnissen dieser Studie Konsequenzen ziehen: Die Lebensräume von Insekten müssen vor Mobilfunkstrahlung geschützt werden! Anstelle der zunehmenden elektromagnetischen Überfrachtung unserer Umwelt muss die bereits vorhandene Strahlenbelastung flächendeckend gesenkt werden – zum Schutz von Mensch und Tier.“ Dass dies möglich sei, zeigten Beispiele aus der Schweiz oder aus Norwegen, wo trotz guter Netzabdeckung eine wesentlich geringere Strahlenbelastung der Umwelt erreicht werde.
Dr. Ulrich Warnke
Hintergrund
Über die Insektenstudie von Alain Thill führte diagnose:funk ein Interview mit Dr. Ulrich Warnke (Abb. l.). Er war Dozent an der Universität Saarbrücken und forschte seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts über den Einfluss von Radar und elektromagnetischen Feldern auf Bienen. Seine Artikel gehören zur Standardliteratur. diagnose:funk wollte von ihm wissen, wie er die neue Studie einordnet.
– Das Interview mit Dr. Ulrich Warnke zu den Ergebnissen der neuen Insektenstudie finden Sie HIER
Die Ergebnisse der Metastudie sind für Wissenschaftler wie den Biologen Dr. Ulrich Warnke keinesfalls überraschend und stehen im Widerspruch zur Haltung der Bundesregierung, die bisher Effekte elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder auf Flora und Fauna negiert oder verharmlost hat. Der Biologe Prof. Herbert Zucchi von der Hochschule Osnabrück, einer der führenden Experten auf dem Gebiet Insekten und elektromagnetische Felder, bewertet die Metastudie als sehr gründliche Arbeit, die Insektenforschern einen guten Überblick über den aktuellen Kenntnisstand bietet.
– Weitere vom NABU empfohlenen Studien zu Insektensterben finden Sie HIER
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