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Neu entdeckte Riesenviren verwischen Grenze zwischen Viren und Organismen


Ein Exemplar der neu entdeckten Tupanviren unter dem Rasterelektronenmikroskop.

Copyright: Abrahão et al. Nature Communications (2018)

Marseille (Frankreich) – Ein internationales Forscherteam haben in einem brasilianischen See zwei neuen Formen von Riesenviren entdeckt, die nicht nur fast so groß wie Bakterien sind und einen Schwanzfortsatz, sondern auch bereits einen nahezu vollständigen Bauplan zur Proteinsynthese in sich trägt. Wenn die beiden Arten von Tupanvoren nun auch noch über Ribosomen verfügen würden, wären sie wohl in der Lage, sich auch gänzlich ohne Wirt fortzupflanzen. Die Grenze zu dem, was die meisten Wissenschaftler als „Leben“ bezeichnen verschwimmt zusehends.

Wie das Team um Jônatas Abrahão von der Aix-Marseille Université aktuell im Fachjournal „Nature Communication“ (DOI: 10.1038/s41467-018-03168-1) berichtet, entdeckten sie die beiden neuen Virusarten ungewöhnlicher Größe in Seen in Brasilien und benannten sie nach dem Brasilianischen Gott Tupã.

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Noch ungewöhnlicher als ihre Größe sei die Komplexität ihres Genoms, das rund 1,5 Millionen DNA-Basenpaare und damit genügend Gene besitzt, um 1,425 Arten von Proteinen zu erzeugen. Mehr proteinkodierenden Gene besitzt lediglich das sog. Pandoravirus (…GreWi berichtete). Damit verfügen die Viren über den umfangreichsten Translations-Apparat der je bei Viren entdeckt wurde und kommen so echten, zellulären Organismen überraschend nahe. „Tatsächlich fehlt den Tupanviren hierzu eigentlich nur noch nach Ribosom“, erläutert Abrahão.

Hintergrund: Viren – Lebewesen oder kein Lebewesen?
Der überwiegende Anteil der Biologen vertritt die Ansicht, dass Viren keine Lebewesen sind. Einerseits, weil Viren über keinen eigenen Stoffwechsel verfügen, andererseits, weil sie sich nicht ohne eine fremde Wirtszelle vermehren können. Hierzu schleusen sich Viren in andere Wirtszellen ein und programmieren diese um, sodass nur noch die eigene Viren-DNA abgelesen und repliziert wird, statt der eigentlichen DNA der Wirtszelle. Zur Frage danach, ob es sich bei Viren also um Lebenwesen handelt, erläutert der Wikipedia-Eintrag: “Virologen (sind sich) weitgehend darüber einig, Viren nicht zu den Lebewesen zu rechnen. Man kann sie aber zumindest als ‘dem Leben nahestehend’ betrachten, denn sie besitzen allgemein die Fähigkeit zur Replikation und Evolution.” Schlussendlich bleibt es also Definitionssache, ob Viren als Lebewesen klassifiziert werden, oder nicht. Eine tabellarische Gegenüberstellung der Merkmale und Eigenschaften von Viren und Bakterien finden Sie HIER

Die neu entdeckten Riesenviren zwingen Biologen nun möglicherweise dazu, die Klassifikation der Viren erneut überdenken zu müssen. Tatsächlich sind die beiden Tupanvirenarten aufgrund ihre großen Schwanzfortsatzes sogar größer als einige Bakterien und auch bereits zur eigenen DNA-Replikation, sowie zu deren Reparation, Transkritption und Translation in der Lage – Fähigkeiten also, wie sie Viren bislang mehrheitlich abgesprochen und als lediglich lebenden Organismen eigen eingestuft wurden.


Ein Tupanvirus unter dem Elektronenmikroskop.

Copyright: Abrahão et al. Nature Communications (2018)

Bei ihren Beobachtungen der Riesenviren haben die Forscher um Abrahão festgestellt, dass diese verschiedene Arten von Amöben infizieren, um diese dann als eine Form von Virenfabrik zu nutzen, um Kopien von sich selbst herzustellen.

Auch nach der aktuellen Erstbeschreibung der Tupaviren, sind noch immer 30 Prozent ihres Genoms nicht zugeordnet, weshalb die Forscher sich schon jetzt auf noch weitere Überraschungen gefasst machen.

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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