Neue Analyse: ‚Oumuamua könnte doch ein außerirdisches Artefakt sein

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Künstlerische Darstellung vom ‚Oumuamua als künstliches Objekt (Illu.).
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Cambridge (USA) – Das vor einem Jahr als Besucher aus einem anderen Sonnensystem entdeckte Objekt mit der Bezeichnung ‚Oumuamua sorgt bis heute für Rätsel über dessen Natur und Herkunft. Nachdem die meisten Astronomen und Astrophysiker darin ein natürliches Objekt wie etwa einen Asteroiden oder Kometen vermuten, wollen andere nicht ausschließen, dass es sich um ein künstlich hergestelltes Objekt handelt. Eine neue Analyse der Flugbahn und -eigenschaften von ‚Oumuamua deutet nun ebenfalls in diese Richtung.

Vor das bislang größte Rätsel stellt das Objekt die Wissenschaftler aufgrund einer unerwarteten und nicht durch Gravitationswechselwirkungen erklärbaren Schubentwicklung im vergangenen Dezember (…GreWi berichtete). Was zunächst als Ergebnis von Ausgasungen des für einen Kometen gehaltenen Objekts gedeutet wurde, konnte durch Beobachtungen und Messungen nicht bestätigt werden, denn es zeigte sich kein durch diese Effekte normalerweise verursachter Schweif und es konnten auch keine sonstigen Gasabsorptionen gemessen werden. Alternativ vermuteten einige Astronomen, dass die unerwartete Beschleunigung durch den Druck der Sonnenabstrahlung verursacht wurde.

Wie die Astronomen Shmuel Bialy und Abraham Loeb von der Harvard University aktuell vorab via ArXiv.org berichten, haben sie untersucht, welche Eigenschaften ‚Oumuamua gehabt haben müsste, um von dem tatsächlich sehr schwachen Druck der Sonnenstrahlung derart beeinflusst werden zu können.

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Wie sich zeigte, müsste es sich bei dem Objekt um ein sehr dünnes Objekt mit einem kleinen Masse-zu-Fläche-Verhältnis handeln, um derart vom Sonnendruck beschleunigt zu werden. Demnach würde ein Objekt von gerade einmal 0,3-0,9 Millimetern Dicke dafür aber mit einem Radius von etwa 20 Metern, um die zuvor berechnete von Gravitation unabhängige Beschleunigung von ‚Oumuamua erklären zu können.

Wie Paul Ginster auf Centauri-Dreams.org berichtet, habe Loeb ihm gegenüber via E-Mail erläutert, dass es sich in diesem Fall jedoch um einen „perfekten Reflektor“ gehandelt haben müsse, dessen Größe mit schwächeren Reflektionseigenschaften (Albedo) steigen würde. Gemeinsam mit der beobachteten Rotation des Objekts „könnte es eine konische oder stark zylindrische Form besitzen.“

Dieses Diagramm zeigt die Umlaufbahn des interstellaren Objekts ‚Oumuamua beim Durchlaufen des Sonnensystems (Illu.). Die rechte Ausschnitssvergrößerung stellt die beobachtete unerwartete Beschleunigung (blau) im Vergleich zur anhand der reinen Gravitationskräfte vorherberechneten Flugbahn (grün) dar (Illu.). Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung zu gelangen. Copyright: ESA

Obwohl auch Loeb und Bialy bemerken, dass es sich auch um eine bislang unbekannte Kategorie von dünnem interstellarem natürlichem Material handeln könnte, gehen sie auch auf die Möglichkeit ein, dass es sich um ein künstlich erzeugtes Objekt – vielleicht um Weltraumschrott einer technologisch entwickelten Zivilisation – handeln könnte:

„Wenn wir eine künstliche Herkunft in Betracht ziehen, so wäre eine Möglichkeit, dass es sich um ein im interstellaren Raum treibendes Lichtsegel als Reste eines fortschrittlichen technologischen Geräts handelt“, so die Autoren und führen dazu weiter aus: „Lichtsegel mit ganz ähnlichen Dimensionen wurden bereits von unserer eigenen Zivilisation angedacht und entwickelt, etwa vom IKARUS-Projekt oder der Breakthrough Starshot Initiative. Die Lichtsegel-Technologie könnte vielfach etwa für den Transport zwischen einzelnen Planeten oder Sternensystemen genutzt werden.“ Auf diese Weise könne es bei dem Herausschleudern der Sonden aus einem Sonnen- bzw. Planetensystem auch dazu kommen, dass Trümmer der Ausstattung mit entsprechenden Geschwindigkeiten in andere benachbarte Systeme (wie etwa unser Sonnensystem) gelangen.

Das Problem auch dieser Hypothese zu ‚Oumuamua ist aber erneut, dass das Objekt zu spät geortet wurde und sich jetzt auch schon wieder zu weit von uns entfernt hat, als dass die unterschiedlichen Theorien, etwa mit einer Verfolgersonde, aus unmittelbarer Nähe überprüft werden könnten. Somit bleibt also auch die Vorstellung von einem verlorengegangenen außerirdischen Lichtsegel eine von vielen Hypothesen und Theorien zu ‚Oumuamua.

Allerdings kann diese Hypothese doch noch etwas weiter untersucht werden – etwa auf die Frage hin, ob ein solches hypothetisches hauchdünnes Lichtsegel die lange Reise durch den interstellaren Raum bis in unser Sonnensystem überhaupt überstehen könnte. Schließlich stellen überschnelle Gaspartikel, Staubkörner und die Gravitationskräfte einen ein solches Material stark erodierenden Faktor dar, den es zu bedenken gilt.

Für das von ihnen berechnete Verhältnis zwischen angenommener Masse zur Fläche der angedachten dünnen Folie eines Lichtsegels, haben Loeb und Bialy errechnet, dass dieses durchaus einen Großteil der Galaxie durchqueren könnte, ohne dabei signifikant an Masse zu verlieren: „Innerhalb eines Radius von 32.000 Lichtjahren sollten diese Faktoren kein Problem für das Überdauern eines solchen Materials darstellen“, so die Autoren. Zum Vergleich: Unser Sonnensystem ist rund 25.000 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt.

Gegenüber Ginster nimmt Loeb Bezug auf sein kürzlich erschienenes Essay darüber, wie wir Beweise für längst vergangene außerirdische Zivilisationen finden könnten, in dem er bereits über die Möglichkeit, dass ‚Oumuamua ein Artefakt einer solchen Zivilisation sein könnte, spekuliert hatte:

„Aus einer solchen Perspektive heraus betrachtet, könnte es sich bei ‚Oumuamua durchaus um ein ausgedientes Segel unter dem Einfluss von Gravitation und stellarer Strahlung handeln – ähnlich, wie Trümmer von Schiffen im Ozean treiben. Alternativ könnte ‚Oumuamua eine Sonde einer Aufklärungsmission gewesen sein. Der Grund, weshalb ich dies tatsächlich in Betracht ziehe ist der, dass wenn man annimmt, dass das Objekt einem zufälligen Orbit folgt, man von etwa einer Billiarde ähnlicher Objekte in unserer Galaxie ausgehen muss. Diese Anzahl liegt hundert Millionen mal höher als wir dies von unserem eigenen Sonnensystem annehmen. Eine erstaunlich große Überfülle – es sei denn, ‚Oumuamua ist eine gezielt in unser System gelenkte Aufklärungssonde und nicht ein Teil einer zufälligen Population natürlicher Objekte.“ Dabei vermutet Loeb, dass ‚Oumuamua selbst nur eine von hunderten Sonden gewesen sein könnte, die ursprünglich im Verbund gestartet wurden, um so die Chance, das Ziel auch zu erreichen, zu erhöhen.

Tatsächlich planen auch die irdischen Raumfahrtpioniere etwa im Rahmen von „Starshot“, genau aus diesem Grund nicht nur eine einzelne Sonde, sondern einen ganzen Schwarm in unser Nachbarsystem Alpha Centauri zu senden.

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