Neue Messungen legen nahe: Dunkle Energie könnte sich im Laufe der Zeit verändern

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Brisbane (Australien) – Das Universum hat sich seit dem Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren ausgedehnt. Eine unsichtbare Kraft, die sogenannte Dunkle Energie, soll diese Expansion beschleunigen. Neue Ergebnisse des „Dark Energy Spectroscopic Instrument“ (DESI), deuten nun jedoch darauf hin, dass sich die Dunkle Energie im Laufe der Zeit verändern könnte. Das hätte bedeutende Konsequenzen.
Inhalt
– Der folgende Artikel der DESI-Wissenschaftlerin Rossana Ruggeri von der von der Queensland University of Technology (QUT), erschien am 20. März 2025 im englischsprachigen Original unter dem Titel „Cosmic dark energy may be weakening, astronomers say, raising questions about the fate of the universe“ auf Theconversation.com unter der Lizenz Creative Commons und wurde von GrenzWissenschaft-aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt.
Neue Ergebnisse des „Dark Energy Spectroscopic Instrument“ (DESI), deuten nun jedoch darauf hin, dass sich die Dunkle Energie im Laufe der Zeit verändern könnte.
Sollte sich dieses Ergebnis bestätigen, könnte es unsere aktuellen kosmologischen Theorien infrage stellen – mit erheblichen Konsequenzen für das letztendliche Schicksal des Universums. In extremen Szenarien könnte eine sich verändernde Dunkle Energie entweder die Expansion des Universums so weit beschleunigen, dass es in einem „Big Rip“ auseinandergerissen wird, oder sie könnte dazu führen, dass es sich in einem „Big Crunch“ wieder zusammenzieht.
Als Mitglied der DESI-Kollaboration, die mehr als 900 Forscher aus 70 Institutionen weltweit umfasst, bin ich an der Analyse und Interpretation der Ergebnisse zur Dunklen Energie beteiligt.
Ein neues Bild der Dunklen Energie
Die Dunkle Energie wurde erstmals 1998 entdeckt. Sie ist eine Art Essenz, die den Raum durchdringt und das Universum mit zunehmender Geschwindigkeit expandieren lässt. Kosmologen sind bisher allgemein davon ausgegangen, dass sie konstant ist – dass sie in der Vergangenheit genauso war, wie sie in der Zukunft sein wird.
Die Annahme einer konstanten Dunklen Energie ist ein grundlegender Bestandteil des weithin akzeptierten Lambda-CDM-Modells des Universums. Laut diesem Modell besteht nur 5 % des Universums aus der sichtbaren Materie, die wir wahrnehmen können. Weitere 25 % sind unsichtbare Dunkle Materie, die nur indirekt nachgewiesen werden kann. Der mit Abstand größte Teil des Universums – satte 70 % – besteht aus Dunkler Energie.
Hinweise aus verschiedenen Quellen
Die Ergebnisse von DESI sind nicht die einzige Informationsquelle zur Dunklen Energie. Hinweise liefern auch bestimmte explodierende Sterne, sogenannte Supernovae vom Typ Ia, sowie die Art und Weise, wie das Licht auf seinem Weg durch das Universum verzerrt wird (bekannt als schwache Gravitationslinsenwirkung).
Messungen des schwachen Nachglühens des Urknalls (der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung) sind ebenfalls wichtig. Sie messen zwar nicht direkt die Dunkle Energie oder ihre Entwicklung, geben aber Aufschluss über die Struktur und den Energiegehalt des Universums – und helfen so, Modelle der Dunklen Energie mit anderen Daten zu testen.

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Wenn die neuen DESI-Ergebnisse mit all diesen kosmologischen Daten kombiniert werden, zeigen sich Hinweise darauf, dass die Dunkle Energie komplizierter sein könnte, als bisher angenommen.
Es scheint, dass die Dunkle Energie in der Vergangenheit stärker war und nun schwächer wird. Dieses Ergebnis stellt die Grundlage des Lambda-CDM-Modells infrage und hätte tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft des Universums.
Wie DESI das Universum kartiert
Das DESI-Projekt ist am Kitt Peak National Observatory in Arizona angesiedelt. Sein Ziel ist es, die umfangreichste dreidimensionale Karte des Universums zu erstellen, die je gemacht wurde.
Dazu verwendet es ein leistungsstarkes Spektroskop, das die Lichtfrequenzen von bis zu 5.000 weit entfernten Galaxien gleichzeitig präzise misst. So können Astronomen bestimmen, wie weit die Galaxien entfernt sind und mit welcher Geschwindigkeit sie sich bewegen.
Durch die Kartierung der Galaxien lassen sich subtile Muster in ihrer großräumigen Verteilung erkennen, sogenannte baryonische akustische Oszillationen. Diese Muster können als kosmische Maßstäbe genutzt werden, um die Expansionsgeschichte des Universums zu messen.

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Durch die Verfolgung dieser Muster im Laufe der Zeit kann DESI nachvollziehen, wie sich die Expansionsrate des Universums verändert hat. DESI ist erst zur Hälfte seiner geplanten fünfjährigen Kartierungsmission und veröffentlicht die Daten schrittweise.
Die neuen Ergebnisse basieren auf der zweiten Datenveröffentlichung, die Messungen von mehr als 14 Millionen Galaxien und leuchtenden galaktischen Kernen, sogenannten Quasaren, umfasst. Dieser Datensatz erstreckt sich über einen kosmischen Zeitraum von 11 Milliarden Jahren – von dem Zeitpunkt, als das Universum erst 2,8 Milliarden Jahre alt war, bis heute.
Neue Daten, neue Herausforderungen
Die neuen DESI-Ergebnisse stellen im Vergleich zur ersten Datenveröffentlichung einen bedeutenden Fortschritt dar. Die gesammelte Datenmenge hat sich mehr als verdoppelt, wodurch die Messgenauigkeit verbessert wurde und die Ergebnisse zuverlässiger sind.
Die ersten DESI-Daten lieferten bereits Hinweise darauf, dass die Dunkle Energie sich möglicherweise nicht wie eine einfache kosmologische Konstante verhält – doch die Beweise waren damals noch nicht ausreichend für eine endgültige Schlussfolgerung. Jetzt, mit der zweiten Datenveröffentlichung, ist die Evidenz dafür stärker geworden.
Die Stärke der Ergebnisse hängt davon ab, mit welchen anderen Datensätzen sie kombiniert werden, insbesondere mit bestimmten Supernova-Daten. Allerdings hat bisher keine Kombination der Daten die typische „Fünf-Sigma“-Schwelle erreicht, die Physiker als Maßstab für eine bestätigte neue Entdeckung verwenden.
Das Schicksal des Universums
Dennoch deutet die Tatsache, dass dieses Muster mit mehr Daten klarer wird, darauf hin, dass etwas Fundamentales im Gange sein könnte. Falls keine Fehler in den Daten oder Analysen vorliegen, könnte dies bedeuten, dass unser Verständnis der Dunklen Energie – und vielleicht sogar des gesamten Standardmodells der Kosmologie – überarbeitet werden muss.
Falls die Dunkle Energie sich tatsächlich im Laufe der Zeit verändert, hätte dies weitreichende Auswirkungen auf das ultimative Schicksal des Universums.
Falls die Dunkle Energie mit der Zeit stärker wird, könnte das Universum einem „Big Rip“-Szenario entgegensteuern, in dem Galaxien, Sterne und sogar Atome durch die immer schneller werdende Expansion auseinandergerissen werden. Falls die Dunkle Energie hingegen schwächer wird oder sich umkehrt, könnte die Expansion schließlich verlangsamt oder sogar umgekehrt werden, was zu einem „Big Crunch“ führen würde.
Wie geht es weiter?
DESI plant, Daten von insgesamt 40 Millionen Galaxien und Quasaren zu sammeln. Die zusätzlichen Daten werden die statistische Präzision weiter verbessern und dazu beitragen, das Modell der Dunklen Energie noch genauer zu verfeinern.
Zukünftige DESI-Datenveröffentlichungen sowie unabhängige kosmologische Experimente werden entscheidend dafür sein, ob diese Hinweise tatsächlich einen fundamentalen Wandel in unserem Verständnis des Universums darstellen.
Künftige Daten könnten bestätigen, ob die Dunkle Energie sich tatsächlich verändert – oder ob die derzeitigen Hinweise lediglich eine statistische Anomalie sind. Falls sich herausstellt, dass die Dunkle Energie dynamisch ist, könnte dies neue Physik jenseits von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erfordern und den Weg für neue Modelle der Teilchenphysik und der Quantengravitation ebnen.
© Rossana Ruggeri via TheConversation.com / Creative Commons licence