Neue Methode kann interstellare Herkunft von SETI-Signalen prüfen
Berkeley (USA) – Immer dann, wenn Astronomen potenzielle intelligente Radiosignale aus dem All orten, stellt sich die Frage, ob die Radioemissionen tatsächlich aus dem All oder nicht auch von einer irdisch-technologischen Quelle wie Satelliten, Funksignalen oder gar einem nahen Mikrowellenherd stammen. Mit einer neuen Analysemethode können Astronomen und Astronominnen auf der Suche nach intelligenten Signalen nun prüfen, ob ein solches Signal tatsächlich aus dem fernen All stammt.
Auch wenn die Suche nach außerirdischer Intelligenz (Search for ExtraTerrestrial Intelligence, SETI) mittlerweile auch nach Lasersignalen oder anderen Formen sogenannter Technologie-Signaturen fahndet, so beruht ein Großteil dieser Suche noch immer auf der Suche nach Radiosignalen im Schmalbandbereich. Doch genau diese Form von SETI ist zugleich auch besonders anfällig dafür, Signale zu detektieren, die zunächst wie ein SETI-Signal erscheinen, tatsächlich aber unserer eigenen Technologie entspringen, sei es innerhalb oder auch außerhalb unserer Atmosphäre.
Wie das Team um Andrew Siemion, dem Hauptuntersucher der umfangreichsten SETI-Initiative “Breakthrough Listen” und zugleich Direktor des Berkeley SETI Research Center (BSRC) an University of California in Berkeley aktuell im Fachjournal “The Astrophysical Journal ” (DOI: 10.3847/1538-4357/acdee0) berichtet, haben sie einen Weg gefunden, potenzielle SETI-Signale daraufhin zu überprüfen, ob sie zuvor das interstellare Medium durchquert haben, bevor sie mit unseren irdischen Signalen detektiert wurden. Auf diese Weise kann nun sehr einfach überprüft werden, ob es irdischer oder außerirdischer bzw. interstellarer Herkunft ist – selbst wenn es sich nur um eine einmalige Detektion eines potenziellen SETI-Signals, wie das sogenannte „Wow!“-Signal von 1977 handelt.
Hintergrund
Es war der 15. August 1977 als Radioastronomen am Big-Ear-Teleskop an der Ohio State University (s. Abb.) ein starkes Radiosignal aus dem all empfingen. Das Signal auf 1420 Megahertz war derart stark, dass der Astronom Jerry Ehman auf dem Ausdruck der Daten schriftlich den Hinweis „Wow!“ vermerkte (s. Abb. o.).
1420 Megahertz entspricht dabei der Wellenlänge von Wasserstoffatomen von 21 Zentimetern und damit genau jener Hauptfrequenz, die von Astronomen bei der Suche nach intelligenten außerirdischen Signalen (Search for Extraterrestrial Intelligence, SETI) bevorzugt absuchen, da es sich bei Wasserstoff um das im Universum am häufigsten vorkommende Element handelt, das Energie sowohl absorbiert und aussendet und diese Frequenz zudem erdähnliche Atmosphären am einfachsten durchdringen kann.
Trotz intensiver Bemühungen blieb seither die Suche nach wiederholten Signalen der gleichen Quelle ergebnislos. Während Analysen des Signals Satelliten und eine Reflektion von der Erdoberfläche ausschließen, hoben Kritiker einer irdischen Deutung schon immer hervor, dass die Intensität des Signals während der Beobachtungsdauer von 72 Sekunden anstieg und wieder abfiel. Diese 72 Sekunden entsprechen genau der Zeitspanne, über die das „Big Ear“ aufgrund seines Sichtfeldes und der Erdrotation ein Objekt verfolgen konnte. Das Signal scheint also tatsächlich aus dem Weltraum gekommen zu sein.
“Ich denke, dass es sich hierbei um einen der wichtigsten Fortschritte für Radio-SETI seit langer Zeit handelt”, kommentiert Siemion und führt dazu weiter aus: „Es ist das erste Mal, dass wir über eine Methode verfügen, mit der wir ein potenzielles SETI-Signal von einer Radiofrequenzinterferenz unterscheiden können. Das ist besonders angesichts von einmaligen Signalen, wie ‚Wow!‘ von Bedeutung, die kein zweites Mal auftauchen und somit auch nicht durch weiterführende Beobachtungen überprüft werden können.“
Tatsächlich sei es gut möglich, dass die erste Detektion eines außerirdischen Signals, die eines einmaligen Signals sei, so der SETI-Astronom weiter. „Wenn sich ein Signal einfach nicht wiederholt, gab es bislang nicht viel, was wir tun konnten, um es weiter zu analysieren. Somit blieb die wahrscheinlichste Erklärung zwangsläufig jene, dass es sich um eine irdische Interferenz handelte. Mit der neuen Methode können wir nun feststellen, ob ein Signal das interstellare Medium (ISM) durchquert hat, und das ist ein wirklich mächtiger Vorteil.“
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Wie Bryan Brzycki, Imke de Pater und Siemion gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von der Cornell University und dem SETI Institute in ihrem Fachartikel erläutern, basiert die beschriebene Szintillation-Methode, wie sie schon bald bei zukünftigen SETI-Beobachtungskampagnen mit dem Green Bank Telescope in West Virginia oder der südafrikanischen MeerKAT-Teleskopanalage zum Einsatz kommen soll, auf charakteristischen Merkmalen eines Signals, wie sie entstehen, wenn dieses das interstellare Medium durchquert hat.
Diese Eigenschaften werden hauptsächlich von freien Elektronen im kalten Plasma des interstellaren Mediums erzeugt und verursachen mit der Zeit ein Auf- und Abfallen der Signalamplitude – die sogenannte Szintillation, eine Art Funk-Funkeln. „Das liegt daran, dass die Signale vom kalten Plasma derart leicht gebrochen bzw. gebogen werden, dass, wenn die Radiowellen dann schlussendlich die Erde auf unterschiedlichen Wegen erreichen, diese Wellen sowohl positiv als auch negativ miteinander interferieren.“ Tatsächlich erzeugt auch unsere eigene Erdatmosphäre eine solche Szintillation oder ein Funkeln im optischen Lichtspektrum von fernen Sternen, das Sternenfunkeln. (Planeten, bei denen es sich nicht um Punk-Lichtquellen handelt, funkeln übrigens aufgrund ihrer relativen Nähe in der Regel nicht bzw. derart gering, dass es visuell kaum zu erkennen ist.)
Mithilfe eines Computeralgorithmus können die Astronomen nun die Szintillation von Schmalbandsignalen analysieren und binnen weniger als einer Minute erkennen, ob ein Signal das interstellare Medium durchquert hat oder auch nicht.
Zur Anwendung soll die neue Methode vor allem bei der Suche nach Signalen genutzt werden, deren Quelle mehr als 10.000 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt, da ein potenzielles Signal dann ausreichend ISM durchquert hat, um die Szintillation in ausreichendem Maße detektieren zu können. „Signale, die aus potenziell geringeren Distanzen stammen, etwa von unserem nächsten Nachbarstern Proxima Centauri, würden diesen Effekt allerdings noch nicht aufweisen.“
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Rechercherquelle: University of California – Berkeley
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