Neue Simulationen: Umlaufbahn von Planet Nine vielleicht anders als bislang vermutet
Passadena (USA) – Zerrt ein noch unentdeckter großer Planet an transeptunischen Objekten im äußeren Kuiper-Gürtel? Zumindest erwecken deren gemeinsame Ansammlung und von der Norm abweichenden Bahnausrichtungen daraufhin. Die Erstbeschreiber des als “Planet Nine” bezeichneten, dann neunten Planeten im Sonnensystem sind von dessen Existenz überzeugt, obwohl auch sie ihren Planeten bislang noch nicht entdecken konnten. Jetzt hat das Astronomen-Duo seine Berechnungen aktualisiert und erklärt, dass die Bahn des beschriebenen Planeten anders verlaufen könnte als bislang angenommen.
Wie Konstantin Batygin und Michael Brown vom California Institute und Technology (Caltech) vorab via ArXiv.org und in einer kommenden Ausgabe der „The Astrophysical Journal Letters“ berichten, haben sie in ihren Neuberechnungen weitere Objekte mit entsprechenden Bahnabweichungen hinzugezogen. Nachdem ursprünglich sechs dieser Abweichler auf einen weiteren Planeten hindeuteten, ist deren Anzahl mittlerweile auf 19 angewachsen.
Hintergrund
Jenseits der Umlaufbahn des Neptun liegt der Kuiper-Gürtel, der aus kleinen Körpern aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems besteht. Neptun und die Riesenplaneten beeinflussen gravitativ die Objekte im Kuiper-Gürtel und darüber hinaus, die gemeinsam als Trans-Neptunian Objects, also als transneptunische Objekte (TNOs) bekannt sind, und die die Sonne auf nahezu kreisförmigen Bahnen umkreisen.Allerdings haben Astronomen einige mysteriöse Ausreißer entdeckt. Seit 2003 wurden rund 30 TNOs auf stark elliptischen Umlaufbahnen entdeckt: Sie heben sich von den anderen TNOs dadurch ab, dass sie im Durchschnitt die gleiche räumliche Orientierung haben. Diese Art von Clustering lässt sich nicht durch die bislang bekannte Architektur des Sonnensystems mit den acht bekannten Planeten erklären und führte zu verschiedenen Hypothesen, laut derer die ungewöhnlichen Bahnen durch die Existenz eines noch unbekannten neunten Planeten beeinflusst werden könnten.
Obwohl erstmals der Astronom Scott C. Sheppard die Idee von einem weiteren großen Planeten im Sonnensystem beschrieb, wurde die Theorie erst durch die Ausführungen dazu von Mike Brown und Konstantin Batygin bekannt. Auf der Grundlage neuster Berechnungen gehen Brown und Batygin davon aus, dass Planet Nine eine Masse von rund fünf Erdenmassen und eine Umlaufbahhalbachse nur von 400 Astronomischen Einheiten (AE = Abstand Erde-Sonne) besitzt. (Zuvor waren davon ausgegangen, dass P9 etwa 10 Erdenmassen auf die Wage bringen könnte und die Sonne 20 mal weiter als Neptun umkreise, was eine Halbachse von etwa 700 AE entsprechen würde. Damit wäre der Planet nicht nur kleiner und der Sonne deutlich näher, sondern auch gleichzeitig heller als lange Zeit gedacht (…GreWi berichtete).
Wie Brown und Batygin in ihren Planet-Nine-Blog berichten, haben sie sich zunächst gefragt, ob in den bisherigen Berechnungen und Simulationen vielleicht wichtige Faktoren fehlen könnten? „Tatsächlich haben wir herausgefunden, dass die Antwort auf diese Frage ‚ja‘ lautet.“
Tatsächlich gingen die bisherigen Simulationen davon aus, dass jedes Objekt, dass sich mehr als 10.000 Astronomische Einheiten (AE = Abstand Sonne-Erde) von der Sonne entfernt, für die inneren Regionen des Sonnensystems verloren ist. „Was wir aber nicht bedacht hatten ist der Umstand, dass die Sonne ja nicht isoliert von anderen Sternen entstanden ist, sondern vermutlich in einer dicht besetzten Sternentstehungswolke gemeinsam mit vielen anderen jungen Sternen entstand.“
Unter diesen Bedingungen wäre dann im jungen Sonnensystem mit großer Sicherheit ein innerer Teil der Oortschen Wolke entstanden – jene Hülle aus Fragmenten, die die Sonne in einem Abstand von 2.0000 bis 100.000 AE umgeben. Die Entstehung der Gasriesen Jupiter und Saturn hätten Trümmer nach außen in Richtung des interstellaren Raumes katapultiert. Hier wären sie jedoch von den Schwerkraftwechselwirkung naher anderer junger Sterne wieder zurück in den Einflussbereich der Sonne gedrückt worden, wo sie die Oortsche Wolke bildeten.
Tatsächlich stelle man sich die Oortsche Wolke meist als passive Region vor, so die Forscher. Die neuen Berechnungen und Simulationen zeigen nun aber, dass es innerhalb der inneren Region der Oortschen Wolke Objekte geben kann, die doch eine Wirkung ausüben.
Bezieht man in den Modellen nun aber die Existenz des angedachten „Planeten Neun“ mit ein, so verändere dies das Bild. „Aufgrund der Langzeit-Schwerkraftwirkung von Planet Nine über Jahrmillionen hinweg können einige Objekte aus der inneren Oortschen Wolke wieder in die Regionen des äußeren Sonnensystems zurückgelangen. Wenn das passiert ist, so muss man sich fragen, was mit diesen Objekten passiert ist?“
Genau diese Prozesse haben Brown und Batygin nun simuliert und dabei Störungen durch die Wechselwirkung mit den Riesenplaneten, Planet Nine, vorbeiziehenden Sternen wie auch die galaktischen Gezeitenkräfte mit einberechnet. Dabei haben sie festgestellt, dass sich derart wieder eingefangenen Objekte mit Objekten im Kuipergürtel vermischt haben könnten und so ebenfalls Teil der Ansammlung sich abweichend verhaltener Objekte im Kuiper-Gürtel sein könnten.“
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Das würde dann aber bedeuten, dass einige der abweichenden transneptunischen Objekte im Kuiper-Gürtel ursprünglich aus der inneren Region der Oortschen Wolke stammen. Eine Ansammlung dieser abweichenden Objekte wäre dann zudem schwächer ausgeprägt als jene von Objekten aus dem der Sonne näher liegenden Kuiper-Gürtel. In einem solchen Fall wäre dann auch die Umlaufbahn von “Planet Nine” noch deutlich elliptischer als zuvor angenommen (…GreWi berichtete).
Bis jedoch nicht genau bestimmt werden kann, welche der abweichenden Objekte ursprünglich aus der Oortschen Wolke stammen, sei es nur schwer möglich, die genaue Exzentrizität der Umlaufbahn des angenommenen Planeten zu bestimmen, erläutern die Astronomen. Allerdings gebe es auch eine maximale Grenze dafür, wie stark elliptisch diese bahn sein könne, bevor die Auswirkungen eines auf dieser Bahn die Sonne umkreisenden Planeten nicht mehr mit den tatsächlichen Beobachtungen übereinstimmen.
Da “Planet Nine” so oder so derart weit von der Sonne entfernt und entsprechend lichtschwach ist, dass er optisch nur schwer direkt entdeckt werden könne, seien alle Präzisierungen der Modelle zumindest dabei hilfreich, nicht an den definitiv falschen Orten nach „P9“ zu suchen und so dem Planeten doch noch aus die Spur zu kommen, zeigen sich die Astronomen abschließend zuversichtlich.
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Quelle: ArXiv.org, FindPlanetNine.blogspot.com
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