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Neue unabhängige Messung der Expansion des Universums bestärkt Forderung nach neuer Physik

Zur Messung der Hubble-Konstante wurden Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops verwendet, die weit entfernte Quasare zeigen, deren Licht von Vordergrundgalaxien umgelenkt wird. Copyright/Quelle: S. H. Suyu / TUM / MPA, K. C. Wong / Univ. Tokio; NASA; ESA
Zur Messung der Hubble-Konstante wurden Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops verwendet, die weit entfernte Quasare zeigen, deren Licht von Vordergrundgalaxien umgelenkt wird.
Copyright/Quelle: S. H. Suyu / TUM / MPA, K. C. Wong / Univ. Tokio; NASA; ESA

München (Deutschland) – Die Bestimmung der Hubble-Konstante, mit der die Ausdehnung des Universums ermittelt werden soll, stellt Physiker seit Jahren vor ein Problem: Messungen im heutigen Universum liefern andere Werte als solche in der Frühphase des Universums. Mit Hilfe kosmischer Linsen haben Physiker die Hubble-Konstante auf einem weiteren, unabhängigen Weg bestimmt und auch dieses neue Ergebnis scheint die beunruhigende Diskrepanz zu bestätigen. Möglicherweise sind nun neue Theorien – eine neuen Physik erforderlich, um die dahinter liegende Physik zu erklären.

Wie das internationale Team um Sherry Suyu, Professorin an der Technischen Universität München (TUM), Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) vorab via ArXiv.org und im Fachjournal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ berichten wird, ist das Wissen darüber, wie schnell sich das Universum ausdehnt, wichtig, um das Alter, die Größe und das Schicksal unseres Kosmos zu bestimmen. Dieses Rätsel bezeichnen nicht nur die Autoren der aktuelle Studie, als eine der größten Herausforderungen in der Astrophysik.

In ihrer Arbeit haben die Astrophysiker nun die Hubble-Konstante mit hoher Genauigkeit und völlig unabhängig von früheren Methoden bestimmt und hierzu Gravitationslinsen verwendet.

Hintergrund
Als Gravitationslinse bezeichnen Astrophysiker jenen Effekt der durch die Schwerkraft einer Vordergrundgalaxie das Licht von Hintergrundobjekten verstärkt und verzerrt, wodurch die Galaxie wie eine gewaltige Linse wirkt und Hintergrundobjekte zu ihren Seiten mehrfach ab (s. Abb.).

Für die aktuell von den Autoren beschriebenen Messungen werden als Hintergrundobjekte sogenannte Quasare verwendet – also extrem weit entfernte, aktive Schwarze Löcher, die Materie verschlucken und dabei hell leuchten, erläutert die TUM-Pressemitteilung und führt dazu weiter aus: „Abhängig von der Position des Quasars hinter der Vordergrundgalaxie muss das Licht der verschiedenen Abbilder des Quasars auf dem Weg zum Beobachter unterschiedlich lange Wege zurücklegen. Schwankungen in der Quasar-Helligkeit kommen daher zu unterschiedlichen Zeiten beim Beobachter an.“

Das Forschungsteam hat sich den Namen H0LiCOW (H0-Objektive in COSMOGRAILs Wellspring) gegeben. COSMOGRAIL ist die Abkürzung für Cosmological Monitoring of Gravitational Lenses, ein großes internationales Projekt, dessen Ziel die Überwachung von Gravitationslinsen ist. „Wellspring“ bezieht sich auf das reichliche Angebot an Quasar-Linsensystemen.

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Die H0LiCOW-Ergebnisse und andere kürzlich durchgeführte Messungen deuten nun auf eine schnellere Expansion im heutigen Universum hin, als dies aufgrund von Beobachtungen des Planck-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) über das Verhalten des Kosmos vor mehr als 13 Milliarden Jahren zu erwarten gewesen wäre.

Aus ihren Beobachtungen errechnete das H0LiCOW-Team einen Wert von 73 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec für die Hubble-Konstante (mit einer Unsicherheit von 2,4 Prozent). Damit liegen sie in der Nähe des Wertes des SH0ES-Team (Supernova H0 for the Equation of State), das mit Hilfe von variablen Cepheiden-Sternen und Supernovae die Entfernung zu erdnahen und erdfernen Galaxien bestimmt und daraus einen Wert von 74 errechnet hatte (…GreWi berichtete).

Die SH0ES- und H0LiCOW-Werte unterscheiden sich signifikant von dem mit dem Planck-Satelliten gemessenen Wert von 67 und unterstreichen damit den Widerspruch zwischen Messungen der Hubble-Konstante im heutigen Universum und dem Wert, der aufgrund von Beobachtungen des frühen Universums vorhergesagt wird.

„Während unsere ersten Ergebnisse bereits auf diesen hohen Wert für die Hubble-Konstante hindeuteten, sind wir uns jetzt deutlich sicherer, dass es tatsächlich einen systematischen Unterschied zwischen den Werten in der Früh- und Spätphase des Universums gibt“, erklärt Suyu.

Stefan Taubenberger, Teammitglied am MPA, fügt hinzu: „Unser H0LiCOW-Wert ist deutlich höher als der Planck-Wert – wissenschaftlich ausgedrückt mit mehr als 3-Sigma-Signifikanz. In Kombination mit der SH0ES-Messung steigt die Signifikanz sogar noch weiter an.“

Die Kluft zwischen den beiden Werten habe bedeutende Auswirkungen auf das Verständnis der zugrunde liegenden physikalischen Parameter und erfordere möglicherweise eine „neue Physik, um die Diskrepanz zu erklären“, erklären die Autoren.

„Dass diese Ergebnisse nicht übereinstimmen, weist darauf hin, dass wir noch nicht vollständig verstehen, wie sich Materie und Energie im Laufe der Zeit entwickelt haben, insbesondere zu frühen Zeiten“, sagt Sherry Suyu.

Seit Beginn des Projekts im Jahr 2012 hat das H0LiCOW-Team nun Hubble-Aufnahmen und Zeitverzögerungsinformationen für 10 Quasare hinter Linsengalaxien gesammelt. In Zusammenarbeit mit Forschern aus neuen Programmen wollen die Wissenschaftler nun nach neuen Linsenquasaren suchen und diese vermessen und hoffen 30 weitere derartige Systeme zu beobachten, um die Unsicherheit für die Messung der Hubble-Konstante auf ein Prozent zu reduzieren.

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Quelle: TMU

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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