Neues Antriebskonzept: Mit dem Sonnenfeuer zu neuen Welten
Princeton (USA) – Eine US-Wissenschaftlerin hat ein neues Antriebskonzept erdacht, mit dem selbst bemannte Raumschiffe sehr viel schneller zum Mars und darüber hinaus bis ins äußere Sonnensystem gelangen könnten. Das Prinzip soll Kernfusion nutzen, um ein Raumschiff deutlich schneller als mit bisherigen Raketenantrieben zu beschleunigen.
Wie Dr. Fatima Ebrahimi vom Princeton Plasma Physics Laboratory (PPPL) des US-Energieministeriums und der Princeton University in einem Artikel im „Journal of Plasma Physics“ (DOI: 10.1017/S0022377820001476) erläutert, soll der Antrieb Magnetfelder nutzen, um Partikel geladenen Gases (Plasma) aus dem hinteren Ende einer Rakete herauszuschießen und so durch die Impulserhaltung das Raumschiff vorwärts zu beschleunigen. Bisherige Plasma-Antriebe nutzen statt Magnetfeldern elektrische Felder, um die Teilchen anzutreiben.
Das neue Antriebskonzept würde die Plasmapartikel mittels sog. magnetischer Rekonnexion (Neuverbindung) beschleunigen, also mittels eines Vorgangs, dass sich überall im Universum findet, unter anderem auch auf der Oberfläche unsere Sonne, auf bzw. innerhalb der magnetische Feldlinien zusammenlaufen, sich plötzlich wieder trennen, um sich dann wieder zu vereinen und dabei enorm viel Energie produzieren.
Rekonnexion ist auch das Ziel einiger konzeptueller Kernfusionsreaktoren wie etwa den ringförmigen Tokamak-Anlagen.
Hintergrund
Fusion beschreibt jene Kraft, die auch als “Sonnen- oder Sternenfeuer“ unsere Sonne und andere Sterne antreibt und leichte Elemente in Form von Plasma, also dem heißen, geladenen Materiezustand aus freien Elektronen und Atomkernen, der 99 Prozent unseres sichtbaren Universums ausmacht und gewaltige Mengen an Energie erzeugt. Schon lange versuchen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Kernfusion unter kontrollierten Bedingungen auf der Erde zu erreichen, um damit eine nahezu Schadstoff-frei wie unerschöpfliche Energiequelle nutzen zu können.
“Mir kam die Idee 2017, als ich über die Ähnlichkeiten zwischen einem Autoauspuff und den mit enorm hohen Geschwindigkeiten am National Spherical Torus (Tokamak) Experiment (NSTX) austretenden Partikeln nachdachte”, erinnert sich die Wissenschaftlerin.
Die Tokamak-Anlage des PPPL erzeugt magnetische Blasen (sog. Plasmoide), die sich mit rund 20 Kilometern pro Sekunde fortbewegen. “Das erschien mir doch eine ganze Menge potenzieller Schubkraft.”
Während derzeitige Plasma-Antriebe elektrische Felder nutzen, um die Partikel anzutreiben und deshalb nur einen geringen spezifischen Impulsschub und entsprechende Geschwindigkeiten erzeugen können, zeigen erste Computersimulationen des PPPL, dass Ebrahimis Konzept genügend Schubkraft erreichen könnte, um Geschwindigkeiten von Hunderten von Kilometern pro Sekunde zu erzeugen. Das entspräche dann dem bis zu Zehnfachen anderer bisheriger Antriebe.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen und kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Eine derart höhere Antriebsgeschwindigkeit schon von Beginn der Raumreise könnte nicht nur den Mars, sondern auch die äußeren Planeten im Sonnensystem selbst für Astronauten bringen.
„Mit bisherigen Konzepten würden derartige Langstreckenreisen Monate und Jahre dauern, da der spezifische Impuls von Raketenantrieben sehr gering ist und es entsprechend lange dauert, ein Raumschiff auf die notwendige Geschwindigkeit zu bringen“, erläutert die Forscherin. „Mit Antrieben auf der Grundlage magnetischer Rekonnexion, könnten Langstreckenflüge in deutlich kürzerer Zeit durchgeführt werden.“
Im Vergleich zu bisherigen Antrieben weist Ebrahimis Konzept hauptsächlich drei Unterschiede auf: „Zunächst kann durch die Veränderung der Stärke der Magnetfelder auch die Schubmenge gesteigert oder gedrosselt werden. Durch die Nutzung von mehr Elektromagneten und mehr magnetischer Felder kann man im Prinzip sogar einen Feinabstimmer für die gewünschte Geschwindigkeit erstellen.“ Hinzu erzeuge der Antrieb Bewegung, indem er sowohl Plasmapartikel als auch Plasmoide ausstößt, die wiederum zusätzliche Antriebskraft liefern, wie dies andere Konzepte nicht können. Drittens erlaubt es das Konzept, entweder schwerere oder leichte Atome zu nutzen. Auf diese Weise könne eigentlich jede Art von Gas als Treibstoff verwendet werden.“
Nach den Computersimulationen soll ein nächster Schritt der Bau eines realen Prototypen sein.
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Rätsel um NASA-Erfolg bei Kalter Fusion 20. Oktober 2020
US-Verteidigungskomitee offenbart US-Geheimdienstinformationen zur Kalten Fusion 15. Mai 2015
E-Cat-Reaktor: Ergebnisse dritter unabhängiger Testreihe zu Kalter Kernfusion veröffentlicht 10. Oktober 2014
Fusionsreaktor Wendelstein 7-X zündet erstes Wasserstoff-Plasma 4. Februar 2016
Quelle: PPPL
© grenzwissenschaft-aktuell.de