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Neues Buch über die Wandlungen des Flugscheiben-Mythos: „Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO“

Titelumschlag "Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO" Copyright/Quelle: www.schoeningh.de
Titelumschlag „Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO
Copyright/Quelle: www.schoeningh.de

Berlin (Deutschland) – Bücher über Fliegende Untertassen deutscher Herkunft gibt es schon einige. Meist kolportieren diese die angebliche Realität reichsdeutscher Flugscheiben als Ursprung des UFO-Phänomens. Jetzt hat sich ein Historiker den Wandlungen den Flugscheiben-Mythos nach dem Zweiten Weltkrieg angenommen. Sein Buch dazu erschien jüngst in einem traditionsreichen wissenschafts-historischen Verlag.

– Bei der folgenden Rezension handelt es sich um einen GreWi-Gastbeitrag von Dr. Ralf Bülow.

Am 24. Juni 1947 sah ein amerikanischer Pilot neun flache Gebilde über dem Bundesstaat Washington: die „Fliegenden Untertassen“ waren geboren. Am 29. März 1950 schrieb der damals in Hannover sitzende SPIEGEL, dass solche Objekte im Zweiten Weltkrieg und auf Erden erfunden wurden, vom Ingenieur-Professor Giuseppe Beluzzo und dem Flugzeugtechniker Rudolf Schriever. Der Mythos von den deutschen Flugscheiben war geboren, und begleitet uns bis heute.

Das kürzlich erschienene Buch widmet sich nun der Geburt und der Entwicklung dieses Mythos. Es stammt vom 1958 geborenen Gerhard Wiechmann, der sich gerade in der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg im Fach Geschichte habilitiert. „Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO“ ist weder eine Enzyklopädie noch eine Technikhistorie; es betrachtet laut Untertitel „die Metamorphosen eines medialen Phantoms von 1950 bis 2020“. Wobei das Adjektiv natürlich nicht die Medien des Spiritismus meint, sondern Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Internet.

Gerhard Wiechmann
Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO: Metamorphosen eines medialen Phantoms 1950-2020
Brill | Schöningh, Mai 2022, (ISBN: 978-3506787422), 186 Seiten, 39,90 €

Wiechmann bringt keine sensationellen Enthüllungen, er zeigt vor allem, wie die Legende der Reichsflugscheiben wuchs und gedieh. Sein Buch gliedert sich in fünf Kapitel.: Die „Anfänge“ führen ins Thema und in die Frühgeschichte der Fliegenden Untertassen ein. Protagonisten sind der ungarisch-argentinische Journalist Ladislao Szabó, der Vater des Neuschwabenland-Glaubens, und der amerikanische Autor und UFO-Forscher Donald Keyhoe. Der Abschnitt „Deutsche Flugkreisel und Flugscheiben in der Presse“ schildert den Start des Mythos in den frühen 1950er Jahren. Hier treffen wir die bekannten Namen wie Guiseppe Beluzzo, Rudolf Schriever oder Richard Miethe und den umtriebigen Oberingenieur Klein alias Georg Sautier.

Das dritte Kapitel erläutert „Die Entwicklung der Flugscheibenlegende“ von 1956 bis 1970 und ihr Eindringen in seriöse Publikationen sowie ins Fernsehen. Es stellt auch den nächsten „Prominenten“ vor, nämlich Joseph Andreas Epp (1914-1997), den Erfinder des Omega-Diskus. Kapitel 4 mit dem Titel „Metamorphosen“ führt den Mythos bis in unsere Zeit. Gerhard Wiechmann konfrontiert Epp mit dem Archivar und Modellbau-Experten Hans Justus Meier (1912-2003), der sich viel Mühe gab, die Flugscheiben wissenschaftlich zu widerlegen. Eine Nebenrolle spielt der deutsch-kanadische Neonazi Ernst Zündel (1939-2017). Der kurze Schlussabschnitt beleuchtet die jüngsten Formen des Mythos einschließlich des Spielfilms „Iron Sky“. Gerhard Wiechmann nennt auch die Vril-Haunebu-Scheiben aus den 1980er Jahren, zu denen er aber keine Details ermittelte. Ihre genaue Herkunft ist noch ein Rätsel.

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Die fünf Kapitel füllen 158 Seiten, es folgen dann fünfzehn Seiten mit der Literaturliste und dem Personenverzeichnis. Die Botschaft ist klar: deutsche Flugscheiben gab es keine. Das Buch ist relativ kompakt, dazu flott geschrieben und exzellent illustriert, kurz, ich (R. Bülow) kann Kauf und Lektüre empfehlen. Vermisst haben ich nähere Angaben zu Viktor Schauberger, zu dem ein eigener Mythos entstand, und die drei Thule-Romane von Wilhelm Landig; letztere hätten durchaus in eine Mediengeschichte der Nazi-UFOs gepasst. Gerhard Wiechmann erwähnt auch die nicht erteilten Omega-Diskus-Patente von Joseph Andreas Epp und Klaus-Peter Rothkugel. In diesem Felde gäbe es noch einiges zu entdecken, etwa die Patentanmeldungen von Bruno Schwenteit aus den Siebzigern und ihre Verbreitung in der Flugscheiben-Szene.

Am Ende bleibt die Frage, wie endgültig „Von der deutschen Flugscheibe zum Nazi-UFO“ ist. Könnte es nicht sein, dass doch einmal ein Bauplan aus der Kriegs- oder Vorkriegszeit auftaucht? Bis heute ungeklärt ist der Bericht von einem scheibenähnlichen Gefährt, das im August oder September 1943 auf dem Flugplatz Prag-Gbell gesehen wurde. Jenen Bericht veröffentlichte der oben zitierte Hans Justus Meier in Heft 2/1989 der Zeitschrift „Flugzeug“ – er hat also nicht nur die Flugscheiben kritisiert. Es wäre schön, wenn das Buch von Gerhard Wiechmann  weitere historische Forschungen anregen würde.

GreWi-Herausgeber Andreas Müller meint:
Wiechmanns Buch ist ein gelungener Beitrag zur Aufarbeitung und Bearbeitung des Flugscheiben-Mythos. Mir persönlich fehlt allerdings ein Blick auf die eigentliche, hinter dem Nachkriegs-Mythos stehende Frage, was die historischen Quellen über den Ursprung des Mythos über reichdeutsche Flugscheibenentwicklungen sagen.

Auch diese Frage kann und muss wissenschaftlich-historisch gestellt und bearbeitet werden. In meinem eigenen Buch „Deutschlands UFO-Akten“ widme ich Kapitel 5 genau dieser Frage und stelle fest, dass es hierzu bis heute keine belastbaren Quellen oder unterstützenden Aussagen jener Personen gab und gibt, die es hätten wissen müssen. Im Gegenteil, Wissenschaftler und Ingenieure, die im Dienst des Dritten Reichs standen, verneinen die Entwicklung, Existenz und Erprobung von unkonventionellen Flugscheiben. Dazu gehören Fritz Hahn, Herman Oberth, Wernher von Braun oder Walter Riedel. Zwar entgeht Wiechmann dieser Diskussion, indem er seinen Fokus und Arbeit zeitlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg beginnen lässt (1950-2020), doch erscheint mir gerade auch ein wissenscahftliches Fachbuch zum Thema ohne, dass diese Frage auch nur kurz gestellt und bestenfalls beantwortet wird, leider unvollständig.

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Andreas Müller
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