Greenbelt (USA) – Gaben bislang lediglich unerwartete Anstiege im atmosphärischen Methangehalt auf dem Mars den Wissenschaftlern Rätsel auf, so gesellt sich nun ein weiteres Mysterium hinzu: An seinem Arbeitsort, dem Mars-Krater Gale, hat der NASA-Rover „Curiosity“ nun auch jahreszeitlich starke Schwankungen im Sauerstoffgehalt der dünnen Marsatmosphäre gemessen. Wie schon Methan, so gehört auch Sauerstoff zu potentiellen Hinweisen auf aktives Mars-Leben. Es könnte aber ebenfalls auch durch nonbiologische Prozesse entstehen und freigesetzt werden.
Wie das Team um Melissa Trainer vom Goddard Space Flight Center der NASA aktuell im „Journal of Geophysical Research: Planets“ (DOI: 10.1029/2019JE006175) berichtet, stiegen in den vergangenen drei Mars-Frühjahren und -Sommern die Sauerstoffwerte um bis 30 Prozent und damit deutlich über jene Menge hinaus an, die anhand bereits bekannter Prozesse und Phänomene auf dem Roten Planeten erklärt werden können. Wie dieser Sauerstoff wo entsteht und warum er im Mars-Herbst dann auch wieder auf die zu erwartenden Normalwerte absinkt, ist bislang unbekannt. Allerdings sprechen die sich wiederholenden, wenn auch in Intensität variierenden jahreszeitlichen Muster dafür, dass irgendetwas den gemessenen Sauerstoff im Frühjahr erzeugt und im Herbst damit aufhört oder das Gas der Atmosphäre wieder entzieht.
Wie schon angesichts des Mars-Methans in der Atmosphäre, dessen Anteile von kaum nachweisbar und bis zu 21 Teilen pro Milliarde (ppb) variieren, so sind auch die nun vorgelegten Sauerstoffwerte der vergangenen drei Marsjahre (was etwa 6 Erdenjahren entspricht) nicht alleine durch saisonale Schwankungen und ebenso wenig zu erklären wie die Frage, woher das Gas eigentlich stammt.
Hintergrund: Auch Mars-Methan gibt weitere Rätsel auf
Aktuell vermeldet auch die europäische Raumfahrtagentur ESA ein weiteres Puzzleteil im andauernden Rätsel um potentielle Biomarker auf dem Mars. Während „Curiosity“ den letzten ungewöhnlichen Anstieg der Methan-Werte im vergangenen Juni messen konnte (…GreWi berichtete), konnte die Orbitalsonde „Mars Express“, die den Gale-Krater kurz nach den Curiosity-Messungen überflogen hatte, keine, geschweige denn gestiegene Methanwerte mehr messen.Wie die ESA aktuell berichtet, passierte “Mars Express” den Ort bei Tage, rund fünf Stunden nach der nächtlichen Curiosity-Messung, obwohl der Satellit eigentlich bis auf Bodenniveau messen kann. Auch die von der Sonde einen Tag zuvor durchgeführten Messungen zeigten keine Methan-Signaturen, während die Curiosity-Werte im Laufe der folgenden Tage ebenfalls wieder abfielen.
Auch der russisch-europäische Spurengas-Satellit “Trace Gas Orbiter” (TGO), der Gale einige Tage später passierte, konnte keine auffallenden Werte feststellen.
Schaubild: Auf diese Arten könnte Methan auf dem Mars entstehen und wieder vergehen (Illu.).
Quelle/Copyright: ESA„Wenn wir alle Messungen zusammen nehmen, so legt das Ergebnis nahe, dass der jüngste von Curiosity gemessene Methan-Anstieg sehr kurzlebig war, sodas er weniger als einen Mars-Tag nachweisbar war“, erläutert der Hauptuntersucher des für die Methanmessungen zuständigen „Planetary Fourier Spectrometer“ an Bord von „Mars Express“, Marco Giuranna. „Curiosity hat das Methan des Nachts gemessen. Wenn es auch zu dieser Zeit abgegeben wurde, so würden wir erwarten, dass es in Oberflächennähe bis zum Sonnenaufgang gebunden wurde und sich erst dann schnell verflüchtigte. In einem solchen Fall hätte es dann nicht mehr von TGO oder Mars Express detektiert werden können.“
Um den abrupten O2-Anstieg etwa durch in der Atmosphäre aufgespaltene CO2- oder Wasser-Moleküle (H2O) zu erklären, müsste die Atmosphäre über dem Gale-Krater im Frühjahr in etwa über das das Fünffache an Wasser verfügen als sie dies tatsächlich tut, während CO2 zu langsam zerfällt, um die abrupten Anstiege zu erklären. Auch der Rückgang der Werte im Mars-Herbst lasse sich nicht alleine durch die Sonneneinstrahlung und das Fortreißen der Moleküle ins All erklären. Ein solcher Vorgang müsste 10 Jahre andauern, um genügend Sauerstoff aus der Marsatmosphäre zu entfernen. Auch könnte hochenergetische Strahlung im Boden zusätzliches O2 entstehen lassen, doch würde es rund eine Million Jahre dauern, um im Marsboden genügend Sauerstoff anzusammeln, um so für die im Mars-Frühjahr steigenden Werte verantwortlich zu sein.
Angesichts der ebenfalls immer noch rätselhaften und ebenso jahreszeitlich schwankenden Methan-Werte in der Marsatmosphäre, fragen sich die Wissenschaftler um Trainer, ob nicht ähnliche chemische Vorgänge auch für die Schwankungen der Sauerstoffwerte verantwortlich sein könnten: „Wir fangen an, eine interessante Übereinstimmung zwischen den Messwerten des Methans und des Sauerstoffs während eines Großteil des Marsjahres zu sehen. Da scheint es also eine Gemeinsamkeit zu geben. Nur welche, das weiß bislang noch niemand.“
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Angesichts der Vermutung, das Gas könnte von Organismen freigesetzt werden, zeigen sich die Forscher bislang allerdings noch zurückhaltend und verweisen darauf, dass Sauerstoff – ähnlich wie auch Methan – sowohl durch geochemische wie auch durch biologische Prozesse erzeugt werden kann. Das Problem: Curiositys Instrumente sind für eine Unterscheidung zwischen den beiden möglichen Ursprüngen Methan und Sauerstoff nicht ausgerüstet.
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Quelle: NASA
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