Neues Modell für Fontänen-Quellen auf Jupitermond Europa
Stanford (USA) – Fontänen aus Wassereis und Dampf, die aus Rissen und Spalten des kilometerdicken Eispanzers des Jupitermondes Europa ins All schießen, galten bislang als Fenster in den unter dem Eis verborgenen flüssigen Salzwasserozean des Mondes. Neue Modelle stellen nun allerdings auch eine andere Quelle der geysirartigen Eruptionen. Diese könnte die Hoffnungen mindern, über die Fontänen den vielleicht sogar Leben beherbergenden Ozean direkt zu beproben.
Wie das Team um die Astrobiologen Gregor Steinbrügge und Danielle Torrent Tucker von der Stanford University aktuell im Fachjournal „Geophysical Research Letters“ (DOI: 10.1029/2020GL090797) berichtet, könnten die Geysire auch aus sehr viel dichter unter der Eisoberfläche lagernden Wassertaschen entspringen.
Anhand von Aufnahmen der NASA-Sonde „Galileo“ haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Modell entwickelt, laut dem eine Kombination aus Einfrieren und Drucklast zu Ausbrüchen von Eisschlammvulkanen, sogenanntem Kryovulkanismus oder auch zu Wasserstößen führen kann.
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Sollten die Europa-Fontänen also solchen Taschen und nicht dem verborgenen Ozean entspringen, hätte dies auch Konsequenzen für die bisherigen Hoffnungen, den Ozean statt mit aufwendigen Bohr-Tauch-Sonden zunächst indirekt durch die Wassereis-Fontänen untersuchen zu können, so wie es etwa die von der NASA angedachte Mission „Europa-Clipper“ durchführen soll (…GreWi berichtete).
Würde das Wasser allerdings aus den Taschen im Eispanzer stammen, so wäre es vermutlich wesentlich weniger lebensfreundlich, da es innerhalb dieser Wassertaschen sehr viel schwieriger wäre, die chemische Energie aufrechtzuerhalten, die es braucht, damit Leben darin entstehen und gedeihen könnte. „Es ist sehr wichtig zu verstehen, woher diese Wasserfahnen kommen, um so zu wissen, ob zukünftige Europa-Sonden anhand dieser Fontänen die Möglichkeit haben könnten, Leben auf Europa schon aus dem Weltraum zu entdecken, ohne den Ozean direkt zu untersuchen“, erläutert Steinbrügge.
Bei ihren Analysen konzentrierten sich die Forschenden auf den mehrere Millionen Jahre alten und rund 30 Kilometer durchmessenden Europa-Krater „Manannán“, da derartige Kollisionen, wie sie einst auch diesen Krater geschlagen haben, große Wärme erzeugen.
Das neue Modell zeigt, wie das Schmelzen und anschließende Einfrieren einer Wassertasche im Eispanzer zum Ausbruch des Wassers führen kann. Das Modell beschreibt, dass bei der Umwandlung von Europas Wasser in Eis in den späteren Phasen des Aufpralls Wassertaschen mit erhöhtem Salzgehalt in der Mondoberfläche entstehen könnten. Darüber hinaus könnten diese Salzwassertaschen seitwärts durch die Eiskruste Europas wandern, indem benachbarte Regionen mit weniger Brack-Eis aufgeschmolzen und dadurch noch salziger werden.
„Wir haben einen Weg entwickelt, wie sich eine Wassertasche seitlich bewegen kann“, sagte Steinbrügge. „Eine solche Tasche kann sich entlang thermischer Gradienten von kalt nach warm bewegen, und zwar nicht nur in schwerkraftbedingter Abwärtsrichtung.
Weiterhin sagt das neue Modell voraus, dass eine derart wandernde Salzwasser- bzw. Soletasche, wenn diese das Zentrum des Manannán-Kraters erreicht hätte, hier zu Stillstand gekommen wäre und sich schließlich durch entstehenden Druck auf die Tasche in einer Fontänenfahne entladen hätte, die schätzungsweise über eine 1,6 Kilometer hoch aufschoss.
Tatsächlich findet sich im Innern des Kraters auch ein spinnenförmiger dunkler Abdruck, wie er für die beschriebenen Geysire charakteristisch wäre (s. Abb. l.; Copyright: Steinbrügge et al, NASA/JPL). „Auch wenn dadurch die Fontänen keinen direkten Einblick in den Ozean Europas gewähren, deuten unsere Ergebnisse daraufhin, dass die Eiskruste Europas selbst sehr dynamisch ist“, so die Autoren und Autorinnen der Studie. „Die relativ geringe Größe der Fontänenfahne, die sich in Manannán gebildet hatte, deutet zugleich aber darauf hin, dass Einschlagkrater die Quelle anderer größerer Fontänen auf Europa, wie sie mit dem Weltraumteleskop ‚Hubble‘ beobachtet wurden, wahrscheinlich nicht erklären können.“ Hier bestehe weiterhin die Möglichkeit, dass diese großen Ausbrüche direkt aus dem Ozean entspringen.
Zugleich könnte der für den Manannán-Ausbruch modellierte Prozess aber auch auf anderen eisigen Körpern stattfinden – und dies auch ohne ein Aufprallereignis: „Die Migration von Soletaschen ist nicht nur auf Europas Krater anwendbar“, erläutert die Mitautorin der Studie Joana Voigt von der University of Arizona. „Stattdessen könnte der Mechanismus Erklärungen für andere Eiskörper liefern, bei denen Wärmegradienten existieren.“
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Quelle: Stanford University
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