Neuro-Messungen zeigen: Auch Krabben spüren Schmerz
Göteborg (Schweden) – Messungen der Gehirnaktivität zum Schmerzempfinden von Strandkrabben widersprechen bisherigen Vorstellungen vom angeblich schmerzfreien Krebstieren.
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Statt über kein Schmerzempfinden zu verfügen, zeigen die EEG-ähnlichen Messungen durch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Universität Göteborg erstmals, dass schmerzhafte Reize zum Gehirn von Strandkrabben geleitet werden. „Dies liefert weitere Beweise dafür, dass Krebstiere Schmerzen empfinden können. EEG-ähnliche Messungen zeigen deutliche neuronale Reaktionen im Gehirn der Krebstiere während mechanischer oder chemischer Stimulation.“
EU-Tierschutzrecht ist unzureichend
Wie das Team um Eleftherios Kasiouras aktuell im Fachjournal „Biology“ (DOI: 10.3390/biology13110851) berichtet, fallen sogenannte dekapode Krebstiere, zu denen Schalentiere wie Garnelen, Hummer, Krabben und Flusskrebse, die sowohl wild gefangen als auch gezüchtet werden, nicht unter das EU-Tierschutzrecht. „Dies aber könnte sich aus gutem Grund bald ändern.“
„Wenn wir weiterhin Schalentiere essen wollen, müssen wir schmerzärmere Methoden finden, sie zu töten. Denn wir haben nun wissenschaftliche Beweise dafür, dass sie Schmerz empfinden und darauf reagieren“, sagt die beteiligte Zoophysiologin Lynne Sneddon.
Schon zuvor konnte in Versuchen gezeigt werden, dass Krebse auf mechanische Einwirkungen, elektrische Schocks oder Säureeinwirkungen auf weiche Gewebe wie die Antennen reagieren, indem sie die betroffene Stelle berühren oder die Gefahr meiden. Schon diese Beobachtungen führten zu der Annahme, dass auch diese Tiere Schmerz empfinden.
Neuro-Messungen bestätigen Schmerzempfinden
Die Untersuchungen an der Universität Göteborg sind nun die ersten, die neurobiologische Studien durchgeführt haben, indem sie die Gehirnaktivität von Strandkrabben mittels EEG-ähnlicher Messungen analysierten.
„Wir konnten sehen, dass Krabben über Schmerzrezeptoren in ihrem Weichgewebe verfügen, da wir eine erhöhte Gehirnaktivität verzeichneten, wenn wir eine potenziell schmerzhafte Chemikalie, wie Essig, auf das Weichgewebe der Krabbe auftrugen. Dasselbe geschah, als wir Druck auf verschiedene Körperteile der Krabbe ausübten“, erklärt Kasiouras.
Die Reaktionen zeigen demnach, dass Strandkrabben Signale über Schmerzreize aus diesen Körperteilen an ihr Gehirn senden können. Die Schmerzreaktionen waren bei physischem Stress kürzer und intensiver als bei länger anhaltendem chemischem Stress.
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Hintergrund
Schon in früheren Untersuchungen konnte der Mythos von angeblich schmerzunempfindlichen Fischen eindeutig wiederlegt werden (…GreWi berichtete). Selbst Insekten scheinen, obwohl sie nur über ein wesentlich einfacher strukturierteres zentrales Nervensystem und nur über einen vergleichsweise geringen Anteil von Hirnzellen verfügen, Schmerzen empfinden zu können (…GreWi berichtete). Auch hier fordern Forschende ein Umdenken im Umgang mit den Tieren, deren Zucht und Schlachtung.
Forderung nach humaneren Methoden
„Alle Tiere benötigen ein Schmerzsystem, um Gefahren zu meiden. Ich denke nicht, dass wir alle Krebstierarten testen müssen, da sie eine ähnliche Struktur und somit vergleichbare Nervensysteme haben. Wir können annehmen, dass auch Garnelen, Flusskrebse und Hummer schmerzhafte Reize an ihr Gehirn senden und diese verarbeiten können“, sagt Kasiouras.
Die Forscher betonen, dass humanere Methoden zum Umgang mit und Töten von Krebstieren erforderlich sind. Derzeit ist es erlaubt, Krebstiere bei lebendigem Leib zu zerteilen – anders als bei Säugetieren, die wir essen. „Wir brauchen mehr Forschung, um schmerzärmere Tötungsmethoden für Schalentiere zu entwickeln“, fügt Sneddon abschließend hinzu.
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Recherchequelle: Universität Göteborg
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