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Ötzi: Geschichte der Eismumie muss umgeschrieben werden

Untersuchung an der Eismumie des „Mannes aus dem Eis“ (Ötzi).Copyright: Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/ Samadelli/Staschitz
Untersuchung an der Eismumie des „Mannes aus dem Eis“ (Ötzi).
Copyright: Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/ Samadelli/Staschitz

Wien (Östereich) – Die 5.300 Jahre alte Eismumie des allgemein als „Ötzi“ bekannten Mannes aus der Jungsteinzeit gehört zu den ältesten und am besten erhaltenen Mumien weltweit. 31 Jahre nach dem sensationellen Fund in den namensgebenden Ötztaler Alpen kommt eine neue Studie nun zu dem Befund, dass die ursprüngliche Erklärung dafür, wie der Körper erhalten wurde, sich nicht mehr mit den aktuellen Untersuchungsergebnissen deckt.

Wie das internationale Team aus Archäologen und Archäologinnen gemeinsam mit Glaziologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dem Archäologischen Dienst des Kantons Graubünden, der Norwegian University of Science and Technology, der Universität Bergen und der Oppland County Administration aktuell im Fachjournal „The Holcone“ (DOI: 10.1177/09596836221126133) berichtet, halte die ursprüngliche Erklärung dafür, dass und wie die Mumie so lange erhalten bleiben könnte, den neusten Ergebnissen und Erkenntnissen nicht stand. „Die offizielle Geschichte von Ötzi muss wohl umgeschrieben werden“, attestiert die ÖAW-Pressemitteilung.

Der Oberkörper Ötzis, so wie er am 19. September 1991 am Tiesenjoch aus dem Eis ragte.Copyright: Helmut Simon/ Erika Simon
Der Oberkörper Ötzis, so wie er am 19. September 1991 am Tiesenjoch aus dem Eis ragte.
Copyright: Helmut Simon/ Erika Simon

Ursprünglich hatte der österreichische Archäologe Konrad Spindler vermutet, dass „Ötzi“ im Herbst mit beschädigter Ausrüstung auf den Pass geflohen und dann in der schneefreien Schlucht, in der später dann seine Mumie und Gegenstände gefunden wurden, erfroren war. „Der Körper und die dazugehörenden Überreste wurden danach schnell von Eis bedeckt und ruhten später unter einem sich bewegenden Gletscher, bis die Fundstücke 1991 wieder abschmolzen.“ Hinzu wurde Konservierung der Mumie als Beleg für eine plötzliche Abkühlung des Klimas um die Zeit von Ötzis Tod herangezogen. „Ötzi war bei seiner Entdeckung ein überraschender und merkwürdiger Fund, aus dem man viel über die Geschichte des Menschen im Hochgebirge gelernt hat. Heute können wir aus dem Fund viel über den Klimawandel lernen“, sagt Andrea Fischer, Glaziologin am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung der ÖAW.

Zu den wichtigsten Ergebnissen der neuen Studie zählt nun die Erkenntnis, dass „Ötzi“ nicht im Herbst, sondern im frühen Frühling oder Sommer auf dem Schnee starb. „Die Mumie und die Artefakte sind erst später in die Vertiefung geschmolzen, in der er gefunden wurde“, so die Autoren und Autorinnen der neuen Studie. „Er ist also nicht dort gestorben. Ötzi und seine Artefakte wurden in den 1.500 Jahren nach seinem Tod und vielleicht sogar noch später immer wieder durch Schmelzprozesse freigelegt. Er wurde nicht, wie bisher angenommen, sofort und dauerhaft unter Eis begraben.“

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Auch eine Neubewertung der Schäden an Ötzis Ausrüstung zeigen, dass diese Artefakten ähneln, die an anderen nacheiszeitlichen archäologischen Stätten gefunden wurden. „Das bedeutet, sie sind wahrscheinlich auf natürliche Prozesse an der Fundstelle zurückzuführen und nicht auf einen Konflikt oder Kampf.“ Hingegen zeige die Geschichte des Eises an der Fundstelle, „dass es entgegen den Behauptungen in der wissenschaftlichen Literatur unwahrscheinlich ist, dass sich dort nach dem Tod von Ötzi ein Gletscher bewegt hat.“

Blick durch das Vitrinenfenster zur Kühlzelle des Mannes aus dem Eis.Copyright: Südtiroler Archäologiemuseum/Ochsenreiter
Blick durch das Vitrinenfenster zur Kühlzelle des Mannes aus dem Eis.
Copyright: Südtiroler Archäologiemuseum/Ochsenreiter

Hinzu sehen die Forschenden mittlerweile keine eindeutigen Beweise mehr für eine plötzliche und drastische Abkühlung des Klimas zum Zeitpunkt von Ötzis Tod.

„Wir verstehen jetzt besser, wie hochgelegene Eisfelder archäologische Stätten und Funde beeinflussen“, so ÖAW-Glaziologin Fischer. „Seit der Entdeckung von Ötzi Anfang der 1990er Jahre hat sich sowohl die Gletscherarchäologie als auch das gletscherkundliche Wissen um Fundstellen stark weiterentwickelt.“

Durch diese Neubewertung stehe der Ötzi-Fund nun in Einklang mit den normalen Fundumständen für holozäne archäologische Funde. Vor diesem Hintergrund sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Chancen dafür, dass durch das fortwährenden Abschmelzen der Gletscher schon bald weitere Eismumien zu Tage treten besser als bislang angenommen, schließlich seien für die Erhaltung eines solchen Fundes keine Naturkatastrophen, wie eine plötzliche Abkühlung des Klimas, erforderlich.

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Recherchequelle: ÖAW

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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(Kornkreisforscher)

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