Echtfarbversion einer Cassini-Aufnahme der Wassereisfontänen am Südpol des Saturnmondes Enceladus.
Copyright: NASA/JPL-Caltech/SSI/Kevin M. Gill
Nantes (Frankreich) – Gewaltige Fontänen am Südpol des Saturnmondes Enceladus, verraten einen darunter verborgenen ausgedehnten Ozean flüssigen Wassers. Vorausgesetzt der Mond besitzt einen porösen Kern, so würden auch die auf Enceladus einwirkenden Gezeitenkräfte stark genug, um für mehrere Milliarden Jahre hydrothermale Aktivität am Grunde dieses Ozean aufrecht zu erhalten. Ausreichend Zeit also für die Entstehung und Evolution von Leben im Saturnsystem. Ein neues Instrument soll zudem schon bald im Wasser der Enceladus-Fontänen nach Signaturen von Leben suchen.
Wie Astronomen um Gaël Choblet von der Université de Nantes aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI. 10.1038/s41550-017-0289-8) berichten, sprechen die Daten der im September beendeten Cassini-Mission, für einen Salzwasserozean unter der 20-25 Kilometer dicken Eisschicht, die sich über der Südpolregion jedoch auf nur noch 5-1 Kilometer verdünnt und das Wasser hier durch Spalten und Risse mit hohem Druck an die Oberfläche gepresst wird.
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Schon zuvor konnte die Cassini-Sonde mit Salzen und Kieselsäure Bestandteile des Ozeanwassers identifizieren, die daraufhin deuten, dass es sich bei der Quelle um mindesten 90 Grad Celsius heißes Wasser handelt, das mit dem Grundgestein eines porösen Kerns interagiert. (…GreWi berichtete).
Hintergrund
NASA will mit hochsensiblem Instrument Zusammensetzung der Enceladus-Geysire analysieren und Leben darin suchenNASA-Ingenieure haben Pläne für ein hochsensibles neues Radioinstrument vorgestellt, mit dem sie die chemische Zusammensetzung der Enceladus-Geysire noch genauer analysieren wollen. Anhand dieser Daten erhoffen sich die Wissenschaftler dann auch konkrete Rückschlüsse auf mögliches Leben im Ozean des Saturnmondes ziehen zu können.
So stellen sich die NASA-Wissenschaftler das Innere von Enceladus auf der Grundlage der Cassini-Daten vor (Illu.).
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Copyright: NASA/JPL-Caltech/Southwest Research InstituteWie das Team um Gordon Chin vom Goddard Space Flight Center der NASA berichtet, handelt es sich um bei dem „Submillimeter Enceladus Life Fundamentals Instrument“ (SELFIE) um ein Fernmess-Instrument, dessen Fähigkeit weit übe die derzeitiger Instrumente herausragen soll.
„Der Submillimeterbereich des hochfrequenten Radiospektrums ermöglicht es uns, die Quantität zahlreicher unterschiedlichr Moleküle in kalten Gasen zu bestimmen“, so Chin. „Wir können auf diese Weise die Enceladus-Fontänen scannen und so bestimmen, was da alles aus dem Innern des Mondes herauskommt. (…) Wasserdampf und andere Moleküle können uns viel über die chemische Zusammensetzung des Ozeans verraten und uns die besten Orte aufzeigen, um für noch genauere Messungen eine Sonde genau durch diese Fontänen zu steuern.“
Für SELFIE stellen Moleküle (u.a. von Wasser und Kohlenmonoxid) eine Art „kleiner Radiosender dar, die auf ganz bestimmten Frequenzen senden und uns sagen, ‚hallo ich bin da und ich bin Wasser‘. SELFIE sucht nun nach diesen ‚Sendern‘ und kann mittels einer Spektralanalyse genau deren Menge bestimmen und analysieren, um was es sich handelt, und um was nicht“, erklärt der Chefingenieur Paul Racette.
Auf diese Weise soll SELFIE zeitgleich 12 Molekülarten orten und analysieren können, darunter Wasser in verschiedenen isotopischen Formen, wie auch Methanol, Ammoniak, Ozon, Wasserstoffperoxid, Schwefeldioxid und Natriumchlorid (Kochsalz).
Auf der Grundlage dieser Beobachtungen haben die Forscher berechnet, dass es auf Enceladus eine gewaltige Wärmequelle geben muss, die 100 mal mehr Wärme erzeugt, als diese etwa durch den natürlichen Zerfall radioaktiver Elemente im Kern des Mondes erzeugt werden könnte.
Somit bleiben als Wärmequelle nur noch die Gezeitenkräfte des Saturns, die aufgrund der elliptischen Umlaufbahn von Enceladus um Saturn unterschiedlich stark wirken und die Eiskruste verformen. Doch auch die Reibung der Eiskruste selbst reicht nicht aus, um den Hitzerverlust des Ozean langfristig auszugleichen. Ohne eine weitere Wärmequelle wäre der Enceladus-Ozean innerhalb vom rund 30 Millionen Jahren gänzlich zugefroren. Die bis heute aktiven Geysire am Südpol von Enceladus sprechen aber für einen immer noch extrem aktiven Untergrund.
Um die Frage nach der weiteren Wärmequelle zu lösen, haben sich die Forscher um Choblet dem vermutlich porösen Kern des Mondes angenommen und simuliert, wie dieser auf die saturnschen Gezeitenkräfte reagiert.
In ihren Simulationen eines noch nicht gänzlich verfestigten Kerns aus leicht verformbarem, porösem Gestein, zeigen die Wissenschaftler, wie kaltes flüssiges Wasser aus dem Ozean in diesen Kern eindringen kann, hier nach und nach durch die Gezeitenreibung im hiesigen Gestein und mit zunehmender Tiefe erwärmt bzw. regelrecht erhitzt wird.
Schaubild zum simulierten inneren Aufbau des Saturnmondes Enceladus (Illu.)
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Copyright: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute; interior: LPG-CNRS/U. Nantes/U. Angers. Graphic composition: ESA
Das Wasser zirkuliert sodann im Kern und steigt – weil es heißer ist als seine Umgebung – auch wieder auf. Auf diese Weise wird Hitze direkt zum Ozeanboden transportiert, wo es durch Schlote mit dem dortigen Gestein und dem umgebenden kälteren Wasser interagiert. Am Boden des Enceladus-Ozeans könnten auf diese Weise sogenannte Hotspots entstehen, von denen schon ein einziger rund 5 GW an Energie abgibt. Das allein entspricht der jährlich von ganz Island genutzten geothermalen Wärmeleistung.
Dadurch gelangt das warme Wasser nicht nur bis zur Eisdecke, wo es diese von unten anschmelzen kann und durch die Spalten und Risse darin an die Oberfläche gepresst wird, sondern das Wasser transportiert über Wochen und Monate auch Kleinstpartikel vom Ozeanboden, die ebenfalls mit den Geysiren ausgestoßen und hier dann analysiert werden können.
„Unsere Simulationen erklären zugleich die Existenz eines globalen Ozeans aufgrund des enormen Wärmetransports zwischen dem tiefen Inneren des Mondes und seiner Eiskruste, als auch die Konzentration der Aktivität in einer relativ engen Region rund um den Südpol von Enceladus und damit die von Cassini entdeckten Hauptmerkmale des Mondes“, erläutert die Mitautorin der Studie, Gabriel Tobie ebenfalls von der Université de Nantes.
Auf die beschriebene Weise könnten die auf Enceladus einwirkenden und den Mondkern regelrecht massierenden Gezeitenkräfte über viele Millionen bis Milliarden von Jahren hinweg bis zu 30 GW an Wärmeenergie erzeugen. Lang egenug also, damit Leben entstanden sein und sich entwickelt haben könnte.
Von zukünftigen Messungen mit Instrumenten, die die Genauigkeit von Cassini um ein Vielfaches übertreffen sollen (siehe Infokasten „Hintergrund“) erhoffen sich die Wissenschaftler dann auch direkte Informationen darüber, ob im warmen Enceladus-Ozean auch Leben entstanden ist.
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