Phosphin und Ammoniak: Neue Detektionen bestärken Hoffnung auf Leben auf der Venus
Hull (Großbritannien) – Seit der Bekanntgabe ihrer ersten Detektion des potenziellen Biomarkers Phosphin in den gemäßigten Atmosphärenschichten der Venus steht das Team um die Astronomin Jane Greaves im Zentrum einer kontroversen Debatte um ihre Deutung dieser Messungen als Anzeichen für mikrobisches Leben auf der „höllischen Schwester der Erde“. Nun liegen neue Messungen vor, die dieses Szenario erneut stützen.
Erstmals hatte Jane Greaves von der Cardiff University im September 2020 über ihre Detektion von Phosphin in der Venus-Atmosphäre berichtet (…GreWi berichtete) und damit eine Kontroverse innerhalb der Wissenschaftsgemeinde ausgelöst, in deren Folge die Detektion zunächst angezweifelt, dann später aber vom Team um Greaves erneut bestätigt werden konnte (…GreWi berichtete, siehe GreWi-Dossier am Ende dieser Meldung).
Hintergrund
Auf der Erde wird Phosphin von Mikroben erzeugt, die nahezu keinen Sauerstoff benötigen, stattdessen Phosphatmineralien und Wasserstoff absorbieren und als Ausscheidungsprodukt Phosphin abgegeben. Tatsächlich gibt es in der Venusatmosphäre nahezu keinen Sauerstoff. Da die Venusoberfläche selbst viel zu heiß ist, als dass hier erdartige Mikroben existieren könnten. Erst in Höhen von 48 bis 60 Kilometern erreichen die Temperaturen zwischen minus 17 und 93 Grad Celsius, weshalb man hier von einer „lebensfreundlichen Zone“ der Venus sprechen könnte. Genau hier haben die Astronomen nun auch das Phosphin entdeckt.Potentielle Venus-Mikroben, so vermuten Astrobiologen, entstanden Ozeanen aus flüssigem Wasser, die einst – als das Venusklima noch wesentlich milder und lebensfreundlicher war – auf der Venusoberfläche existierten. Als sich die Venus dass in Folge eines massiven Treibhauseffekts zur heutigen „höllische Schwester der Erde“ erhitzte, zogen sich einige Mikroben in die gemäßigten Atmosphärenschichten zurück, wo sie sich bis heute existieren könnten, ohne je überhaupt auf die Oberfläche zu gelangen (…GreWi berichtete).
Tatsächlich könnte der Nachweis von Mikroben in der Venusatmosphäre ein Merkmal dieser erklären, das Wissenschaftler seit Jahren vor ein Rätsel stellt: Dunkle Streifen, die – so vermuteten einige Wissenschaftler bereits – von lichtabsorbierenden Bakterien erzeugt werden könnten (…GreWi berichtete). Die dunklen Streifen sind unter anderem auf UV-Aufnahmen der europäischen Sonde “Venus Express” zu erkennen (siehe Abb. l.; Copyright: ESA/MPS/DLR/IDA).
Besonders ihre Deutung der Messwerte als Anzeichen für mögliches Leben auf der Venus wurde dem Team von einer Astrobiologie-Kommission (F3) der Internationalen Astronomischen Union (IAU) als voreilig, sensationalistisch und sogar unwissenschaftlich und irreführend kritisiert.
Auf einem Treffen der Royal Astronomical Society am 17. Juli im englischen Hull 2024 haben Greaves und David Clements vom Imperial College London nun die Ergebnisse ihrer neusten Messungen mit neuer und verbesserter Instrumentation mit dem James Clerk Maxwell Telescope berichtet.
Diese bestätigten nicht nur erneut die Detektion von Phosphin, sondern zusätzlich auch das Vorhandensein von Ammoniak in der Venusatmosphäre. Letzteres bezeichnete Clements als „noch viel bedeutender als jene von Phosphin“. Auch Ammoniak gilt als möglicher und starker Hinweis auf bzw. als das Ergebnis biologischer Aktivität.
Allerdings wurde das Ammoniak in den oberen Wolkenschichten der Venus detektiert – dort, wo Temperaturen von -15 Grad und weniger vorherrschen, berichtet die Royal Astronomical Society in einem zusammenfassenden Posting auf „X“. „Solche Temperaturen dürften für Leben zu niedrig sein.“
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Statt also in der oberen Atmosphäre könnte Leben, das Ammoniak freisetzt, in niedrigeren Schichten existieren und gerade Ammoniak nutzen, um den Säuregehalt seiner Umgebung zu reduzieren und dadurch lebensfreundlicher zu gestalten, spekuliert Greaves. Sollte dies der Fall sein, könnte das Gas möglicherweise in die Atmosphäre aufsteigen und damit detektierbar werden.
Doch trotz der Entdeckung gleich zweier Moleküle, die mit biologischer Aktivität assoziiert werden, gibt Greaves zu bedenken, dass es noch zahlreiche Unbekannte über die Oberfläche und Atmosphäre der Venus gibt. Die Detektionen seien faszinierend, aber noch immer kein letzter und eindeutiger Beweis für Leben. Auch Clements attestierte gegenüber CNN, dass es zwar noch zu früh sei, anhand der Detektion der beiden Gase auf Venus-Leben zu schließen, dennoch stärke der Nachweis dieses Szenario zusehends.
In zukünftigen Beobachtungen soll nun überprüft werden, ob Ammoniak auch in tieferen Schichten zu finden ist – Schichten, in denen es deutlich wärmer ist. Eine Möglichkeit hierfür bietet sich frühestens 2029, wenn mit der DAVINCI-Mission der NASA eine Sonde die Venus-Atmosphäre erforschen soll. Auch die europäische Jupiter-Mission „JUICE“ könnte auf dem Weg ins Jupitersystem an der Venus vorbeifliegen und wertvolle Messungen erstellen.
GreWi-Dossier: Biomarker Phosphin in der Venusatmosphäre?
…die bisherigen GreWi-Meldungen dazu in chronologischer Reihenfolge beginnend bei der Erstmeldung
Vorab geleaked: Astronomen finden starke Hinweise für mikrobisches Leben auf der Venus 14. September 2020
Breakthrough Initiative fördert Suche nach primitivem Leben in den Wolken der Venus 16. September 2020
Leben auf der Venus? Forscher hoffen schon in wenigen Wochen auf weitere Daten 21. September 2020
Private Mission zur Suche nach Leben auf der Venus könnte schon 2023 starten 24. September 2020
Zweifel an Nachweis des Biomarkers Phosphin in der Venus-Atmosphäre 21. Oktober 2020
Weiterer Hinweis auf Leben auf Venus? Aminosäure Glycin in lebensfreundlicher Zone der Venus-Atmosphäre 18. Oktober 2020
Möglicher Biomarker auf der Venus: Astronomen stufen Aussagen herab 18. November 2020
Studie: Biomarker in der Venusatmosphäre vermutlich nur gewöhnliches Schwefeldioxid 28. Januar 2021Phosphin in Venusatmosphäre spricht für explosiven Vulkanismus auf der Venus 12. Juli 2021
Doch Biomarker auf der Venus? – Venus Phosphin-Update 2. Dezember 2021
Phosphin: Neue unabhängige Messungen bestätigen erneut möglichen Biomarker in der Venusatmosphäre 17. August 2022
Fachartikel sieht weiterhin Hinweise für Leben in der Venus-Atmosphäre 3. Dezember 2022
Weitere Studie zu Biomarkern auf der Venus: “Wenn Phosphin, dann nur ganz wenig” 6. Dezember 2022
Erneute Detektion von Phosphin: Gibt es Leben in der Venus-Atmosphäre? 11. Juli 2023
Studie legt nahe: Auch die Venus hatte vor Milliarden vermutlich erdähnliche Plattentektonik 29. Oktober 2023
Studie: Leben in Säurewolken der Venus möglich – Private Mission will 2025 danach suchen 8. Januar 2024
Weitere chemische Anomalien in der Venusatmosphäre wecken Hoffnung Leben 26. Januar 2024
Recherchequellen: Royal Astronomical Society via X, CNN
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