Planck-Daten legen nahe: Auch das Universum könnte rund sein – doch das wäre ein Problem
Rom (Italien) – Nicht nur die Erde und alle sonstigen Himmelskörper mit genügend Masse sind kugelförmig, auch das Universum selbst – zu dieser Vermutung kommen italienische Astrophysiker anhand einer neuen Auswertung der Beobachtungsdaten des Planck-Satelliten. Ein kugelförmiges Universum stellt jedoch ein Problem für die bislang anerkannte Kosmologie da – betrachtet diese das Universum bislang doch als flache Ebene.
Tatsächlich sprechen alle bisherigen Beobachtungen dafür, dass das Universum selbst flach ist und keine Krümmung aufweist. Wie das Team um Alessandro Melchiorri von der Sapienza – Università di Roma im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-019-0906-9) berichtet, sprechen die Daten den Planck-Satelliten, der von 2009-2013 die kosmische Hintergrundstrahlung, also sozusagen das Echo des Urknalls, vermessen hat, dafür, dass es mehr Gravitationslinseneffekte (also die Ablenkung des Lichts durch große Massen) gibt, als anhand bisheriger kosmologischer Modelle eigentlich angenommen. Die Wissenschaftler präsentieren nun Berechnungen, die nahe legen, dass dieser Umstand am ehesten damit erklärt werde, dass das Universum eine andere Form hat, als bislang angenommen.
Die neue Analyse legt demnach nahe, dass das Universum in sich geschlossen, also eher eine Kugelform besitzt. Das würde wiederum bedeuten, dass man nur weit genug entlang einer geraden Linie reisen müsste, um irgendwann wieder an den Ausgangspunkt zu gelangen.
Der Grund für diese Schlussfolgerung liegt in dem Umstand, dass eigentlich nur zusätzliche Dunkle Materie die vermehrten Gravitationslinseneffekte erklären könne, die dann wiederum das Universum statt in eine flache Ebene zur geschlossenen Form ziehen würde.
Laut Melchiorri und Kollegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Universum eine Kugelform besitzt anhand der neuen Berechnungen 41 mal höher als dass sich unser Kosmos in einer flachen Ebene ausbreitet.
Wenn das Universum nun aber tatsächlich kugelförmig – und damit in sich geschlossen wäre, würde dies ein gewaltiges Problem für unser Verständnis vom Universum darstellen, erläutert der „New Scientist“. Allerdings stellen auch andere Phänomene die flache Ebenenform des Universums in Frage – beispielsweise die Beobachtungen, dass sich das nahe Universum offenbar schneller ausdehnt als es sollte. Allerdings hat das Team um Melchiorri auch hier berechnet, dass auch und gerade eine Kugelform diese Beobachtung noch schwerer erklären kann. Zudem gestehen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ein, dass die Kugelform des Universums auch auf weitere Hindernisse stößt, die es zunächst zu erklären gelte.
Allerdings sei die aufgezeigte Situation so dramatisch, dass die Autoren der Studie selbst von einer “möglichen kosmologischen Krise“ sprechen und erläutern: „In einem geschlossenen Universum sind alle beobachtbaren Anomalien noch schwerer zu erklären als bislang gedacht. Wenn aber nicht miteinander übereinstimmt, so müssen wir unser bisheriges Modell vom Universum und seiner Entstehung auch sehr kritisch hinterfragen.“
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Die bisherige Erklärung für die Entstehung des Universums, wie wir es heute beobachten können, liegt in einer Phase unmittelbar nach dem, was Kosmologen als „Urknall“ bezeichnen, als sich das dabei entstandenen Universum sehr schnell ausdehnte, die sogenannte Inflation. Bisherige Modelle sprechen dafür, dass diese Inflation zur Form eines flachen Universums führte. Finden sich nun Belege dafür, dass das Universum aber geschlossen, und damit eher kugelförmig ist, müsste auch die Vorstellung von der Inflation überdacht werden.
Tatsächlich sprechen bislang aber nahezu alle Beobachtungen dafür, dass das Universum flach ist, weshalb viele Astrophysiker und Kosmologen sich angesichts der Behauptungen der italienischen Wissenschaftler kritisch zeigen und eher vermuten, dass diese einem statistischen Fehler aufgesessen sein könnten.
Erst zukünftige Beobachtungen mit präziseren Instrumenten werden auch die Gravitationslinseneffekte noch genauer als Planck vermessen können und dann vielleicht auch die Frage beantworten, ob es die zitierte „Krise der Kosmologie“ tatsächlich gibt, oder nicht.
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Quelle: Nature, New Scientist
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