Planeten ohne Stern: Radioaktivität könnte sonnenlose Welten lebensfreundlich machen
Melbourne (USA) – Für gewöhnlich gelten Himmelskörper als Planet, wenn sie einen Stern umkreisen. Tatsächlich gibt es aber auch Planeten, die nicht an einen Stern gebunden sind und frei durchs All ziehen. Aufgrund mangelnden Sonnenlichts und Wärme eines Sterns, galten solche Einzelgängerplaneten bislang kaum als lebensfreundlich. In einer aktuellen Studie diskutieren zwei US-Astronomen nun aber ein Szenario, das zeigt, wie auch einige dieser Welten genügend Energie für Leben erhalten könnten.
Wie der Astrophysiker Professor Avi Loeb von der Harvard University und der Astrobiologe Manasvi Lingam vom Florida Institute of Technology aktuell im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/ab68e5) berichten, könnte ein solcher Planet auch Wasser und andere Flüssigkeiten auf seiner Oberfläche halten, wenn diese nicht von Sternenlicht, sondern durch radioaktiven Zerfall erwärmt werden. Auf diese Weise könnten zahlreiche Planeten, die bislang als zu kalt für Leben galten, doch genügend Wärme genau für dieses produzieren.
Das Geheimnis liegt laut den Autoren in radioaktiven Isotopen wie Uranium-238, Thorium-232 oder Kalium-40, wie sie auch im Erdmantel und der Erdkruste zu finden sind. Während diese in instabile sog. Radionuklide zerfallen, erzeugen sie auch geringe Mengen an Energie – etwa ein Dritteltausendstel dessen, was die Erde von der Sonne erhält.
Loeb und Lingam schlagen nun allerdings vor, dass einige Planeten – besonders jene, die in der Nähe des Galaktischen Zentrums der Milchstraße entstehen bzw. entstanden sind – genügend dieser radioaktiven Isotope besitzen und so ausreichend Energie erzeugen, um zu verhindern, dass ihre Oberfläche vollständig zufriert. „Auf diese Weise müssen Planeten nicht mehr zwangsläufig nahe genug ihren Stern umkreisen, um als potentiell lebensfreundlich zu gelten“, so Loeb.
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Gemeinsam mit Lingam hat Loeb den radioaktiven Zerfall langlebiger Isotope über Milliarden von Jahren und den Zerfall kurzlebiger Isotope über Hunderte und Tausende von Jahren untersucht. Danach modellierten sie die Oberflächentemperaturen von Planeten unterschiedlicher Masse und mit unterschiedlichen Vorkommen an verschiedenen Radionukliden. Auf diese Weise wollten sie herausfinden, ob Wasser, Ammoniak und Ethan – und damit drei Lösungsmittel, die in unserem Sonnensystem vorkommen – dort in flüssiger Form existieren könnten.
Um einen Planet genügend aufzuwärmen, um Wasser zu verflüssigen, bedarf es etwa dem Tausendfachen des Vorkommens der besagten Isotope auf der Erde, berichten die Autoren. „Planeten mit der gleichen Masse wie unsere Erde, aber mit dem hundertfachen Vorkommen von Radionukliden würden ausreichend Wärme abgeben, um etwa Ethan für hunderte Millionen von Jahren flüssig zu halten. Die Strahlungslevel auf solchen Welten würden um das Hundertfache höher sein als jene, denen die Bewohner der Chernobyl-Region während der Nuklearkatastrophe 1986 ausgesetzt waren.“
Während es zwar unwahrscheinlich sei, dass unter solcher Strahlungsbelastung mehrzelliges Leben überdauern würde. Doch schon auf unserer Erde existieren extremophile Mikroben, wie das strahlungsresistente Bakterium “Deinococcus radiodurans”, die derartigen Bedingungen sehr gut wiederstehen können.
Damit Planeten unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, derart viele Radionuklide beherbergen können, müssten sie allerdings im Zentrum der Galaxie entstanden sein, da hier schwere Elemente wie Uranium und Thorium durch Kollisionen von dort dichter und zahlreicher vorkommenden Neutronensternen erzeugt werden.
Obwohl fraglich sei, ob es einen solchen Planeten überhaupt gibt, könnte schon das „James Webb Space Telescope“ (JWST), das 2021 starten soll, einen solchen Planeten entdecken. Dafür würde das Teleskop aber 10 reguläre Beobachtungstage benötigten, um das Planetensignal, das sich wohl am stärksten im Infrarotspektrum abzeichnen würde, zu entdecken, vermuten Loeb und Lingam abschließend.
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Quelle: Science
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