Quantenoptik: Neue Theorie rüttelt an Deutung des Doppelspalt-Experiments
São Carlos (Brasilien) – Die weithin anerkannte Lesart der Aussage der Ergebnisse eines der wohl berühmtesten Ergebnisse der Physik könnte falsch sein. Zumindest, wenn es nach den Autoren einer Neuinterpretation des sogenannten Doppelspalt-Experiments zur Natur des Lichts geht.

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Wie die Physiker Celso J. Villas-Boas, Carlos E. Máximo, Paulo J. Paulino, Romain P. Bachelard und Gerhard Rempe von der Federal University of São Carlos, der ETH Zürich, der Eberhard Karls Universität Tübingen und dem Max-Planck-Instituts für Quantenoptik vorab via ArXiv.org und aktuell im APS-Fachjournal „Physical Review Letters“ (DOI: 10.1103/PhysRevLett.134.133603) darlegen, stellt ihr Modell das klassische Verständnis von Lichtinterferenz auf den Kopf: Die Forscher zeigen, dass das bekannte Interferenzmuster – wie es etwa im berühmten Doppelspalt-Experiment auftritt – auch ohne die Annahme von Licht als Welle erklärbar ist. Stattdessen liefert ihr neues Modell auf Basis quantenmechanischer Teilchenzustände eine überraschende Alternative.
Licht – Welle oder Teilchen?
Diese zentrale Frage beschäftigt die Physik seit Jahrhunderten. Während klassische Theorien Licht als elektromagnetische Welle betrachten, sieht die Quantenmechanik darin einzelne Teilchen, sogenannte Photonen, die sich unter bestimmten Bedingungen wie Wellen verhalten können.
Im Fokus der Studie steht die sogenannte klassische Interferenz – also das typische Muster von hellen und dunklen Streifen, das auftritt, wenn Licht auf Hindernisse wie zwei Spalte trifft. Bisher galt dieses Muster als klarer Beleg dafür, dass Licht Welleneigenschaften besitzt.

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Die aktuelle Forschungsarbeit legt jedoch nahe: Das Interferenzmuster lässt sich auch rein mit Teilchen erklären – genauer gesagt mit sogenannten hellen und dunklen Zuständen des Lichts.
Diese Zustände beschreiben, ob ein Lichtteilchen (Photon) mit einem Detektor wechselwirken kann oder nicht: Helle Zustände führen demnach zur messbaren Anregung – das Licht wird „gesehen“. Dunkle Zustände dagegen enthalten zwar ebenfalls Photonen (Lichtteilchen), diese bleiben aber unsichtbar, weil sie mit dem Detektor nicht koppeln – zum Beispiel, weil sich ihre Anregungswirkungen gegenseitig aufheben.
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Das vorgestellte Konzept knüpft an frühere Theorien des Physikers Robert Dicke an, der bereits in den 1950er-Jahren ähnliche Zustände bei Atomen beschrieb. Die Forscher übertragen dieses Prinzip nun auf Licht und formulieren eine vollständig quantenmechanische Beschreibung der Interferenz.
Helles und dunkles Licht
„Wir wollten verstehen, ob sich das klassische Interferenzmuster auch mit Teilchen – statt mit Wellen – erklären lässt“, erklärt Gerhard Rempe, einer der Autoren der Studie gegenüber „Phys.org“. „Unsere Ergebnisse zeigen: Ja, es geht. Das Interferenzbild entsteht durch eine Abfolge verschränkter heller und dunkler Zustände von Photonen.“
Besonders spannend: Auch dunkle Zustände enthalten Lichtteilchen, die jedoch mit herkömmlichen Messmethoden nicht nachweisbar sind. Das sei, so die Forscher, zunächst kontraintuitiv – man müsse sich aber wohl daran gewöhnen, dass auch „unsichtbares Licht“ physikalisch real existieren kann.
Ein weiterer Aspekt der Theorie betrifft das sogenannte „Welcher-Weg“-Problem: In klassischen Doppelspalt-Experimenten verschwindet das Interferenzmuster, sobald man beobachtet, durch welchen Spalt ein Teilchen geht. Die Tatsache, dass eine Beobachtung oder Messung (etwa durch Sensoren an den Spalten) stattfindet, verändert das Ergebnis des Experiments.
Neue Ansätze in der Quantenoptik
Die neue Theorie erklärt auch dieses Phänomen – nicht durch eine Änderung des Weges, sondern durch eine Änderung des Zustands: „Die Beobachtung verwandelt einen dunklen Zustand in einen hellen – das Teilchen wird dadurch sichtbar, und das Muster verschwindet.“
Was zunächst theoretisch klingt, könnte jedoch weitreichende Konsequenzen haben: Die Forscher schlagen vor, dass klassische Gleichungen (wie etwa die Maxwell-Gleichungen, die die Phänomene des Elektromagnetismus beschreiben) als Spezialfälle der Quantenmechanik angesehen werden sollten. Damit öffnet sich eine Tür für ein tieferes Verständnis der Licht-Materie-Wechselwirkung und für neue experimentelle Ansätze in der Quantenoptik.
Die Studie könnte die Grundlage für weitere Arbeiten bilden, die das klassische Wellenmodell infrage stellen und die Rolle quantenmechanischer Teilchenzustände stärker in den Fokus rücken. „Wir glauben, dass unser Ansatz dabei helfen kann, alte physikalische Streitfragen neu zu betrachten – mit einem modernen quantenmechanischen Blick auf scheinbar klassische Phänomene“, so Rempe abschließend. „Das könnte auch neue Impulse für die Technologieentwicklung geben – etwa in der Quantenkommunikation oder bei präzisen Messverfahren mit Licht.“
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Rechercherquelle: Phys.org
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