Atlanta (USA) – Da es ebenso wie die DNA genetische Informationen speichern kann und chemische Reaktionen zu Proteinen antreibt, spielte das RNA-Molekül bei der Entstehung des Lebens vermutlich eine zentrale Rolle. Wie es jedoch selbst einst aus unbelebter Materie entstehen konnte, galt bislang als großes Rätsel der Biochemie. Münchner Chemikern ist es nun gelungen zu zeigen, wie eine Anordnung einfacher organischer Verbindungen, wie sie vermutlich auch schon auf der jungen Erde existierten, zugleich alle vier Bausteine der RNA entstehen lassen können.
Bei diesen Bausteinen der Ribonukleinsäure (RNS bzw. RNA) handelt es sich um die vier organischen Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil. Alle vier konnten bereits zuvor unabhängig voneinander in Laboratorien chemisch hergestellt bzw. re-produziert werden.
Bereits 2009 beschrieben britische Chemiker um John Sutherland von der University of Cambridge fünf Verbindungen (sog. Pyrimidine), wie sie vermutlich schon auf der jungen Erde existiert hatten und zur Entstehung von Cytosin und Uracil beigetragen haben. Vor zwei Jahren beschrieben dann Chemiker um Thomas Carell von der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität einen ganz ähnlichen Weg zur Entstehung von Adenin und Guanin, also jenen RNA-Bausteinen, die als Purine bezeichnet werden.
Allerdings handelte es sich dabei bislang um zwei unterschiedliche chemische Reaktionen und es war völlig unklar, wie und ob diese beiden unterschiedlichen Bedingungen zur gleichen Zeit und am gleichen Ort alle vier Basen entstehen lassen konnten.
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Wie Carells Team nun aktuell auf dem „Origins of Life Workshop“ berichtete, glauben sie eine einfache Reaktionsreihe entdeckt zu haben, die zur gleichzeitigen Entstehung aller vier RNA-Basen führen konnte:
Die Grundlage dieser Reaktionen sind demnach zunächst nur sechs Molekülbausteine, wie sie bereits auf der noch jungen Erde vorhanden waren: Sauerstoff, Stickstoff, Methan, Ammoniak und Cyanwasserstoff.
Tatsächlich hatten andere Forschungsgruppen schon zuvor gezeigt, dass diese Moleküle gemeinsam zu noch komplexeren Verbindungen reagieren können als zu jenen, die Carell und Kollegen nutzten.
Um nun die Pyrimidine zu erzeugen, begannen die Wissenschaftler mit den organischen Verbindungen Cyanoacetylen und Hydroxylamin, die zusammen zu sogenannten Amino-Isoxazole-Verbindungen reagieren, die dann wiederum mit einem anderen einfachen Molekül, Urea (Harnstoff), Verbindungen entstehen lassen, die mit dem Zucker Ribose zu einem letzten Satz von Übergangsverbindungen reagieren können.
Abschließend, verwandelten sich dann diese Übergangsverbindungen in Anwesenheit von schwefelhaltigen Verbindungen (sog. Thiole) und von Eisen- oder Nickelsalzen zu den gewünschten Pyrimidinen Cytosin und Uracil.
Diese letzte Reaktion wird zudem auch ausgelöst, wenn Metalle in den Salzen positiv geladen sind – und das wiederum geschehe genau immer dann im beschriebenen letzten Schritt der Entstehung der Purine Adenin und Guanin, berichtet „ScienceMag.org“.
„Und es kommt noch besser“, zitiert Science Carell: „Jener Schritt, der zur Entstehung alle vier Nukleotiden führt, ist in einem Gang möglich und liefert so erstmals eine plausible Erklärung dafür, wie alle (vier) RNA-Bausteine zur gleichen Zeit Seite an Seite entstanden sein könnten.“
Weiterhin rätselhaft bleiben derweil andere Fragen rund um die RNA. So ist etwa jener Schritt noch gänzlich unverstanden, der dazu geführt hat, dass sich die einzelnen Bausteine der RNA zu langen Ketten verbunden haben, die dann genetisches Material bildeten und chemische Reaktionen ausführen.
Entstanden Grundbausteine des Lebens auf der Erde durch Asteroiden-Beschuss?
Während „Science“ die aktuellen Ergebnisse von Carell und Kollegen als erstmalige Demonstration der gleichzeitigen Entstehung der vier RNA-Basen bezeichnet, präsentierten schon 2014 tschechische und US-amerikanische Wissenschaftler allerdings eine auf Laborexperimenten beruhende Theorie, wonach alleine die Energie der unzähligen Einschläge von Asteroiden auf der noch jungen Erde während des sogenannten Großen Bombardements ausgereicht haben könnte, um die vier Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil auf der Erde entstehen zu lassen.Wie das Team um Svatopluk Civis von der tschechischen Akademie der Wissenschaften und David Nesworny vom Southwest Research Institute damals im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS; DOI: 10.1073/pnas.1412072111) berichten, hatten sie mit Hilfe des Hochleistungslaser PALS in Prag die chemischen Bedingungen und Energie jener Einschläge simuliert, die vor rund vier Milliarden Jahren mit bis zu 75.000 Kilometern pro Stunde, während des sogenannten „Großen Bombardements“, auf die junge Erde einschlugen.
Künstlerische Darstellung der Erde und des Mondes im Beschuss des sog. Großen Bombardement (Illu.).
Copyright: NASADie Experimente der Wissenschaftler beruhten auf der früheren Theorie, nach der die methansäurehaltige Verbindung Formamid (CH3NO) bei der Entstehung der Nukleinbasen – und damit der Bestandteile der Nukleotide (DNA-Bausteine), die in DNA und RNA für die Ausbildung von Basenpaaren verantwortlich sind – eine zentrale Rolle spielt.
Derartiges, flüssiges Formamid beschossen die Forscher sodann für Sekundenbruchteile mit dem Prager Laser, der eine Leistung von bis zu zehn Milliarden Megawatt pro Quadratzentimeter erzeugen kann. Durch diesen Vorgang entstand ein mehr als 4000 Grad Celsius heißes Plasma und das Formamid teilte sich, wobei sogenannte Radikale (Moleküle, die ein ungepaartes Elektron besitzen und so besonders reaktionsfreudig sind) entstanden.
Diese Radikale wiederum reagierten in den Experimenten nun mit unverändertem Formamid und bildeten über verschiedene Zwischenschritte tatsächlich Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil. In ihren Experimenten konnten die Forscher danach bis zu 47-tausendstel Gramm Nukleinbasen pro Liter nachweisen.
„Unsere Ergebnisse zeigen nicht nur auf, dass außerirdische Einschläge während des Großen Bombardements nicht nur möglicherweise damals schon existierendes Lebens zerstört haben, sondern auch an der Entstehung biogener Moleküle beteiligt gewesen sein könnten“, konstatierten die Forscher damals abschließend (…GreWi berichtete).
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